Maria Stepanova

Mädchen ohne Kleider

Cover: Mädchen ohne Kleider
Suhrkamp Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783518430606
Gebunden, 69 Seiten, 23,00 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen Olga Radetzkaja. Mädchen ohne Kleider, Kleider ohne Leute, Ob aus Luft - auch in ihren neuen, so liedhaften wie erzählerischen Gedichtzyklen macht sich Maria Stepanova an die "Reparatur des Lebens". Auslöser können Zufallsfunde sein: etwa das Foto von einer jungen Namenlosen, nackt auf einer Chaiselongue, dem Auge des Freiers ausgesetzt wie das Wild im Visier des Jägers. Den existentiellen Impuls, Frauen dem pornographischen Blick zu entziehen und sie zu retten, indem sie ihre Schutzlosigkeit in Poesie bannt, spürt man in jeder Zeile. Sie setzt ihre ganze Kunst dafür ein, die Erschütterung in luzide, unpathetische Verse zu bringen.Immer sind irgendwo Mädchen ohne Kleider.Immer ist da etwas, das an ihnen frisst.Immer ist da etwas, das von ihnen bleibt.Immer ist da etwas für immer vorbei.Nie mehr wird sie den Holztrottoir betreten,In der Hand den zitronengelb welken SchirmWie ein Sonnenrad, das sich dreht,Die Straßenfrau bei der Arbeit am Sex der anderen,Dies ist das einzige Foto von ihr. Darauf zu sehen: rund wie die Sonne, ihr Hintern.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.08.2022

Rezensentin Ilma Rakusa bewundert die Dichterin Maria Stepanova für ihre neuen Texte in der "beeindruckenden" Übersetzung von Olga Radetzkaja. Die Zyklen des Bandes, die laut Rakusa das Verhüllen, Kleider, Körper und Erinnerung thematisieren sind für die Rezensentin unverkennbar Teil der "elegischen" Weltsicht der Autorin. Wenn abgelegte Kleider um ihre verlorenen Körper trauern und ihre Geschichte erzählen, steht Rakusa im Bann der suggestiven Kräfte und der "Formbeherrschung", mit denen Stepanova die Sprache behandelt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.06.2022

Für Rezensent Helmut Böttiger wird an Maria Stepanovas neu zusammengestelltem Gedichtband wieder die herausragende Klasse der Dichterin deutlich. Der Band umfasst mehrere Gedichtzyklen, die verschiedene Themen umkreisen: in einem geht es um Mädchen, die schon immer männlicher Dominanz ausgesetzt sind, in einem anderen um Kleider, die nicht abgelegt und weggeworfen werden wollen; und darin findet der Kritiker Reflexionen auf die russische Literaturgeschichte, auf autokratische Unterdrückung, auf "postsowjetische Zustände" und, damit zusammenhängend, auf die Gegenwart der Globalisierung, wenn es um ein "Ausgesetztsein" ohne Richtung geht. In absurden, "aberwitzigen Traumtheatern", von Olga Radetzkaja sorgfältig übersetzt, lobt Böttiger, leuchte Stepanova die Realität "grell aus" und führe dabei eindrücklich vor, wie aktuelle Poesie sich aus einem Geschichtsbewusstsein speisen könne, schließt der beeindruckte Kritiker.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 03.06.2022

Rezensent Helmut Böttiger staunt, wie stark die Texte in diesem eher schmalen Band mit drei Gedichtzyklen von Maria Stepanova doch wirken. Das liegt an Stepanovas Bewusstsein für Zeit- und Literaturgeschichte, meint Böttiger, und an einer sehr heutigen poetischen Sprache. "Aufregend unromantisch" und eindringlich etwa findet Böttiger den ersten Zyklus, in dem sich die Autorin dem Topos des nackten Mädchens annimmt, über Autokratien und Geschlechterverhältnisse spricht und schließlich in einer von Jägern bevölkerten düsteren Märchenwelt landet. Für Böttiger eine mitunter surreale Leseerfahrung, die in der "virtuosen" Übertragung von Olga Radetzkaja noch mal so spannend wird, findet der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 25.05.2022

"Höhepunkte im aktuellen Stimmenkonzert der Weltpoesie" nennt Rezensent Michael Braun die drei Zyklen im neuen Gedichtband der russischen Lyrikerin Maria Stepanova. Hymnisch fährt der Kritiker fort: Wenn ihm Stepanova in Gedichtform von der "Kolonisierung des weiblichen Körpers" durch männlichen Blick und Pornografie erzählt, bewundert der Kritiker nicht nur Stepanovas Mut zum poetischen "Experiment". Auch der "Sonettenkranz" "Kleider ohne uns" und der dritte Zyklus, der sich mit der Naturmagie des 2006 verstorbenen Dichters Gennadij Ajgi befasst, bestechen durch Experimentierfreude, versichert der Rezensent, der auch die Übersetzung von Olga Radetzkaja in den höchsten Tönen lobt.