Nicholson Baker

Checkpoint

Roman
Cover: Checkpoint
Rowohlt Verlag, Reinbek 2004
ISBN 9783498006426
Kartoniert, 140 Seiten, 18,90 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Eike Schönfeld. Jay und Ben, zwei Schulfreunde, sitzen in einem Hotelzimmer in Washington zusammen. Jay will Präsident Bush ermorden und erklärt Ben, warum: Bush hat den Krieg im Irak losgetreten und tausende Menschen getötet. "Als die Türme zusammenfielen, wusste ich, dass wir sehr bald irgendwo bomben würden. So machen wir das eben." Jay ist, man merkt es bald, geistig "an den Rändern etwas ausgefranst". Seine unfehlbaren Mordwaffen sind z.B. eine ferngesteuerte fliegende Kreissäge von der Größe einer CD, ein auf einem Kugellager laufender riesiger Brocken abgereichertes Uran, der alles niederwalzt und schließlich Pistolenmunition, die automatisch den erschießt, neben dessen Bild sie lange genug gelegen hat.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 20.08.2004

Nicholson Baker ist für Empfindsamkeit berühmt, nicht für knallharte Realitätsbeschreibungen. Demzufolge, schreibt Gustav Seibt, haben die Kritiker auf sein neues Buch reagiert, als "wenn plötzlich eine Neonlampe angeht, nachdem man im Dunkeln geschlummert hatte". "Der proteische Poet der kleinen Dinge hat sich in die Welt von shock and awe, Krieg und Terror geworfen." Man muss sich also so seine Gedanken machen, meint Seibt, denen nicht unbedingt dadurch auf die Sprünge geholfen werde, dass die Handlung ganz schlicht angelegt ist und die Protagonisten so durchschnittlich sind, auch wenn einer von beiden George W. Bush ermorden will. Mit anderen Worten: Ein Buch, das schwierig ist, weil es scheinbar so simpel ist. Und alle, meint Seibt, die "Checkpoint" "als Dokument des Radikalismus oder als Verjuxung eines ernsten politischen Gegenstandes" gelesen haben - also fast alle-, waren der Schwierigkeit nicht gewachsen, Bakers Konstruktion zu durchschauen. Denn in Wirklichkeit gehe es nicht um Politik, sondern um "eine Verletzung im eigenen moralischen Gewebe" - der Roman zeige "das Gefühlsleben unter den Bedingungen medialer Anteilnahme am weltpolitischen Leben" und damit, wie immer: "amerikanischen Alltag". Die Menschen im "mächtigsten Land der Erde" leben umtost von den medialen Mordszenen - "und nur das ist", schließt Seibt, ist "Thema dieses trickreich simplen, großen kleinen Buches. (...) Es ist die Betrachtung eines Unpolitischen, und also ein Beweis von Freiheit."
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.08.2004

Zunächst einmal ist es Jochen Jung wichtig zu betonen, dass es sich bei dem neuen Buch von Nicholas Baker um ein literarisches Werk handelt und er sich deshalb auch nicht als "politischen Kommentator", sondern als Rezensent aufgerufen sieht, sich damit zu beschäftigen. Es geht um zwei Männer, Jay und Ben, die sich zu einem Gespräch in einem Hotelzimmer treffen und die dieses Gespräch auf Tonband aufnehmen. Dabei offenbart Jay seinem Gesprächspartner, dass er vorhat, den amerikanischen Präsidenten George Bush umzubringen, erklärt der Rezensent den Inhalt des Buches. Jung, der sich als ausgesprochener Liebhaber des amerikanischen Autors zu erkennen gibt, kann mit diesem "dürren Dialogmitschnitt" nicht viel anfangen. Er findet, dass Baker darin kaum Gelegenheit findet, seine sonst vom Rezensenten so geschätzte "Beschreibungskunst" zu demonstrieren. Zudem führe die Geschichte, deren politische Intention, weit davon entfern, zu einem Mord am Präsidenten aufzurufen, deutlich darauf zielt, Bush loszuwerden, keine neuen Argumente oder Analysen an, sondern ziele lediglich auf die Affekte der Leser, so der Rezensent unzufrieden. Er findet, dass Baker mit diesem Werk kein "bedeutendes Buch" gelungen ist, doch immerhin wertet er es als "starkes Zeichen" für die "ernsthaften Sorgen", die der Autor sich über die derzeitige Situation in Amerika macht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 14.08.2004

Kein gutes Haar lässt Andrea Köhler an diesem brachial politischen Werk des sonst subtil privaten Nicholson Baker. Der Form nach ist das ganze ein Dialog zweier Männer, die über alles Mögliche reden. Dass das Buch schon vor dem Erscheinen zum Skandal wurde - einem von Baker mit Absicht erzeugten dazu -, liegt an einer Fantasie des einen der beiden. Jay, ein, so Köhler, "arbeitsloser und depressiver Irrer", stellt sich lustvoll vor, George W. Bush zu töten. Der Dialogpartner bleibt skeptisch, aber Baker hat in Interviews klar gestellt, das Jays Hass der seine ist. Die Rezensentin freilich kann in dem Buch nicht mehr erkennen als ein "plattes Pamphlet", eine literarische Nichtigkeit, ein "Denkmal sprachlicher Ohnmacht". "Much ado about nothing" resümiert sie das Buch und den Skandal - das gilt dann aber wohl auch für diese recht lang geratene Kritik.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.08.2004

Gerrit Bartels findet, dass nicht die "literarischen Qualitäten", sondern vielmehr die politische Aktualität den neuen Roman von Nicholas Baker interessant machen. Es handelt sich dabei um einen Dialog zwischen zwei Männern, Jay und Ben, von denen der eine den amerikanischen Präsidenten George W. Bush umbringen will, während der andere ihn davon zu überzeugen versucht, von dieser Tat Abstand zu nehmen, was am Ende auch gelingt, erklärt der Rezensent. Bartels berichtet, dass man dem Autor in Amerika, wo das Buch "für Aufsehen gesorgt" hat, vorgeworfen habe, mit seinem Roman zu einer "Straftat" aufzurufen, was Baker allerdings mit dem Hinweis, er wende sich darin "explizit gegen Gewalt, abgewiesen habe. Bartels hat "Checkpoint" als ein mit heißer Nadel gestricktes Stück "engagierte Literatur" gelesen, die durchaus auch "skurrile und alltägliche" Seiten hat. Allerdings findet es der Rezensent "argumentativ schwach", dass der amerikanische Autor seinen potenziellen Attentäter als psychisch etwas derangierte Figur mit Ehe-, Geld- und Drogenproblemen gezeichnet hat. Denn, so ist Bartels Überzeugung, um den Plan zur Beseitigung eines Präsidenten zu fassen, müsse man "nicht gleich psychisch angeknackst" sein.