Bernd Lichtenberg

Eine von vielen Möglichkeiten, dem Tiger ins Auge zu sehen

Geschichten
Cover: Eine von vielen Möglichkeiten, dem Tiger ins Auge zu sehen
Rowohlt Verlag, Reinbek 2005
ISBN 9783498039233
Gebunden, 128 Seiten, 14,90 EUR

Klappentext

Bernd Lichtenbergs Geschichten erzählen von Familiengeheimnissen - Brüdern, die aufs Eis gehen oder sich in einem kleinen gelben Zelt den ersten Kuss erhoffen, Cousinen, die es bei Jazzmusik mit dem Briefträger treiben, während ein Sturm ein Goldfischglas vom Nachttisch fegt, Vätern, die im Treppenhaus mit der Geliebten telefonieren oder, im Zustand der Volltrunkenheit, blinkende Baustellenwarnschilder mit schweigsamen Frauen verwechseln.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.12.2005

Ganz anders und ganz hervorragend seien die 35 Kurzgeschichten des leidlich bekannten Drehbuchautors Bernd Lichtenberg, meint Rezensent Wolfgang Schneider. Ganz anders, weil Lichtenberg weder viele Dialoge noch kurze Sätze für seine "Minutenromane" verwendet habe. "Ehebruch", "Wasserleiche", "Blitzeinschlag", solche überraschenden und "unerhörten Begebenheiten", so der Rezensent, seien die Charakteristika von Lichtenbergs Miniaturkosmosprosa, die sich darüber hinaus durch ein "kurioses Nebeneinander" auszeichne. Lichtenbergs Erzählweise sei dank ihrer hohen Anschaulichkeit bis ins kleinste Sekundendetail sichtlich am Film orientiert, das aber gekonnt. Nur wenn die reichhaltig vorhandene Fantasie allzu kafkaeske Parabelformen annehme, verlören Lichtenbergs Geschichten "die Bodenhaftung" und tendierten zur Manier. Solche kleinen Einschränkungen einmal beiseite gelassen, meistere der Autor ein veritables Paradox: Er treffe "punktgenau den Zeitgeist" und verfüge gleichwohl über ein "Register ganz unzeitgemäßer Töne".

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.07.2005

"Wirklichen Genuss" hat Jörg Magenau die Lektüre dieses ersten Prosabandes von Bernd Lichtenberg bereitet. Die sechsunddreißig kurzen Geschichten des Bandes zeichnen sich für Magenau durch eine "bildhafte, auf den Moment gerichtete" Sprache aus, die der Drehbuchautor ("Good bye Lenin") beim Film gelernt zu haben scheint. Dabei schreibe Lichtenberg keine verfilmbaren Szenen, lobt der Rezensent, sondern bewege sich "ganz flüssig" und "genuin" im Element der Sprache. Anders als beim Schreiben für den Film erlaube die kleine Form der Kurzgeschichte eine "absolute Freiheit". Wie Magenau berichtet, sind in Lichtenbergs Geschichten die Grenzen zwischen Wirklichkeit, Fantasie und surrealer Bodenlosigkeit fließend. Immer wieder würden darin Familienverhältnisse untersucht, Familiengeheimnisse ergründet und Kindheitserinnerungen beschworen, in denen die frühe Bundesrepublik kenntlich wird.