Ismet Prcic

Scherben

Roman
Cover: Scherben
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783518423660
Gebunden, 442 Seiten, 21,95 EUR

Klappentext

Aus dem amerikanischen Englisch von Conny Lösch. Ein junger Mann namens Ismet Prcic verlässt seine vom Krieg zerrissene Heimat. Er landet in Kalifornien, unter einem ewig blauen Himmel. Zurückgelassen hat er seine Eltern, seine erste Liebe, einen Teil von sich. Und die Gewissheit, dass die Wirklichkeit solide ist, ein fester Boden. Er schreibt Briefe an seine Mutter, doch die Wahrheit steht in seinem Tagebuch: dass er in Deckung geht, wenn ein Auto eine Fehlzündung hat, dass er eine Pistole besitzt, dass die Leute ihn meiden: ein durchgeknallter Bosnier, der nicht klarkommt und zu viel trinkt. Jemand rät ihm, alles aufzuschreiben, die Vergangenheit zu ordnen. Die Bilder der Kindheit kommen, süß und schmerzvoll. Tuzla, die belagerte Stadt. Das Sommerhaus. Doch wer ist Mustafa, dessen Geschichte sich in seine drängt wie ein nagender Widerspruch? Mustafa, der dem Krieg nicht entkommen ist und der ihn jetzt heimsucht wie ein Schatten, eine zweite Existenz. Die Erinnerungen, sie zerfallen vor seinen Augen, nichts lässt sich ordnen. Ismet hat Angst, den Verstand zu verlieren. Und Melissa, seine große Liebe.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.04.2013

Trotz seiner "experimentellen Struktur" ist Ismet Prcics "Scherben" ein gut lesbares und vielschichtiges Debüt, findet Judith Leister. Der in Bosnien geborene und in die USA emigrierte Autor präsentiert eine Vielzahl teilweise autobiografischer Geschichtsfragmente, die sich durch ihre Betrachtung von Krieg, Emigration und Identität dennoch zu einem Ganzen fügen. Der Protagonist heißt wie der Autor Ismet Prcic, und wie dieser ist er aufgrund der religiös-ethnischen Spannungen des Bosnienkrieges in die USA geflohen. Parallel hierzu wird in Fragmenten die Geschichte von Mustafa erzählt, der eine Art Gegenentwurf zu Ismet darstellt. Im Verlauf des Romans verschwimmen dann aber zunehmend ihre beiden Identitäten, berichtet die Rezensentin. Gerade dieses Infragestellen und Auflösen von 'Identität' ist Prcic bestens gelungen, lobt Judith Leister.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.04.2013

Es gibt eine ganze Generation von Autoren aus dem ehemaligen Jugoslawien, die sich ihre Erinnerungen an die grausamen Kriegsjahre und oft auch das Gefühl der Unaufgehobenheit im Exil von Seele zu schreiben versuchen, weiß Sabine Berking. Ismet Prcic ist einer von ihnen, sein Roman "Scherben" ein zorniges und verzweifeltes Buch, berichtet die Rezensentin. Aus einzelnen Bruchstücken ist es zusammengefügt, die in den Pausen am Theater und am College über Jahre hinweg entstanden. Das Buch ist eine Mischung aus Fiktion und Autobiografie, Prcic hat seinem Protagonisten den eigenen Namen geliehen und auch die Lebensläufe ähneln sich sehr, erklärt Berking. Der Autor schildert seine Kindheit, den Ausbruch des Krieges, die Flucht in die USA, die Entfremdung von der alten Heimat und das Fremdsein in der neuen. Ein wahres "Museum der Traumata" hat Prcic da erdacht und erinnert, staunt die Rezensentin.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 13.03.2013

Sehr zurecht heißt dieser Roman "Scherben", konstatiert Rezensentin Catarina von Wedemeyer, die sich bei der Lektüre in einem wahren Scherbenhaufen von Erinnerungen, Anekdoten und Flüchtigkeiten wiederfindet: Ein Durcheinander, wie es dem Balkan geziemt, auch wenn die Rezensentin die brutaleren Kriegspassagen am liebsten überblättert hätte. Die immer höher aufgehäufte Scherbensammlung vermittelt der Autor (dessen Zeugenschaft immerhin dadurch nahegelegt wird, dass er mit der Hauptfigur denselben Vornamen teilt) mit dem Stilmittel "des wachsenden WUMMS", beobachtet von Wedemeyer, die sich schließlich selbst, qua direkter Ansprache des Lesers, mitten im Kriegsgeschehen quasi-virtuell wiederfindet. Über ihren Befund, dass damit dem Leser selbst geschehe, was auch den direkt Betroffenen geschieht, lässt sich sicher streiten - doch räumt die Rezensentin selbst im Nu ein, dass es sich, bei aller Heftigkeit, nur um einen "Effekt" handelt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 12.03.2013

Ismet Prcics englischsprachiges Romandebüt "Scherben" ist nicht nur erzählerisch ein gelungenes Buch, meint Hans-Peter Kunisch, es ist auch "eines der glaubwürdigsten Zeugnisse des Jugoslawien-Kriegs". Nach gelungener Flucht nach Kalifornien wird Ismet von einem Professor dazu ermutigt, einfach alles aufzuschreiben, um mit den Erinnerungen und Schuldgefühlen zurechtzukommen, "egal, was wahr ist und was nicht". Ismet beschreibt die Anfänge des Krieges, der für ihn ersteinmal nur im Fernsehen stattfand, wie er bei einem Auftritt seiner Theatergruppe in Edinburgh getürmt ist, schließlich das lange Warten auf Papiere für die USA, fasst der Rezensent zusammen. In den Briefen, die er an die Mutter schreibt, belügt er sie, er versichert ihr, es gehe ihm gut. Der Roman zeigt, wie der Krieg auch jene in den Wahn treiben kann, die ihm entkommen sind, erklärt Kunisch. Sieben Jahre hat Prcic seine Erinnerungsfetzen gesammelt, geordnet und das Buch Stück für Stück zusammengesetzt, umso erstaunlicher findet der Rezensent wie geschlossen und gut lesbar der Roman sich präsentiert.
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