Joseph Vogl

Kalkül und Leidenschaft

Poetik des ökonomischen Menschen
Cover: Kalkül und Leidenschaft
Sequenzia Verlag, München 2002
ISBN 9783936488081
Broschiert, 320 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Joseph Vogls Studie untersucht die weitläufigen Austauschverhältnisse zwischen Ökonomie, politischer Theorie, Anthropologie und Literatur bzw. Ästhetik und schlägt einen Bogen vom Barock über die Aufklärung und Romantik bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Es geht dabei um eine Poetologie des Wissens, die die diskursiven Strategien einer ökonomischen Wissenschaft ebenso verfolgt wie die ökonomische Durchdringung literarischer Formen, ein Wechselverhältnis von ökonomischem Text und textueller Ökonomie. Gemeinsam ergeben sie jene Szene, die der homo oeconomicus bis auf weiteres beherrscht: als jenes Exemplar, das sich angeschickt hat, nichts Geringeres als der Mensch schlechthin zu werden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 28.07.2003

Lothar Müller ist von dieser Studie, die sich der Entwicklung des ökonomischen Menschen widmet, ziemlich begeistert. In seiner eingehenden Kritik streicht er heraus, dass sich diese aus einer Habilitationsschrift entstandene Untersuchung auf die Vorstellung vom "ganzen Menschen" aus der "modernen Anthropologie" beruft. Dabei mache der Autor "Wissenschaft und Poesie" gleichermaßen zur Grundlage seiner Überlegungen, erklärt Müller. Während andere Darstellungen der Diskursgeschichte seiner Ansicht nach häufig "etwas grau" wirken, hat er in Vogls Studie jede Menge "Glanzlichter" gefunden, insbesondere durch seine "subtile Lektüre" literarischer Werke vom frühneuzeitlichen "Fortunatus"-Roman bis zu Goethes "Faust II", lobt der Rezensent. Es beeindruckt ihn, wie der Autor seine Überlegungen über den Homo oeconomicus aus der "Eigenlogik der Dramen und Romane entwickelt" und er preist Vogls Darstellungen der "Wechselwirkungen" zwischen "poetischer und politischer Ökonomie" als besonders gelungen. Selten, so Müller begeistert, sei ein Stück Diskursgeschichte in derart enger Verbindung mit seinen literarischen Quellen abgehandelt worden, auch wenn, wie er einräumt, die Überlegungen des Autors mitunter auch durch "terminologisches Dickicht" führen.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 03.07.2003

Michael Wetzel zeigt sich beeindruckt von der "brillanter Studie" des Kulturwissenschaftlers Joseph Vogl zur Entstehung des modernen Paradigmas vom ökonomischen Menschen. In einer Zeit, wo "Börsenkurse wie Wasserstandsmeldungen behandelt werden", ist unser Rezensent dankbar für den Beweis, dass die ökonomische Wertvorstellung "weder in der Natur der Dinge noch in der Natur des Menschen begründbar ist". Die Geburt des "Homo oeconomicus" sei auf Ende des 17. Jahrhunderts datiert, erzählt Wetzel. Vogls Anliegen sei es nun, die Literatur als eine Instanz zu beschreiben, die Anteil an der Anordnung des Wissens dieser Zeit hatte. Anhand der Untersuchung von Romanen und Theaterstücken zwischen 1700 und 1800 versuche der Autor, die "Affinität von erzählerischer und ökonomischer Ordnung" aufzuzeigen. Als implizite These zum Roman hat Wetzel ausgemacht, dass die Welt des Abenteuers und die Lebensläufe der Romanfiguren "dem Anspruch ökonomischer Berechenbarkeit unterstellt" werden. Diese Perspektive hat der Rezensent auch in Vogls Analyse des "Faust" wiedergefunden, in der der Genuss nicht die Einlösung des Wunsches ist, sondern das Versprechen neuer Lüste bedeutet. Vogl kennt sich aus, lobt Wetzel, sowohl in den Modellen der politischen Philosophie jener Zeit als auch in literarischer Hinsicht. Allerdings vermisst unser Rezensent die Behandlung von Festen, Feiern und Spielen, die seiner Meinung nach jeder Ordnung des Berechenbaren widersprechen, weil sie eine "nichtproduktive Verausgabung von Gütern" darstellen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 27.11.2002

Ein "faszinierendes Tableau einer Genealogie des menschlichen Wissens, auf dem Kalkül und Leidenschaft die Triebkräfte einer Existenz sind, die um Form und Überschreitung ringen" erblickt Rezensent Harry Nutt in Joseph Vogls "opulenter" literaturwissenschaftlicher Studie "Kalkül und Leidenschaft", in der der Autor anhand von Kerntexten der Literaturgeschichte wie Hobbes "Levithan", Goethes "Wilhelm Meister" oder Lillos "London Merchant" die Entstehungsgeschichte des ökonomischen Menschen diskutiert. Unverkennbar sei Vogl von Foucaults wissenssoziologischer Methode beeinflusst. Indem Vogl ökonomisches Wissen mit literarischen und ästhetischen kurzschließe und symbolische Tauschverhältnisse mit den jeweiligen Marktverhältnissen abgleiche, erklärt Rezensent die komplexe Materie, entwerfe er ein Kraftfeld zwischen ökonomischen Text und textueller Ökonomie, aus dem der moderne Mensch hervorgegangen sei. Nutt betont, dass auch Vogls Arbeit eine eigenartige Struktur von Kalkül und Leidenschaft aufweist, protze sie doch einerseits mit theoretischer Verdichtung, um andererseits in eleganter Zurückhaltung zu glänzen. Letztlich verführt das Buch laut Rezensent dazu, es gleich nach der Lektüre noch einmal zu lesen. "Nicht aus Begeisterung", gesteht Nutt, "sondern aus Scham, alles vielleicht auch ganz anders verstehen zu können."

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 19.10.2002

Wie genau, fragt man sich, liest einer, wenn er, wie der Kritiker der Notiz (Kürzel upj.), schon den Namen des Autors (Vogl, nicht Vogel) nicht richtig hinkriegt? Übers Buch immerhin hat er zu sagen, dass es den "verschlungenen literarischen Nabelschnüren" folgt, die sich mit dem Menschen als Wirtschaftswesen beschäftigen - und das heißt auch: mit ihm als einem zu lenkenden, in seinem gesetzmäßigen Verhalten zu erfassenden. Eine Aufgabe ist das, die sich Juristen wie Philosophen, Schriftsteller wie "Projektemacher" gestellt haben; Vogl ist ihnen nachgegangen, in Texten seit dem 17. Jahrhundert. Seine "profunde Kenntnis" demonstriert, nach Auskunft des Rezensenten, dieser Band, auch das Abseitige hat Vogl aufgespürt.

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