Hans-Hermann Klare

Auerbach

Eine jüdisch-deutsche Tragödie oder Wie der Antisemitismus den Krieg überlebte
Cover: Auerbach
Aufbau Verlag, Berlin 2022
ISBN 9783351038960
Gebunden, 475 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Im April 1952 begann vor dem Landgericht München ein Sensationsprozess. Angeklagt war der prominenteste Jude in Deutschland nach dem Krieg: Philipp Auerbach. Er hatte Auschwitz überlebt und stritt wie kein anderer für die Überlebenden des Holocaust. Seine Richter, ehemalige Nazis, verurteilten ihn wegen geringer Vergehen. Auerbach nahm sich noch am gleichen Tag das Leben. Sein Schicksal steht symbolhaft dafür, dass es die "Stunde Null" nach dem Krieg so nicht gegeben hat. Dass alte Eliten zu neuen wurden und der Antisemitismus fortlebte. Hans-Hermann Klares Biografie taucht die Nachkriegszeit in neues Licht. Sie lässt eine Welt wiederauferstehen, in der Hundertausende Displaced Persons in Deutschland für ein Leben in Würde kämpfen mussten.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.01.2023

Atemlos liest Rezensent Andreas Scheiner die "urgewaltige" Biografie von Hans-Hermann Klare über Philipp Auerbach, den "bekanntesten Juden Deutschlands". Dessen Leben war an sich schon schier unfassbar, wie der Kritiker deutlich macht: Er überlebte mehrere Inhaftierungen in Konzentrationslagern, überstand dort gebrochene Kniescheiben, Malariaerkrankungen und den Todesmarsch von Auschwitz nach Gross-Rosen, setzte sich nach Kriegsende massiv für die überlebenden Juden ein und nahm sich 1952 am Ende eines Schauprozesses das Leben. Wie Klare von all dem erzählt, von Auerbachs Leid und von glücklichen Zufällen, von seiner Fehlbarkeit und seinen Leistungen als Staatskommissar in München, die schließlich vom Überleben des Judenhasses in Deutschland überschattet und im Zuge eines "haarsträubenden" Prozess von Altnazis verurteilt wurden, findet der Kritiker extrem eindrücklich und nahbar - "effektiver" kann Geschichtsschreibung nicht sein, meint er. Und trotzdem schließt er mit der verzweifelten Frage, ob ein solches Buch heute noch gegen das Vergessen ankommt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.12.2022

Dass Hans Hermann Klare das in Deutschland nur Wenigen bekannte Schicksal von Philipp Auerbach vor Augen führt, ist für Rezensent Till Schmidt ein großes Verdienst. Der jüdische Jurist war 1946 In Bayern zum "Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte" ernannt worden und damit eine Instanz für all die Menschen, die wie Auerbach selbst die Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebt hatten, aber in der jungen Bundesrepublik ohne Pass um Nahrung, Obdach und Respekt betteln mussten. Auerbach missachtete aus Empathie und Gerechtigkeitsgefühl die inhumanen bürokratischen Regeln, wurde deshalb von Nazis denunziert und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der zerbrochene Glaube an die Rechtsstaatlichkeit der BRD war der Grund, weshalb Auerbach sich in der Nacht nach dem Urteil das Leben nahm. So ungeheuerlich Schmidt die vergessene Nachkriegsbiografie findet, hätte er sich von Klare aber noch mehr gewünscht: Antworten auf die Fragen, wie das Ausland damals auf den Fall reagierte und wie die bayerische Politik und die Medien tickten.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.11.2022

Rezensent Cord Aschenbrenner weiß die Biografie zu schätzen, die der frühere Stern-Reporter Hans-Hermann Klare der Person Philipp Auerbach widmet. Der gelernte Drogist Auerbach entstammte dem jüdischen Großbürgertum, die Nationalsozialisten jagten ihn durch halb Europa, steckten ihn in etliche Konzentrationslager und konnten ihn doch nicht davon abhalten, am jüdischen Leben in Deutschland festzuhalten, wie Aschenbrenner bei Klare nachliest. Nach dem Krieg wurde Auerbach zu einem Anwalt der Überlebenden. Die Deutschen nahmen ihm sein Engagement für Displaced Persons und seine moralischen Appelle übel, ihr Mitgefühl behielten sie inhaftierten Kriegsverbrechern vor. Auch wenn Aschenbrenner im Detail nicht mit jeder Deutung einverstanden ist und ein Register vermisst, lobt er Klares Biografie als gründlich recherchiert und fesselnd geschrieben.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.09.2022

Rezensent Rene Schlott liest Hans-Hermann Klares Biografie über den Gründer der "Jüdischen Allgemeinen", Philipp Auerbach, mit Spannung. Lebendig, quellenreich, kritisch, bedacht die Widersprüche der Person aufzuzeigen, legt Klare seine Schilderung an, lobt Schlott. Dass der Autor die Jugendjahre Auerbachs ebenso beschreibt wie dessen als Buch erschienene Verfolgungsgeschichte, gefällt Schlott. Auch gelingt dem Autor laut Rezensent eine treffende Darstellung der deutschen Nachkriegsgeschichte, wenn er den haarsträubenden Prozess in den Blick nimmt, dem Auerbach schließlich zum Opfer fiel. Den ein oder anderen "küchenpsychologischen" Hinweis hätte Klare sich allerdings sparen können, findet Schlott.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 15.08.2022

Rezensent Marko Martin hofft auf viele Leser für Hans-Hermann Klares umfangreich recherchierte, detaillierte, für den Rezensenten dennoch gut lesbare Biografie über den KZ-Überlebenden Philipp Auerbach, der sich nach jahrelangem, mitunter durchaus unkonventionellem Engagement für die Entschädigung von NS-Opfern 1952 das Leben nahm. Dass der Autor auch die "brachialen" und "selbstherrlichen" Seiten Auerbachs nicht verschweigt, gefällt Martin gut. So entsteht ein vollständiges Bild eines zerrissenen, am guten Gewissen der Täter verzweifelnden Menschen, meint er.