Pia Tafdrup

Tarkowskis Pferde

Gedichte. Zweisprachig dänisch/deutsch
Cover: Tarkowskis Pferde
Edition Lyrik Kabinett, München 2017
ISBN 9783938776452
Broschiert, 117 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Aus dem Dänischen von Peter Urban-Halle. Tarkowskis Pferde In der Schönheit eines Pferdes auf einer sonnenbeschienenen Weide, an der ich im Zug vorüberfahre, wenige Tage nach dem Todes meines Vaters - sehe ich ihn plötzlich wieder. Ein Déjà-vu kann eine Flut von Erinnerungen auslösen, wie spätestens Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit literarisch beeindruckend belegt. Für Pia Tafdrup ist der Anblick grasender Pferde in der letzten Sequenz von Andrej Tarkowskis Film Andrej Rubljow ein solcher Moment: Nachdem sie Studenten in Jütland ihren Lieblingsfilm gezeigt hat, erblickt sie auf der Rückfahrt zufällig das gleiche Motiv aus dem Zugfenster und plötzlich "ist mein Vater zugegen" - der kurz zuvor gestorben ist. Tafdrup schildert das Erlebnis im Titelgedicht des vorliegenden Bandes, das gleichzeitig das Schlussgedicht ist. Danach stürzen die Erinnerungen auf sie ein, und sie schreibt diesen klar-analytischen wie ergreifenden Zyklus über Demenz und Tod des verehrten Vaters: die Gespräche mit ihm, die Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend, seine zunehmende Verwirrtheit und ihre eigene Hilflosigkeit.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.01.2018

Wie die dänische Dicherin Pia Tafdrup die Demenz ihres Vaters in einem lyrischen Gespräch festhält, hat Marcia Bodrozic tief bewegt und beeindruckt. Als intensiv und schmerzhaft beschreibt die Rezensentin die hier vermittelte Erfahrung vom Verlöschen der Erinnerung. Die imaginäre Korrespondenz der Autorin, poetisch und liebevoll, ist für Bodrozic auch ein Spiegel für die Lebenden und Gesunden und Beispiel für die "metaphysische Fähigkeit des Standhaltens". Wie es ist, wenn die zeitliche Struktur in der menschlichen Beziehungen wegfällt, erfährt die Rezensentin eindringlich und fragt sich schließlich: Handelt es sich um Auslöschung oder Erlösung? Die Autorin schweigt dazu in ihrem Buch von schmerzlicher Innigkeit und Schönheit, so Bodrozic.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 23.01.2018

Dieser wundervolle und laut Kritikerin von Peter Urban gefühlvoll ins Deutsche übertragene Gedichtband, den die dänische Lyrikerin Pia Tafdrup ihrem verstorbenen und lange an Demenz erkrankten Vater widmete, gehört zum Besten, was die "Alzheimer-Literatur" zu bieten hat, jubelt Rezensentin Kristina Maidt-Zinke. Oszillierend zwischen Transzendenz und Sinnlichkeit, pathetisch und zugleich ebenso entschlossen wie analytisch versuche Tafdrup den Prozess des schrittweisen Bewusstseinsverlustes zu greifen. Dabei mit Bildern aus Jahreszeiten und Natur oder Motiven aus Andrej Tarkowskis Film "Andrej Rubljow" spielend entstehen Gedichte voller "Leuchtkraft aus Lebenserfahrung", schwärmt die Kritikerin. Nordische Lyrik in vollendeter Form und in der Tradition von Inger Christensen stehend, schließt sie.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.12.2017

Pia Tafdrups Gedichte handeln vom Verlust der Erinnerungen und der Fähigkeit, sie wieder wachzurufen, vollziehen gleichzeitig jedoch die genau entgegengesetzte Bewegung: Sie lassen Erinnerungen entstehen und bewahren diese in Worten, erklärt Rezensent Nico Bleutge. Einfühlsam nähert sich die dänische Lyrikerin der Perspektive ihres Vaters an, den die Alzheimer-Krankheit dazu zwingt, langsam zu vergessen, Abschied zu nehmen, sowie auch seine Tochter von ihm Abschied nehmen muss, lesen wir. Zeilensprünge werden hier zu Gedankenbrüchen, Wörter zu Vexierbildern, sodass der Leser nachvollziehen, mitfühlen kann, wie "die Zusammenhänge der Welt sich lockern", wie Bedeutungen verschwimmen, Erinnerungen brüchig werden, so der beeindruckte Rezensent. Über einige wenige doch recht pathetische Formulierungen und affektierte Alliterationen immer dann, wenn Tafdrup an historische Fakten anzuknüpfen versucht, kann Bleutge leicht hinweglesen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.08.2017

Dirk Pilz freut sich sehr, dass die dänische Dichterin Pia Tafdrup nun erstmals ins Deutsche übersetzt wurde. In dem Band "Tarkowskis Pferde", der in Dänemark bereits vor elf Jahren erschien, verarbeitet Tafdrup die lange Krankheit ihres Vaters, der einige Monate vorher gestorben war. Pilz beschreibt Tafdrups Gedichte als "um das wissend, was zwischen Farben und Worten schimmert", als immer pointiert und authentisch, aber dennoch "welterfahrungsoffen". Tadruf sage von sich selbst, so Pilz, dass sie mit jedem ihrer Gedichte Ludwig Wittgensteins berühmtes Zitat "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen" wiederlegen wolle und dies gelänge ihr auf nahezu übersinnliche Weise.