Marcus Ingendaay

Die Taxifahrerin

Roman
Cover: Die Taxifahrerin
Rowohlt Verlag, Reinbek 2003
ISBN 9783498032180
Gebunden, 352 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Der 24-jährigen Taxifahrerin Chris macht als funktionaler Analphabetin die geplante Umstellung des Funkverkehrs auf ein computergestütztes System zu schaffen. Vermutlich wird sie ihren Job und damit ihren einzigen Halt verlieren. Als sie zufällig die etwas ältere Boutiquenbesitzerin Gudrun kennenlernt, ist sie von der eleganten, sprunghaften Frau fasziniert und verliebt sich, fast wider Willen, in sie. Doch schon bald kommt Gudruns hochpsychotischer Charakter zum Vorschein. Sie befindet sich auf einem mörderischen Rachefeldzug und versucht, Chris in ihre bizarren Phantasiewelten einzuspinnen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 20.01.2004

Als Schwergewicht unter den jüngeren Debüts ehrt Gerrit Bartels diesen Roman von Marcus Ingendaay, der dank seines Alters nicht nur eine gewisse Menschenkenntnis vorzuweisen hat, sondern sich als Übersetzer großer amerikanischer Schriftsteller in der Textarbeit schulen konnte. Erzählt wird die Geschichte der lesbischen, analphabetischen Taxifahrerin Chris, die sich in die bisher heterosexuelle Boutiquebesitzerin Gudrun verliebt. "Die Dialoge", stellt Bartels zufrieden fest, "sitzen wie angegossen". Ein wenig stört sich der Rezensent zwar an den eingeschobenen Regieanweisungen, aber wie Ingendaay Köln als vibrierende Großstadt voller "Drogen-Pusher" und "prolliger Loddels" darstelle, empfehle den Roman tatsächlich für ein Sequel von "Taxi Driver".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.2003

Etwas zu dick aufgetragen findet Rezensent Peter Körte dieses "schlagstockharte" Romandebüt von Marcus Ingendaay. Für die Geschichte um Chris, eine amazonenhafte, schwer bewaffnete Kölner Taxifahrerin, die die psychisch labile Boutique-Besitzerin Gudrun vom Suizid abhält, worauf sich beide in eine abgründige Liebesbeziehung stürzen, habe Ingendaay verschiedene Genreelemente und Tonlagen "verschnitten": die lesbische Liebesgeschichte, die Amazonen-Phantasien, den Krimiplot mit zwei Kommissaren, die für ein wenig Slapstick sorgten. Das Ergebnis: ein ebenso "finsteres" wie "übervolles" Buch. Körte lobt den Roman zwar als "passagenweise brillant". Doch die erzählerische Ökonomie leidet seines Erachtens unter der wuchernden Vielfalt der Einfälle. Er attestiert dem Autor, der sich sicher zwischen "Slang, ein bisschen Pornografie und Poesie" bewege, durchaus literarische Souveränität. Doch bisweilen hat er das das Gefühl, "Ingendaay kalkuliere so genau, was er tut, dass am Ende keine der Figuren je auf eigenen Füßen stehen darf."
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.10.2003

Robin Detje ordnet dieses Romandebüt dem "Magischen Realismus" zu, der in der Vergangenheit mal modern war und den er spöttisch als "Literatur-Kraftsportart" bezeichnet. Und auch, wenn der Rezensent das Genre offensichtlich etwas rückwärtsgewandt findet, ringt es ihm anscheinend einige Bewunderung ab, wie gut der Autor es meistert, läuft es doch seiner Ansicht nach dem deutschen "Nationalcharakter" zuwider. Die Geschichte, in der eine Taxifahrerin sich in eine "Irre" verliebt und sexuelle Hörigkeit zum Mord führt, zeigt deutlich, dass der Autor, der Übersetzer aus dem amerikanischen Englisch ist, sich an Autoren wie William Gaddis, David Foster Wallace und Don DeLillo geschult hat, meint Detje angesichts der lebensprallen Darstellung lauter, schriller Gefühle und mitunter auch ziemlich "pornografischer" Szenen. Der Autor, so der Rezensent beeindruckt, "macht seine Sache gut", auch wenn er an den Rang von Salman Rushdie oder Don DeLillo noch nicht heranreicht. Immerhin lebe dieser Debüt-Roman bereits "entschlossen im magischen Grenzbereich von Schundroman und Literatur", so Detje ironisch, aber nichtsdestotrotz fasziniert.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.10.2003

Hubert Winkels belegt diesen Roman mit dem Attribut "schräg" und will das nicht als Kompliment verstanden wissen. In dieser Liebesgeschichte zwischen zwei Frauen, der Analphabetin und Taxifahrerin Chris und der als Opfer gezeichneten Gudrun, werden zum Ungemach des Rezensenten "Klischees" aufgerufen, die aus der Film- und Musikvideowelt stammen und nicht gerade zur "Individualisierung" der Protagonisten beitragen. Chris zumindest erinnert Winkels an eine "Mischung aus Lara Croft und der Tatortkommissarin Ulrike Folkerts", während die Person der Gudrun im "Ungefähren" verbleibt, was laut Rezensent "auf Dauer Verdruss" erzeugt. Dass am Ende, nachdem die "tollsten Geschichten" passiert sind und Marcus Ingendaay nicht an minutiösen Beschreibungen der Liebesspiele zwischen den beiden Frauen gespart hat, Chris auch noch von ihrer Freundin das Lesen und Schreiben erlernt, geht dem Rezensenten dann wirklich zu weit und er moniert, dass dieses "Lesbenmärchen" hier allzu "schön" wird. Zumindest, so Winkels mit mildem Spott, kann sich der Autor zugute halten, in der ohnehin an "pornografischen Exerzitien" reichen Gegenwartsliteratur zumindest das "leidenschaftlichste" Buch beigesteuert zu haben.
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