Mario Vargas Llosa

Der Traum des Kelten

Roman
Cover: Der Traum des Kelten
Suhrkamp Verlag, Berlin 2011
ISBN 9783518422700
Gebunden, 448 Seiten, 24,90 EUR

Klappentext

Aus dem Spanischen von Angelica Ammar. London, im August 1916, in der Todeszelle des Pentonville Prison: Roger Casement erinnert sich an die Jahre in Afrika, als er im Auftrag der britischen Regierung einen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen, die Ausbeutung der schwarzen Bevölkerung und die Korruption im damals belgischen Kongo verfasste. Der Bericht hatte unmittelbar politische Folgen. Casement denkt weiter zurück an seine Kindheit in Ulster, an die Zerrissenheit seiner Herkunft mit einem streng protestantischen Vater und einer tiefgläubigen katholischen Mutter. 1906 erhalt Casement erneut einen humanitären Auftrag, um die Greuel einer mit britischem Kapital in Brasilien tätigen Firma aufzudecken. Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs sucht der ehemalige Diplomat die Unterstützung der deutschen Regierung für die irische Unabhängigkeitsbewegung. Er reist mitten im Krieg der Weltmächte heimlich nach Berlin; sein Begleiter und Geliebter Eivind Adler Christensen verrät ihn an den britischen Geheimdienst. Zurück in Großbritannien, wird Casement verhaftet, wegen Hochverrats angeklagt und anhand seiner geheimen Tagebücher überfuhrt, seine Homosexualität wird aufgedeckt. Am 3. August 1916 wird Roger Casement in London hingerichtet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.11.2011

Rezensent Jens Jessen macht sehr deutlich, dass es sich bei Mario Vargas Llosas Roman über den irischen Freiheitskämpfer Roger Casement um alles andere als einen historischen Schmöker handelt. Von Fabulierkunst könne hier keine Rede, eher erkennt Jessen eine neue, geradezu dokumentarische Schlichtheit in der Erzählweise als Altersstil des Nobelpreisträgers. Allerdings muss Jessen feststellen, dass Fleiß und Redlichkeit einen Erzähler nicht unbedigt zieren. Dienlich sind sie aber der "Belehrung", und hierin erkennt Jessen denn auch das große Plus des Romans: Durch Casement, der als einer der ersten die kolonialistischen Verbrechen angeprangert hat, lernt Jessen, dass diese Verbrechen nicht im Namen einer politischen Ideologie begangen wurden, sondern allein aus wirtschaftlichen Interessen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2011

Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa kehrt mit seinem neuen Roman "Der Traum des Kelten" zum traditionellen poetischen Programm des "totalen Romans" zurück und Rezensent Hans Ulrich Gumbrecht kann das nach anfänglichen Zweifeln am möglicherweise fehlenden Innovationsstreben nur begrüßen. Vor allem aber ist sich der Kritiker sicher: auch diese Geschichte um den englischen Diplomaten Roger Casement, der für seine Dienste nicht nur einen Adelstitel, sondern auch ein Todesurteil erhielt, wird wieder viele Leser fesseln. Es geht, so lässt Gumbrecht wissen, um nicht weniger als um Europa, Afrika und Amerika, Imperialismus und Ausbeutung, nationales Unabhängigkeitsstreben, Katholizismus und Protestantismus, Homosexualität und Homophobie. Llosa gelinge es in seinen farbvollen und authentischen Erzählungen dem Leser die Jahrzehnte um 1900 in all ihren Dimensionen erfahrbar zu machen, lobt der Kritiker.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.09.2011

Arno Widmann gibt sich als großer Bewunderer von Mario Vargas Llosa zu erkennen, dessen große Kunst in seinen Augen darin besteht, dass er in seinen Romanen den melancholischen Grundton der Vergeblichkeit anzuschlagen weiß, ohne ihm gänzlich nachzugeben. Seinen jüngsten Roman um den irischen Widerstandskämpfer Roger Casement, der im Dienst der Briten koloniale Ausbeutung und Völkermord im Kongo und im Amazonasgebiet aufdeckte, kann der begeisterte Rezensent allerdings nur in abgemessenen Dosen vertragen, wie er schreibt. Denn nicht nur überwältigt dieses Buch mit seiner Fülle von Namen und Geschichten, manche Schilderung ist auch kaum zu ertragen, meint Widmann. Einmal mehr aber erweise sich der Autor als "großer Geschichtenerzähler", der das Leben seiner Hauptfigur, am Anfang des Romans in einer Gefängniszelle und auf seine Hinrichtung wegen Hochverrats wartend, packend und berührend zu schildern weiß. Mitunter vermeint der Rezensent zwar die Romanmaschine Llosas allzu vernehmlich knirschen zu hören, dann drängt für seinen Geschmack doch zu viel (historisch belegtes) Leben in das Erzählte. Dafür aber entschädigen ihn die beeindruckenden Stellen, die von der "Leichtigkeit" erzählen, "mit denen ganz normale Menschen zu Gewalttätern" werden, so Widmann beeindruckt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.09.2011

Für Leopold Feldmair ist Mario Vargas Llosas Roman über den irischen Unabhängigkeitskämpfer Roger Casement ein "großer" und zudem "notwendiger" Roman", der das Gedächtnis an die komplexen "Dynamiken" des Kolonialismus wachhält. Casement ist eine historische Figur, die sich gegen die koloniale Ausbeutung im Kongo, am Amazonas und die Annektierung Irlands auflehnt und schließlich wegen Hochverrats hingerichtet wird, erfahren wir. Der Rezensent bewundert die Klarheit und Vielschichtigkeit, mit der Llosa die "Komplexität der Dynamiken" des Kolonialismus darzustellen weiß und den Widerstand gegen die britische Herrschaft in Irland als Spielart desselben Kolonialismus zu Ausbeutung und Unterdrückung in Afrika und Südamerika in Beziehung setzt. Dass er dabei Casement, der in Irland bis heute als Nationalheld verehrt wird, als zutiefst ambivalente, am Ende nervlich zerrüttete Figur schildert, preist Feldmair als besonders verdienstvoll. Stutzen muss der Rezensent nur bei Llosas verdruckster Art, mit Casements Homosexualität umzugehen, hier vermisst er nicht nur sprachlich die sonst gewohnte Souveränität des Autors.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.09.2011

Merten Worthmann zeigt sich vom biografischen Roman über den irischen Widerstandskämpfer Roger Casement ganz und gar enttäuscht. Casements Leben und Wirken bietet viele Facetten, er war Diplomat in britischen Diensten, setzte sich vehement für Ausgebeutete in Afrika und Südamerika ein, war im irischen Widerstand aktiv und wurde schließlich wegen Hochverrats 1916 hingerichtet, fasst der Rezensent zusammen. Diesem Facettenreichtum begegnet der Autor mit geradezu geschäftsmäßiger Routine, findet Worthmann, mehr daran interessiert, seinen ausufernden Stoff in den Griff zu kriegen, als seinen Helden wirklich zu verstehen oder lebendig werden zu lassen. Weder als couragierter Kämpfer gegen die Ausbeutung bei der Kautschukernte im Kongo oder im peruanischen Urwald durch britische Firmen, noch als Unabhängigkeitskämpfer bekommt Casement bei Llosa wirklich Kontur, klagt der Rezensent. Noch enttäuschender findet er den Umgang mit der Homosexualität des Protagonisten, die dem Autor lediglich als erschwerendes Moment bei Casement Verurteilung zum Tode dient. Für Worthmann ist dies deshalb kein packender Roman, sondern allenfalls eine "gut geölte Romanmaschinerie", die es erheblich an "Herzblut" seitens ihres Verfassers vermissen lässt, wie er unzufrieden vermerkt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 09.09.2011

Freudig begrüßt Andreas Fanizadeh den neuen Roman von Mario Vargas Llosa. Im Zentrum von "Der Traum des Kelten" steht für ihn die außergewöhnliche Lebensgeschichte einer historischen Figur, dem irischen Nationalisten, britischen Diplomaten, Homosexuellen und Menschenrechtlers Roger Casement, der im Auftrag der Krone in den Kongo und nach Peru reiste, um die grausamen Verbrechen des Kolonialismus zu dokumentieren. Vargas Llosa gelingt es nach Ansicht Fanizadehs, zwischen individueller Psychologie und Geschichtserzählung die Balance zu halten. Dabei bietet das Buch nicht nur eine schillernde und grandios erzählte Biografie des 1916 wegen Hochverrats hingerichteten Casement, sondern auch Studien zum Völkermord. Schwerer Stoff, den sich Llosa vorgenommen hat, meint Fanizadeh, aber höchst packend erzählt und leicht zu lesen.