György Dragoman

Der Scheiterhaufen

Roman
Cover: Der Scheiterhaufen
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
ISBN 9783518424988
Gebunden, 494 Seiten, 24,95 EUR

Klappentext

Aus dem Ungarischen von Lacy Kornitzer. Rumänien nach dem Sturz des Diktators. Emma, eine dreizehnjährige Vollwaise, wächst im Internat auf. Ihre Eltern sollen bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein. Eines Tages erscheint eine Unbekannte, die sich als ihre Großmutter ausgibt. Widerstrebend folgt Emma ihr in eine fremde Stadt. Als sie sich über das Verbot, den Holzschuppen im Garten zu betreten, hinwegsetzt, macht sie eine verstörende Entdeckung. Die Geschichte, die nun beginnt, zieht Emma den Boden unter den Füßen weg: Stückweise kommt die Wahrheit über ihre Familie ans Licht - und über eine Gesellschaft, in der das gewaltsame Ende vieler ihrer Bürger nie verfolgt wurde.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.12.2015

Was für ein Roman! Rezensentin Ina Hartwig folgt hoch beeindruckt einem Mädchen, das Schuld und Verrat in der Nachwendezeit zeitgleich mit der Pubertät durchlebt. Allein wie György Dragoman das verknüpft, ist ein Ereignis für Hartwig. Ebenso Dragomans Sprache. Der mit allen Wassern der Literaturmoderne gewaschene, in Rumänien geborene ungarische Autor, der Beckett ins Ungarische übersetzt hat, kann alles, staunt sie: Allegorien, komplexe Mikroerzählungen, Gegensätze. Gleichzeitig ist Dragoman ein großer Beschreiber, versichert sie, Faulkner und Simon fallen ihr als Vergleich ein. Schon die Suche nach einer Haarspange raubt ihr den Atem. Und mit Lacy Kornitzer hat Dragoman zudem einen "exzellenten Übersetzer" gefunden, lobt sie. Unbedingt eine Leseempfehlung!

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.12.2015

Andreas Breitenstein haut er um, der Roman von György Dragomán. Fantastisch vielschichtig und allegorisch düster leuchtet diese Prosa für ihn, vergleichbar darin den Romanen von Mircea Cartarescu, Dzevad Karahasan, Ismail Kadare oder Jáchym Topol, wie Breitenstein schreibt. Der vom Autor entfaltete Kosmos entführt ihn in eine Kindheit voller Rätsel und Untiefen, die mit der jüngeren Geschichte Rumäniens zusammenhängen. 1991 in der rumänischen Provinz verortet, während des letzten Sommers einer kaputten Kindheit, wirkt der Text auf Breitenstein beklemmend und lodernd von den zauberischen Wahrnehmungen der jungen Ich-Erzählerin. So lakonisch kühl Dragoman schreibt, so randvoll mit Zeichen und Spuren scheint Breitenstein die Geschichte über Herkunft, Adoleszenz, Liebe und die Last der Erinnerung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2015

Kaum ein Schriftsteller wirbelt die Zeitgeschichte derart gelungen auf wie der als Kind ungarischer Eltern in Rumänien geborene Autor György Dragoman, versichert Rezensent Lothar Müller nach der Lektüre des neuen Romans "Der Scheiterhaufen". Gebannt erlebt er hier die von Schrecken geprägte Umbruchszeit um 1989/90, folgt der politischen Geschichte Osteuropas mit den Augen der dreizehnjährigen Ich-Erzählerin Emma und lässt sich ganz von den Wünschen, Träumen und Ängsten, aber auch der ersten mitreißenden Liebe des verwaisten Mädchens gefangen nehmen. Das liegt nicht zuletzt an Dragomans Kunst, vor dem historisch-politischen Hintergrund einen ebenso gespenstischen wie märchenhaften Bildersturm zu entfesseln, meint der Rezensent, der auch Lacy Kornitzers Übersetzung lobend erwähnt.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2015

Auch wenn der neue Roman von György Dragomán die Dichte und Kraft seines Vorgängers laut Rezensent Wolfgang Schneider nicht erreicht, steht er für ihn doch weit über dem Durchschnitt. Entscheidend dafür sind für Schneider die kindliche Perspektive des Waisenkindes Emma, die das mit den Gespenstern der Vergangenheit ringende Rumänien nach 1989 so gut erfasst, wie Schneider findet, sowie Dragomans filmische Erzählweise, die für Anschaulichkeit (nicht Action) sorgt. Eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens transportiert der Text laut Schneider vor allem in prägnanten Bildern, aber auch etwas Magisches und Traumhaftes als eine Art Gegenzauber. All das vergegenwärtigt die rumänische Übergangsgesellschaft für Schneider besser als jede historisch-politische Reflexion.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 02.10.2015

Paul Jandl ist begeistert von György Dragománs zweitem auf Deutsch erscheinenden Roman. Nicht nur einmal muss er bei Dragomán an Herta Müller denken und an Agota Kristof. Wenn der Autor seine Geschichte zwei Jahre nach Ceausescu ansiedelt und die kleine Emma feinsinnig dabei beobachtet, wie sie ihre Kindheit gegen den geschichtlichen Ballast verteidigt (war Großvater ein Spitzel?), findet Jandl das zwar finster und verstörend, zugleich aber auch groß. Denn der Autor erweckt den europäischen Osten und die Kindheit seiner Figur aus eigener Anschauung und mit magischem Blick, so Jandl. Und er lässt sich Zeit dabei, meint er, bis die Ausweglosigkeit der Geschichte offenbar wird.