Martin Walser

Das dreizehnte Kapitel

Roman
Cover: Das dreizehnte Kapitel
Rowohlt Verlag, Reinbek 2012
ISBN 9783498073824
Gebunden, 272 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Die meisten leiden ohne Gewinn - so steht es im Roman "Das dreizehnte Kapitel", der ebendiesen Satz widerlegen will. Mit einem Festessen im Schloss Bellevue fängt er an: Ein Mann sitzt am Tisch einer ihm unbekannten Frau und kann den Blick nicht von ihr lösen. Wenig später schreibt er ihr, und zwar so, dass sie antworten muss. Es kommt zu einem Briefwechsel, der von Mal zu Mal dringlicher, intensiver wird. Beide, der Schriftsteller und die Theologin, beteuern immer wieder, dass sie glücklich verheiratet sind. Aber sie gestehen auch, dass sie in dem, was sie einander schreiben, aus sich herausgehen können wie nirgends sonst. Nur weil ihr Briefabenteuer so aussichtslos ist, darf es sein. Die Buchstabenketten sind Hängebrücken über einem Abgrund namens Wirklichkeit.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.10.2012

Christoph Schröder führt ausgiebig durch Walsers neuen Roman, einen Briefroman zwischen einem Schriftsteller und einer Theologieprofessorin, die, beide verheiratet, einander persönlich kaum kennen, sich aber im Schreiben füreinander entflammen. Schon in der Umschlaggestaltung zeigt sich Schröder dabei, woher der Wind weht: aus den 50ern - dem entsprechen die Umgangsformen und das Höflichkeitsgebaren der Korrespondenz, beobachtet der Rezensent, der im "Dreizehnten Kapitel" ein Buch über den Verrat und über den Theologen Karl Barth (in dessen Werk Walser sich zuletzt eingearbeitet hatte, wie Schröder weiß) erkennt. "Luftig gedruckt" sei der Roman, mit Geschick in Szene gesetzt und in manchen Sätzen durchaus in Walsers Sache geschrieben, sagt Schröder, nur wie ihm das Buch schlussendlich gefallen hat, erfährt man kaum.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.10.2012

Aller mangelnder Subtilität zum Trotz bejubelt Roman Bucheli Martin Walsers Briefroman über ein mit karikaturhaften Zügen versehenes, "irrwitziges Liebesabenteuer" eines Schriftstellers und einer Theologieprofessorin, die sich zwar im echten Leben nur flüchtig begegnen, einander aber im Briefwechsel entflammen. So fallen dem Rezensenten kaum andere Briefromane ein, die "wilder und verrückter" und dennoch so "kühn und keusch abgezirkelt" wie dieses "kleine Sittenbild" der Berliner Intelligenz sind. Hoch anrechnen muss Bucheli Walser auch die "Reflexion auf das Schreiben" sowie die "Dialektik des Imaginären", die der Autor unter die Briefkorrespondenz hebt, in der die Liebenden sich zwar eine genussvolle Privatmythologie daraus bauen, einander nicht nahe zu sein, aber daran leiden, voneinander nichts zu lesen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.09.2012

"Das Buch ist vollkommen verrückt", beginnt Jens Jessen seine Kritik - lässt dann aber keinen Zweifel daran, dass er es positiv meint. Verrückt findet er schon die Wahl des Liebespaares: eine verheiratete Theologin und ein ebenfalls verheirateter Großschriftsteller, die sich verlieben, aber eine ganz platonische Liebesbeziehung führen. Wer soll das glauben? Und dann debattieren sie auch noch über Karl Barth! Wobei den Kritiker der Klatsch mehr interessiert, den sie sogar über ihre Ehepartner tauschen. Denn der Verrat stellt die größte Intimität zwischen den beiden her, so Jessen. Das klingt alles recht unwahrscheinlich und Jessen gibt auch zu, sich an der Nase herumgeführt zu fühlen. Aber dieses sich um keine Leseerwartung Scheren imponiert ihm doch gewaltig und er gibt zu, ein geradezu "masochistisches Lesevergnügen" empfunden zu haben.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.09.2012

Warum eigentlich ist eine Walser-Rezension immer gleich dreimal so lang wie jede andere? Christopher Schmidt würde sagen, weil Martin Walser einfach besser ist. Dem ganz trunkenen Rezensenten fallen zum neuen Walser nur Superlative ein: Wahrste, tiefsinnigste, schmerzlichste, bewegendste, schönste Liebesgeschichte! Walsers Schreib- und Empfindungskunst zeigt sich für Schmidt in diesem fiktiven Briefwechsel zwischen einem alternden Schriftsteller (ach was) und einer theologisch gepanzerten Wissenschaftler-Gattin, den der Autor möglicherweise an seinen literarischen Türhüter Kafka und seine unerfüllte Liebe zu Felice angelehnt hat, darin, dass er die Schrift ganz zum Ort einer leidenschaftlichen, doch vergeblichen Liebe zu machen versteht. In den Genuss einer Verbalerotik kommt der Rezensent, die er in dieser Zartheit und Komik noch nicht gelesen hat. Dass Walser im Roman ein ebenso selten antiquiertes Frauchenbild entwirft, stört Schmidt nicht so sehr, auch nicht der krachende philosophische Überbau der Brieftändelei. Ein Buch nicht unbedingt für Chatroom-Nerds, meint er, doch umso mehr für alle, die Verstand und Gefühl für vereinbar halten.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2012

Über Martin Walsers neuen Roman "Das dreizehnte Kapitel" kann Rezensent Jan Wiele nur lobende Worte verlieren. Auch wenn es hier einmal mehr um einen älteren verheirateten Schriftsteller geht, der sich in eine jüngere verheiratete Frau - in diesem Fall eine Theologieprofessorin - verliebt, bleiben dem Leser Altherrenprojektionen und Ausführungen über nachlassende Körperlichkeit erspart, berichtet der zufriedene Kritiker. Vielmehr liest er hier einen vielschichtigen Briefroman, in dem sich die beiden einander unbekannten Schreibenden nicht nur in emotionaler Schonungslosigkeit offenbaren, sondern auch bald in einen intellektuellen, sprachartistischen Wettstreit treten, dem der Rezensent mit größtem Vergnügen folgt. Darüber hinaus liest Wiele den Roman, der als Spiegelung des Briefwechsels zwischen dem Theologen Karl Barth und der Krankenschwester Charlotte von Kirschbaum angelegt ist, auch als Wissenschaftsroman, der ihm interessante Einblicke in Theologie und Hirnforschung gewährt. Ein wunderbares Buch, welches Lust macht, das Abenteuer des Briefeschreibens wieder anzugehen, schwärmt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.09.2012

Mit großem Vergnügen hat Sabine Vogel den neuen Roman von Martin Walser gelesen. Wie sich der berühmte Schriftsteller Basil Schlupp bei einem Empfang des Bundespräsidenten in die schöne verheiratete Theologin Maja Schneilin verliebt, mit ihr eine "platonische Affäre" beginnt und sich darüber mehr und mehr zum Affen macht, findet sie einfach herrlich komisch. Dass diese Geschichte einer "alternden Amour fou" nicht einfach albern und abgeschmackt wirkt, liegt in ihren Augen an Walsers sprachlichem Furor, an seinem "Wortfindungsschwall", an der Komik, die dem geschilderten Liebeswahn zueigen ist.