Martin Mosebach

Die 21

Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer
Cover: Die 21
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498045401
Gebunden, 272 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Im Frühjahr 2017 reiste Martin Mosebach nach Ägypten. Er besuchte im Dorf El-Or die Familien der 21 koptischen Männer, die zwei Jahre zuvor von IS-Terroristen an einem Strand in Libyen ermordet worden waren. Er saß in Empfangszimmern, durch die die Schwalben flogen, und machte sich ein Bild: von den Madonnenbildern und Jesus-Porträts an den Wänden, den grob geschreinerten Reliquienschränken, von einer Lebenswelt, in der alles die Spiegelung oder Erfüllung biblischer Vorgänge ist. Immer wieder wurde ihm, umgeben von Kindern, Ziegen, Kälbern, auf einem iPad das grausame Propagandavideo des IS vorgeführt; er staunte über den unbefangenen Umgang damit. Von Rache war nie die Rede, sondern vom Stolz, einen Martyrer in der Familie zu haben, einen Heiligen, der im Himmel ist. So erscheinen die 21 auf den neuen Ikonen gekrönt wie Könige.
Martin Mosebach hat ein Reisebuch geschrieben über seine Begegnung mit einer fremden Gesellschaft und einer Kirche, die den Glauben und die Liturgie der frühen Christenheit bewahrt hat - der 'Kirche der Martyrer', in der das irdische Leben von der himmlischen Sphäre nur wie durch ein Eihäutchen geschieden ist. Er traf den Bischof und die koptischen Geistlichen der 21 Wanderarbeiter, besuchte ihre Kirchen und Klöster. In den Zeiten des Kampfes der Kulturen sind die Kopten als Minderheit im muslimischen Ägypten zu einem politischen Faktor geworden - und zu einer Art religiösen Gegengesellschaft. Damit ist dieses Buch auch ein Bericht aus dem Innenleben eines arabischen Landes zwischen biblischer Vergangenheit und den Einkaufszentren von Neu-Kairo.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 13.03.2018

Roman Bucheli kennt Martin Mosebach als progressiven Konservativen und leidenschaftlich Reisenden. Wenn der Autor nun das Schicksal von 21 vom IS enthaupteten koptischen Christen rekapituliert, in ihre Dörfer fährt und mit den Hinterbliebenen spricht, die ihre Toten als Märtyrer verehren, schließlich die Geschichte der Kopten erzählt, beschleicht Bucheli allerdings ein Unbehagen, wenngleich das Entsetzen des Autors über die Tat für Bucheli außer Zweifel steht. Hat der Autor hier eine grausame Tat für seine Zwecke instrumentalisiert? Laut Bucheli ist die Faszination des Autors für das Heroische der Opfer spürbar. Der Rezensent erinnert daran, dass Mosebach den Traum von der Wiederherstellung der lateinischen Messe träumt. Am Ende wird ihm deutlich, wohin das alles führt: In die düstere Vision einer bedrängten westlichen Kirche.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.02.2018

Rezensent Matthias Westerhoff ist der Meinung, dass Martin Mosebach der koptischen Kirche zu viel zutraut und ihr Selbstbild allzu freimütig übernimmt. Als Leser von Mosebachs Reportage über koptische Märtyrer und ihre Beweggründe fühlt er sich allzu oft durch das Dokumentarische neugierig gemacht, aber dann von den Schlüssen des dozierenden Autors überrumpelt. Mehr Dokumentation bzw. tieferer Recherche hätte dem Band laut Rezensent gutgetan. Stark ist das Buch für Westerhoff immer dann, wenn Mosebach konkret bleibt, Begegnungen schildert und bei seinem inneren Dialog mit dem Gesehenen bleibt, anstatt dem Leser Nachhilfe in Kirchengeschichte zu geben.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 17.02.2018

Rezensent Hannes Stein kann dem Reporter Martin Mosebach leider nicht bis ins letzte Glied seiner Argumentation folgen. Dass Mosebach ein hervorragender Journalist ist, der in diesem Buch seinerseits den Spuren des zeitgenössischen Martyriums der Kopten bis ins Grauen eines Enthauptungsvideos, in die Kitschigkeit der Heiligenbildchen und die heitere Gestimmtheit der Hinterbliebenden folgt, daran besteht für Stein kein Zweifel. Auch dass Mosebach nicht islamfeindlich ist, weiß er. Mosebachs Faszination für die imitatio Dei im Martyrium der christlichen Kopten als Weg zur Erlösung unserer Welt erliegt Stein allerdings nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 15.02.2018

Rezensent Alexander Cammann ist klar, dass Martin Mosebach kein Ethnologe oder religionswissenschaftlicher Analytiker ist. Mosebachs Fähigkeiten liegen für ihn auf dem Gebiet des subjektiven Empfindens und Vermittelns. Wie der Autor hier, indem er Skepsis, Fremdheit und Befangenheit immer mitreflektiert, anhand eines IS-Massakers ein Porträt der Kopten zeichnet, ohne Anbiederung, dafür mit historischen und religiösen Exkursen, findet Cammann außergewöhnlich. Eine literarische Reportage als Gedächtnisbuch für die Opfer, meint er, und als kraftvolle Erkundung des koptischen Christentums.