Eckhart Nickel

Spitzweg

Roman
Cover: Spitzweg
Piper Verlag, München 2022
ISBN 9783492071437
Gebunden, 256 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

"Ich habe mir nie viel aus Kunst gemacht." Als zufriedener Kunstbanause offenbart sich der Erzähler zu Beginn und berichtet davon, wie Carl, bewunderter Freund, ihn mit seiner Spitzweg-Begeisterung vom Gegenteil überzeugt. In der Mitte des Geschehens: eine Dreiecksbeziehung, ein hochbegabtes Mädchen und der verräterische Diebstahl eines Gemäldes. Durch raffinierte Rachepläne wird die Schülerfreundschaft auf ihre schwerste Probe gestellt. Eckhart Nickel erzählt wie in "Hysteria" die Geschichte einer Obsession: War darin von der Natur nur noch künstliche Reproduktion übrig, wird nun die Kunst zur zweiten Natur des Menschen. Eine Kritik an der Bildvergötterung der sozial verwahrlosten Digitalgesellschaft und ihrer allmächtigen Instagrammatik.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.05.2022

Erika Thomalla hätte sich gewünscht, dass Eckhart Nickel auf seine Freundschaftsgeschichte zwischen drei Schülern vertraut und auf gegenwartspolemische "Lektionen" in Sachen Kunst und Kultur sowie auf eine etwas kitschige, altertümelnde Sprache verzichtet hätte. Dann hätte ihr der Roman noch mehr Freude bereitet. Wie Nickel nämlich die Kunst als Schule des Sehens darstellt, an der sich seine Protagonisten reiben, findet Thomalla lesenswert. Leider fühlt sie sich beim Lesen immer wieder an die Pauker- und Pennälerfilme der Sechziger erinnert, mit Nickel als Oberlehrer.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.05.2022

Rezensent Cornelius Pollmer lüftet seinen imaginären Chapeau Claque vor Eckhart Nickel und dessen zweitem Roman, der da selbst ist, wovon er so gekonnt erzählt: Kunst! Von der Handlung, über die Figuren, die Welt, in der sie sich bewegen, bis hin zur Sprache - alles ist hier herrlich künstlich, stellt Pollmer fest, und es funktioniert! Etwa wenn der Autor direkte Hinweise auf die uns bekannte Gegenwart verweigert und eine seiner Hauptfiguren, die junge Kirsten erklären lässt, ihren neuen Bekannten Carl Spitzweg möge sie deshalb, weil er so wunderbar "aus der Zeit gefallen" sei. Es funktioniert auch dann, wenn die künstlerisch begabte Kirsten sich aus ihrem Elternhaus fernhält, so gut es geht, da ihre Mutter eine eigenartige Unverträglichkeit gegen alles Artifizielle hat, heißt natürlich auch: Heizung, TV, und so weiter. Und es funktioniert, wenn der Erzähler, Dritter im Trio, Kirsten vor ihren Peinigern rettet, indem er sie mit Chopin-Platten als Wurfwaffen verteidigt. Kunst als Zuhause, Kunst als Vertraute, Kunst als "Lebenshilfe" - darum geht es in "Spitzweg", und darüber lohnt es sich mit Nickel nachzudenken, so der begeisterte Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.05.2022

Rezensent Ijoma Mangold lässt sich mit Eckhart Nickel gern auf einen "regressiven Flirt mit dem Biedermeier" ein. Wenn Nickel, einer der Pop-Literaten der ersten Stunde, ihm hier von einem auf der Ottomane räkelnden Dandy erzählt, der nicht nur eine Mitschülerin verschwinden lässt, sondern auch als ausgemachter Spitzweg-Kenner auftritt, verfällt Mangold einmal mehr der Raffinesse und den Wonnen des Ästhetizismus. Das liegt nicht nur am Sujet, sondern auch an Nickels Kunst der langen Satzkaskaden und "kostbaren Konjunktive", erklärt Mangold: "So viel gespreizter Finger war selten in der deutschen Gegenwartsliteratur", jauchzt er.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 05.05.2022

Eine begeisternde Lektüre sei das, versichert Jan Drees, voller Bezüge, kauzig in gewisser Hinsicht, wie es angesichts des Titels schon zu erwarten sei, verspielt, klug, ein Versteck für die Kunst oder vor der Kunst. Besonders interessant findet der Rezensent, dass Nickel,der als Popliterat startete, einen Text voller Bezüge zu anderen Kunstwerken vorlegt, aber anders als zu früheren Zeiten fühle man sich als Leser nicht mehr gezwungen, permanent die Bezüge zu suchen und zu identifizieren. Es sei ein Roman "im Ton ernster Scherze", wie sie kluge Pennäler, die noch lesen, machen. Ein Roman wie ein Spiegel oder ein Fenster, einer der über Kunst nachdenkt. Drees gibt eine eindringliche Leseempfehlung.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 30.04.2022

Rezensent Marc Reichwein springt an auf die spezielle "Versuchsanordnung" in Eckhart Nickels Roman. Es geht, in einem auffällig bildungsbürgerlich abgedichteten Milieu, so Reichwein, um drei kunstinteressierte Schüler an einem humanistischen Gymnasium, die zu dritt einen Plan aushecken, um der in Ungnade gefallenen Kunstlehrerin eins auszuwischen. Dabei treten alle Figuren als Figuren aus Gemälden verkleidet auf - einer der Schüler erinnert an Spitzwegs Hagestolz, die Kunstlehrerin an die "Dame mit dem Hermelin" von Da Vinci -, was sich in Kombination mit der schlichten, nicht-jugendsprachlichen Sprache der Protagonisten zu einer "magisch realistischen Mischung" und einer "liebevollen Bildungsbürgersatire" fügt, so Reichwein. Um "Drive" bei der Handlung gehe es Nickel nicht, sondern um die "wohltemperierte" Reflexion über die Beziehung von Kunst und Leben, analysiert der Kritiker. Für Fans von Thomas Mann, Paul Heyse oder Martin Mosebach, an deren Erzählungen Reichwein sich hier erinnert fühlt, eine klare Leseempfehlung - er selbst hält Nickel für einen der "größten Stilisten seiner Generation".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.04.2022

Hymnisch bespricht Rezensent Paul Jandl den neuen Roman von Eckhart Nickel, dem er auch so machen Kalauer verzeiht. Die beleben den Text sogar, findet der Kritiker, der sich von Nickel einmal mehr die Nerven verfeinern und in Ästhetik schulen lässt. Jandl folgt hier einem Ich-Erzähler und dessen Freund Carl, einem "dämonischen Dandy", der eine Mitschülerin verschwinden lässt. Das Verschwinden im Roman ist allgegenwärtig, überhaupt ist der Roman eine Geschichte über das "Zeigen und Verbergen", gespickt mit Verweisen auf Baudelaire, Wittgenstein oder Wes Anderson, fährt der Kritiker fort, der sich mit Nickel hier auf "kunstgeschichtliche Schnitzeljagd" begibt. Der Mix aus Slang und dem "Geruch alter Worte" gefällt dem Kritiker.