Jürgen Martschukat

Das Zeitalter der Fitness

Wie der Körper zum Zeichen für Erfolg und Leistung wurde
Cover: Das Zeitalter der Fitness
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783103973655
Gebunden, 352 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Warum werden Manager zu Marathonläufern? Was hat es mit Michelle Obamas "Let's-Move"-Programm auf sich? Tatsächlich ist Fitness mehr als erfolgreich Sport zu treiben. Wer sich fit hält, übernimmt Verantwortung. Für sich und die Gesellschaft. Er zeigt sich leistungsfähig - ob in der Arbeitswelt, beim Militär oder beim Sex. Eine Bilanz zum Verhältnis von Körper und Macht im neoliberalen Zeitalter - vielleicht ist das Leben als Couchpotato die moderne Form des Widerstands.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 24.12.2019

Sandra Pfister erfährt aus Jürgen Martschukats Buch nicht unbedingt Neues zum Thema, die Querverbindungen, die der Autor herstellt, scheinen ihr allerdings lesenswert. Dass der Autor die "steile" These vom Neoliberalismus als Urheber des Fitness-Wahns nur am Beispiel Deutschland und USA exemplifiziert, scheint Pfister jedoch allzu begrenzt, auch wenn Matschukat den historischen Boden weit spannt und auch staatsbürgerliche Implikationen der Fitness in den Blick nimmt, wie Pfister feststellt. Der dicke Anmerkungsapparat und einige offene Fragen (Frauen und Fitness?) irritieren die Rezensentin, der unterhaltsame Ton des Buches stimmt sie wieder gnädig.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 23.11.2019

Rezensent Thorsten Jantschek scheint erleichtert: endlich sagt mal jemand, wie eng Sport mit dem Kapitalismus, Darwin und dem Militär verknüpft ist. Sport als Selbstperfektionierung oder als Mittel zur Verbesserung der Funktionsfähigkeit sind ihm und dem Autor ein Graus. Ausführlich schildert er die Kontinuitätslinien, die der Autor Jürgen Martschukat vom 18. Jahrhundert, als Sport erstmals der Regenerierung von Arbeiterkörpern dienen sollte, bis heute, wo jeder zum "Lebensunternehmer in eigener Sache" geworden sei. Dass Martschukat einem mit seinem Buch die Freude am Sport aber keineswegs vermiesen wolle, wie der Rezensent zum Schluss eilig noch behauptet, kann man kaum mehr glauben.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 31.10.2019

Rezensent Thomas Palzer würdigt Jürgen Martschukats informativen und unterhaltsamen Essay über die "Begriffsgeschichte der Fitness von Darwin bis heute" mit einem ausführlichen und engagierten Resümee. Während Dicksein vor einigen Jahrzehnten noch als Zeichen von Wohlstand und Gesundheit interpretiert wurde, gilt es heute fast ausnahmslos als Zeichen von Armut und/oder Faulheit und sogar als indirekte Zumutung an eine Gesellschaft, die natürlich die Kosten für bestimmte ungesunde Lebensweisen zu tragen hat, lesen wir. Fitness ist damit kein individuelles Anliegen mehr, sondern gesellschaftliches Credo - was jedoch auf keinen Fall bedeutet, dass der Einzelne damit von seiner Eigenverantwortung befreit wird, so Palzer. Ganz im Gegenteil sogar: Der Fitness-Wahn ist Ausdruck einer fast grenzenlosen Selbstverantwortung. Dieser Bedeutungswandel, so vollzieht der Rezensent Martschukats Konklusio nach, zeigt, wie Neoliberalismus und Wettkampf zum Naturprinzip ernannt wurden. Palzers einziger Kritikpunkt am Buch: Es sei zu lang.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.10.2019

Rezensent Jens-Christian Rabe zeigt sich beeindruckt und komplett davon überzeugt, dass mit den 1970er Jahren mit dem Siegeszug des Neoliberalismus auch das Zeitalter der Fitness begonnen hat. Riet man gestressten Managern früher, sich auch mal auszuruhen, so Rabe, laufen sie heute Marathon. Das Geschäft mit der Fitness wurde zu einer Milliardenindustrie und, so zeige es Autor Jürgen Martschukat, der trainierte Körper zu einer Signie für den Erfolg. Ob wir die Bemerkung des amerikanischen Essayisten Mark Greif, das Anlegen eines inneren Korsetts "der körperlichen Fitness" habe zu einer vermehrten Verunsicherung des Individuums geführt, auch in Martschukats Buch finden, wird aus der Besprechung nicht so ganz klar. Fitness, so schließt der so oder so gut ins Thema eingelesene Rezensent, sei aus der Sicht der Selbstoptimierung ein perfektes "Instrument der Selbstermächtigung". Damit seien wir alle wie in einem letzten Kampf miteinander vereint - im Kampf gegen den eigenen Körper.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.10.2019

Rezensentin Andrea Diener ist schwer genervt von Jürgen Martschuikats Versuch einer Geschichte der Fitnesskultur. Für einen Essay fehlt dem Buch der Elan, das eigene Erlebnis und vor allem der Humor, für eine wissenschaftliche Arbeit die Konsequenz, meint sie. Diener denkt wehmütig an die angloamerikanische Sachbuchkultur, wenn der Autor sie mit an sich wunderbar ergiebigem Material (Aerobic, Popkultur!) auf leider vollkommen buchhalterische Weise bedient. So viele Begriffsdefinitionen und so wenig Sinn für die Rolle der Frau bei so einem Thema kann Diener außerdem nicht auf einmal verkraften.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 10.10.2019

Rezensentin Maja Beckers findet Jürgen Martschukats Buch, in dem der Historiker das Zeitalter der Fitness ausruft und analysiert, in einigen Punkten interessant, letztlich aber etwas einseitig. Die Grundthese des Buchs, nach der das Fitnessethos als Form der Selbstoptimierung dem Neoliberalismus entspringe, scheint zwar zunächst nicht allzu originell, so Beckers. Aber Martschukats Argumentation liefere auch neue, interessante Aspekte, wie beispielsweise die historisch bedingte Verknüpfung von Fettleibigkeit und "männlicher Weichheit", und greife vor allem insofern tiefer, als er den Fitnesszwang eng an die persönliche Freiheit binde, lobt die Rezensentin. Trotzdem fehlt ihr eine Perspektive, die Fitness nicht nur als körperliche Optimierung, sondern auch als Flucht vor der "vergeistigten Moderne" beleuchtet. Für Beckers daher ein zwar "konsistentes", aber eindimensionales Buch.