Ottessa Moshfegh

Lapvona

Roman
Cover: Lapvona
Hanser Berlin, Berlin 2023
ISBN 9783446275843
Gebunden, 336 Seiten, 26,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Anke Caroline Burger. Es riecht nach Kot und Verwesung, nach Blut, Vieh und Schlamm - das ist Lapvona, der gottverlassenste Ort der Romanwelt. Hier ist niemand vom Glück begünstigt, am wenigsten Marek, der missgestaltete Sohn des Schafhirten. Doch sein Elend birgt auch eine große Kraft: baldige Nähe zu Gott durch Entsagung und Erniedrigung. Als er von Villiam, dem irren Landvogt, aufs Schloss berufen und als neuer Fürstensohn eingeführt wird, glaubt Marek sich zu Höherem erkoren. Denn noch ahnt er nicht, wie grausam nicht nur die Not, sondern auch die Sättigung den Menschen macht.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 18.02.2023

Kritikerin Miriam Zeh ist sich nicht ganz sicher, was sie von Ottessa Moshfegs neuestem Roman halten soll. Die Kompromisslosigkeit und Bereitschaft zum Skandalös-Aufsehenerregendem kennt sie schon von ihr, aber die Lust an der Gewalt und am Sadismus nehmen in der Geschichte um das mittelalterliche Reich Lapvona vielleicht doch ein wenig überhand. Andererseits: Ist Literatur nicht genau dafür da, sich nicht um Grenzen und Konventionen zu scheren, überlegt Zeh. So richtig zu einer Empfehlung durchringen kann sich die Rezensentin nicht, aber die Leistung der Autorin, so einen Gewaltexzess zu schreiben und die Reaktionen darauf zur Kultivierung ihres Bildes in der Öffentlichkeit zu nutzen, bewundert sie schon.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 10.02.2023

Nicht besonders überzeugt ist Rezensentin Sylvia Staude von Otessa Moshfeghs neuem Roman. Mit ihrem fünften Buch hat die Autorin den ohnehin schon hohen Grad an Grausamkeit und Gewalt, der kennzeichnend für ihr Schreiben ist,  noch einmal gesteigert, meint die Kritikerin. Die Geschichte ist im fiktiven titelgebenden Fürstentum "Lapvona" angesiedelt, in einem Mittelalter-Kosmos, in dem Skrupellosigkeit und moralischer Verfall herrschen. Über den Zeitraum eines Jahres verfolgt der Leser die Figuren, vom vergnügungssüchtigen Fürsten bis zur hinterlistigen Magd, alle durch die Bank weg verabscheuungswürdig, so Staude, die mitansieht, wie sie sich gegenseitig töten, gegeneinander intrigieren und sogar aufessen. Sprachmächtig ist Moshfegs Roman dennoch, erkennt die Kritikerin an, und schonungslos in seiner Drastik. Nichts wird dem Leser erspart, auch die ekligsten körperlichen Detailsspart die Autorin nicht aus. In all ihrer Verkommenheit und Gleichgültigkeit werden die Figuren allerdings uninteressant und wirken wie Pappfiguren, seufzt Staude. Am Ende fragt sich die Rezensentin mit bedauernd, warum die Autorin ihr schriftstellerisches Talent eigentlich so voll und ganz für das "Groteske, brutal Krasse" aufopfert.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 28.01.2023

Rezensent Jens Uthoff scheint fasziniert von Ottessa Moshfeghs neuem Roman, über den er auch einiges Interessantes aus einem Gespräch mit der Autorin erfährt. Ganz im Zeichen ihrer literarischen Vorliebe für Außenseiter der Gesellschaft, Überzeichnungen und Genre-Spiele handelt ihr neuer Roman vom deformierten "Dorffreak" Marek, der in einem fiktiven, mittelalterlichen Ort namens Lapvona den Sohn des autokratischen Herrschers Villiam umbringt und dann dessen Nachfolger werden soll. Dabei werden die Leser wieder mit allerlei Abstoßendem konfrontiert: Kannibalismus, Inzest, Vergewaltigung, Mord, zählt Uthoff auf, und gibt dann Moshfeghs Antwort auf den Vorwurf wieder, dass sie das "Kaputte" in ihren Büchern nur ausstelle: Um eine Verhandlung der Glaubensfrage sei es ihr bei den Figuren gegangen, und daher nicht um bloße Gewaltdarstellung, folgert Uthoff. Er sieht in der "Freude am Splatter" und am Humor außerdem deutlich den Einfluss Charles Bukowskis, den Moshfegh einmal als Vorbild angab. Besonders beeindruckt den Kritiker, wie die Autorin wieder Genreklischees und -grenzen ausmisst: diesmal in Form eines "Antimärchen", staunt Uthoff.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.01.2023

Ob Otessa Moshfegh ihre feinen Antennen verloren hat, fragt sich Miriam Zeh in ihrer Rezension. Denn der neue Roman der amerikanischen Autorin übersteigt für sie den "Gipfel an Grausamkeit". Was Moshfegh das Personal in ihrem mittelalterlichen Fürstentum erleben, erdulden und erleiden lässt, sei nur eine Niederschrift über eine dekadente und intrigante Zeit. Es fehlt, so die enttäuschte Zeh, jegliche gesellschaftskritische Analyse und es ist für die Rezensentin nahezu ärgerlich, dass Moshfegh als Herrin über ihre Geschichte waltet als sei sie der Marquis de Sade. Natürlich darf Literatur alles, rechtfertigt die Rezensentin ihre Kritik. Aber weil sie nur voyeuristischen Spaß der Autorin in diesem Roman ausmachen kann, diskrediert sich Moshfegh für sie durch den Habitus, den Lesern alles zumuten zu dürfen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21.01.2023

Rezensentin Simona Pfister tut sich schwer mit Ottessa Moshfeghs neuem Roman. Vor allem, weil er sie mit einer Gewaltlawine überrollt: Voller Gemetzel, Verstümmelung, Vergewaltigung und Kannibalismus sei die "postmodern-barocke" Erzählung, die irgendwo zwischen Mittelalter und Videospiel von einem fiktiven Dorf Lapvona erzählt, beherrscht von einem kindlichen Fürsten, geprägt von Hunger und Leid, stöhnt Pfister. Hinzu komme eine zynische, ironisch gebrochene Erzählstimme, die sich über alles lustig mache. Wo das am Anfang vielleicht noch die Aufmerksamkeit weckt, wird der monotone Exzess für die Kritikerin dann aber zunehmend anstrengend und "beliebig". Zwar sieht sie gewisse Aktualitätsbezüge auf die Entstehungszeit des Romans während der Trump-Präsidentschaft und vermutet im krassen Erzählstil kurz den Versuch einer Darstellungsform dieser Gegenwart, aber schlussendlich ist ihr selbst dafür "alles zu schrill" und übertrieben. Eine "Gewaltorgie", die nicht aufweckt, sondern nur "anekelt", schließt sie.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.01.2023

Rezensent Samir Sellami ist baff. Denn er hat auch am neuen Roman von Ottessa Moshfegh nichts, aber auch gar nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil: Die Geschichte, die in einem fiktiven mittelalterlichen Fürstentum spielt, ist für ihn nahezu perfekt. Genauso wie bei Moshfeghs vorherigen Büchern, ist der Rezensent von der Sprache, den Figuren, den überraschenden Wendungen und den drastischen Schilderungen überwältigt -  zumal Moshfegh ihre Handschrift bei jedem Roman neu zu erfinden scheint, lobt Sellami. Das mache die 41-Jährige, schreibt der Rezensent, zur "Klassenbesten der US-amerikanischen Gegenwartsliteratur".
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.01.2023

Fetischisierung des Abscheulichen, Ableismus und Provokation um ihrer Selbst willen wurden Ottessa Moshfegh vorgeworfen. Doch diese Kritik tut der Autorin und ihrem "brillant konstruierten Pointen-Feuerwerk" unrecht, findet Rezensentin Marie-Luise Goldmann. Denn ihre Figuren, bei all ihrer naiven Grausamkeit, entbehren nicht der Fähigkeit zu lieben und weisen damit durchaus Ambivalenz auf. Und auch all die zügellos, mit fast schon lustvoller Direktheit und Opulenz aus der Perspektive der Täter beschriebenen Gewalt hat immer etwas Kathartisches, wenn man sich denn als Leserin darauf einlässt. Auch der Plot könnte üppiger kaum sein: Ein Maximum an Spannung, Humor und wilden Volten erwartet die Lesenden, selbst das Genre wechselt mittendrin, freut sich die Rezensentin. Es ist eine "Ästhetik der Dekadenz", die Moshfegh hier entwickelt und mit der sie alle billigen, vorschnellen Moralisierungen außer Kraft setzt. Bravo, bravo, bravo, lautet das Resümee der überzeugten Rezensentin.