Jean-Philippe Toussaint

Nackt

Roman
Cover: Nackt
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2014
ISBN 9783627002022
Gebunden, 157 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Joachim Unseld. Ein Kleid aus Honig bildet den Höhepunkt der Herbstkollektion, die Marie in Tokyo präsentiert. Nackt, nur mit glänzender Süße überzogen, schreitet das Mannequin über den Laufsteg, gefolgt von einem lebenden Bienenschwarm. Ein erhabener und doch fragiler Moment, der erst Perfektion erlangt, als die minutiöse Planung dramatisch scheitert ... Mit dieser Szene beginnt der neue Roman von Jean-Philippe Toussaint um die Modeschöpferin Marie Madeleine Marguerite de Montalte.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.12.2014

Ruthard Stäblein wird nicht enttäuscht von diesem neuen Roman von Jean-Philippe Toussaint. Wie immer, erklärt Stäblein, spielt der Autor mit den Themen Kunst und Leben und ihrer Ununterscheidbarkeit, wie stets bleibt die fast mythische Frauenfigur Marie schemenhaft, sichtbar nur durch die beobachtende (und schmachtende) Perspektive des Erzählers. Verbirgt sich hier vielleicht eine Allegorie des Erzählens, an sich? Stäblein erscheint es so und lässt sich vom Autor bereitwillig Informationen vorenthalten und Leerstellen servieren. Toussaints Minimialismus, sein virtuoses Spiel mit Zeitebenen, Orten und Figuren und seine klare Sprache - für Stäblein eben auch Garant für gute Literatur.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 09.12.2014

Keine Frage für Claudia Mäder: mit diesem Buch ist der Autor auf der Höhe seiner Kunst. Bei Jean-Philippe Toussaints viertem und letztem Band über die Geschichte einer Liebe ist das Mäder zwar anfangs gar nicht klar, da Toussaint ziemlich auf die Pathosschiene gerät, doch im Verlauf wird es ihr umso deutlicher: Weil der Roman ohne Kenntnis seiner Vorgänger funktioniert, weil der in der Tradition des Nouveau Roman stehende Autor ohne Handlungsbögen und Erläuterungen auskommt, weil er Szenen so präzis und bildreich entwerfen kann wie kaum einer, weil er auf Psychologisierungen verzichtet, weil er sogar eine spannende Krimihandlung einbaut und weil er Humor hat und bis zur Ununterscheidbarkeit in seinen Figuren zu leben scheint, wie Mäder erklärt. Am Ende ist sie sich nicht mal sicher, ob die Angebetete in diesem Buch "wirklich"existiert oder ob sie nur der Einbildung des männlichen Protagonisten entspringt. Eine derartige Fülle an Lebensabgründen und erzählerischen Höhen auf nur 160 Seiten unterzubringen, erscheint Mäder genial.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.10.2014

Katrin Hillgruber kann kaum glauben, dass "Nackt" nun tatsächlich Jean-Philippe Toussaints Romanzyklus um Marie Madeleine Marguerite de Montalte und den in sie vernarrten Ich-Erzähler beschließt, der 2003 mit "Sich lieben" begonnen hatte. Auch dieser letzte Roman spielt stellenweise mit Thriller-Elementen, deutet bedrohlich an, spart geschickt aus, erklärt die Rezensentin, aber im Grunde liefern sämtliche Situationen bloß äußere Anstöße, um in neue Reflexionen über Marie einzutauchen: so die einleitende "Honig-Katastrophe" auf dem Laufsteg, so die abgebrannte Schokoladenfabrik auf Elba und so die Beerdigung Maurizios, die Marie mit ihrem Geliebten dort besuchen will, fasst Hillgruber zusammen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.10.2014

Mit "Nackt" ist nun der letzte Teil von Jean-Phillipe Toussaints großartiger Tetralogie erschienen und Rezensent Christoph Schröder findet kaum genug Worte, um das neue Werk zu loben. Einmal mehr lauscht der Kritiker der "elegischen Melodie" des Toussaintschen Tonfalls, von Joachim Unseld exzellent ins Deutsche übertragen. Und erneut lässt sich Schröder von großen, aber herrlich unpathetisch erzählten Themen wie Hoffnung und Vergeblichkeit, Lust und Tod ergreifen, folgt gebannt dem mysteriösen Ich-Erzähler und seiner exaltierten, an Botticellis Jungfrau angelehnten Geliebten Marie, die hier eine letzte gemeinsame Nacht in Tokio verbringen und erlebt fragmentarisch erzählte Bilder von großer Wucht. Auch Vergleiche mit Beckett und Kafka scheut Schröder nicht, um Touissants eindringliche und brillierende Schreibkunst zu benennen. Schließlich versichert der Rezensent, dass man dieses Meisterwerk zu alledem auch ohne Kenntnis der Vorgänger lesen könne.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.09.2014

Unvergleichliche Szenen beschert der neue "Marie"-Roman vom französischen Starautor Jean-Philippe Toussaint der rezensierenden Schriftstellerin. Wenn es dabei diesmal etwas klebrig zugeht (es geht um Haute Couture aus Honig!), findet Silke Scheuermann das in Ordnung. Das liegt für sie an Toussaints melodischen Sätzen und am Entwurf einer absurden, hyperrealen Kunstwelt für diesen Liebes- und Kunstroman, wie Scheuermann das Buch einordnet. Vor allem aber liegt es daran, dass der Autor die Interpretationen seiner bildkräftigen, sinnlichen Szenen auf laut Scheuermann sehr charmante, leichte Weise gleich mitliefert. Nicht belehrt fühlt sich die Rezensentin danach, sondern bezaubert.
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