Gerhard Schulz

Kleist

Eine Biografie
Cover: Kleist
C.H. Beck Verlag, München 2007
ISBN 9783406564871
Gebunden, 607 Seiten, 26,90 EUR

Klappentext

Mit 57 Abbildungen. Die Kleist-Biografie von Gerhard Schulz zeichnet die Lebensgeschichte eines Dichters nach, der es schwer mit vielem, am schwersten aber mit sich selbst hatte. In den politisch bewegten Zeiten der Napoleonischen Kriege suchte er ruhelos nach einer Bestimmung für sein Leben. Aber als er sie in der Literatur gefunden hatte, versagten ihm seine Zeitgenossen die Anerkennung dafür. So endete er sein Leben von eigener Hand. Kleist, scheu wie er war, neigte dazu, seine Lebensspuren zu verwischen, und da sein Ruhm erst allmählich nach seinem Tode zunahm, haben auch andere sich lange Zeit nicht darum gekümmert. Wo hat er, der nach Liebe suchte, sie tatsächlich gefunden? Was trieb ihn auf immer neue Reisen? Diente er als Agent im Kampf gegen Napoleon? War Goethe für ihn jene übermächtige Gestalt, die er zu übertreffen suchte? Und schließlich: was hat sein Werk, um dessentwillen wir uns für ihn interessieren, mit diesem allen zu tun?

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 12.01.2008

Zufrieden zeigt sich Manfred Koch mit dieser Kleist-Biografie von Gerhard Schulz, neben der ebenfalls von ihm besprochenen von Jens Bisky eine der umfangreichsten des Jahres 2007. Er attestiert beiden Arbeiten eine seriösen Umgang mit den Lücken in Kleists Lebenslauf und eine "ironische" Distanz zu den oft "abenteuerlichen Rekonstruktionsversuchen" ihrer Vorgänger. Er hebt Schulzes Deutung der Würzburg-Reise des Jahres 1800 hervor, die Kleist die "erstaunlichen Kräfte seiner Phantasie und seiner Sprache" zu Bewusstsein gebracht habe. Überzeugend scheint ihm, wie Schulz aus Not des Biografen, der mit den unzuverlässigen Kleist-Briefen arbeiten muss, eine Tugend macht, indem er aufzeigt, wie bei Kleist die Sprache zum "eigentlichen Hauptakteur" wird.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 06.12.2007

Gerhard Neumann hat vier neue Kleist-Biografien gelesen, die er alle für ihre ganz unterschiedlichen Verdienste zu schätzen weiß und das, obwohl dieses Feld in der Germanistik bereits stark beackert wurde. Gerhard Schulz versucht in seiner Biografie Heinrich von Kleists weder Leben und Werk des Schriftstellers zu enträtseln, noch das eine im anderen zu lesen, konstatiert der Rezensent. Vielmehr stelle der Autor auf über 600 Seiten parallel die Lebenschronologie, wie sie sich mit den kärglichen Quellen belegen lässt, und den kulturgeschichtliche Kontext bis in seine kleinsten Details hinein dar. So erfährt der Leser beispielsweise, wie schnell damals eine Postkutsche unterwegs war, aber auch den Stand der "Debatten um Sexualität und Idealismus" der Zeit, erklärt Neumann. Dazwischen klammere Schulz immer wieder biografische Miniaturen von für Kleist wichtigen Menschen und beeindruckend konzise Charakterisierungen seiner Werke, so der Rezensent anerkennend. Er hebt das enorme historische Wissen Schulz' hervor und preist den Autor als beschlagenen Leser von Kleists Werken. Das Ergebnis ist eine Biografie, die nicht deutet, sondern berichtet und darstellt und die ohne Pathos, dafür mit tiefer Sympathie Kleists Lebensgeschichte aus einem neuen Blickwinkel erzählt, lobt Neumann.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.11.2007

Gerhard Schulz hat sich in seiner Kleist-Biografie ausdrücklich den Fakten verschrieben und versagt sich kategorisch alles Spekulieren, stellt Steffen Martus fest, dem das aber manchmal einfach zu kurz greift. Der Autor beschreibt Kleist als komplizierten Menschen, der auch den Biografen vor Schwierigkeiten stellt, weil es über so manche Lebensphase keine gesicherten Informationen gibt. Behutsam, dabei durchaus "souverän" werte Schulz seine Quellen aus, wobei er sich als Kenner der literarischen Welt der Zeit ausweise, lobt Martus anerkennend. Sein besonderes Verdienst, findet der Rezensent, liegt in der Zurückweisung allzu "überspannter Thesen", die gerade in der Kleist-Forschung blühen. Was Martus dafür fehlt, ist eine entschiedenere Einordnung von Kleists Leben und Werk in den historischen und mentalitätsgeschichtlichen Kontext der Zeit. Hier stört den Rezensenten Schulz' Zurückhaltung und er findet es nicht angemessen, dass der Autor Kleists Leben allzu oft auf ein überzeitliches, allgemeinmenschliches Modell zurückstutzt. Zudem deutet Martus an, dass der Autor zu umständlichen Formulierungen neigt, die in starkem Kontrast zur Dynamik und zum Tempo von Kleists Stil stehen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.11.2007

"Muss man das alles wissen?" fragt Rezensent Michael Rutschky nach einiger Zeit mit diesem "kenntnisreichen und schön formulierten" Buch des Literaturprofessors. Also, ob Heinrich von Kleist schwul war, oder überhaupt je Geschlechtsverkehr hatte. Rutschky jedenfalls ist bald deutlich ermüdet vom Faktenstrom dieser Biografie, deren Zentrum für ihn trotz allem merkwürdig leer und unbesetzt bleibt. Doch dass Kleist nicht zu enträtseln sei, könne wohl nicht die Aussage einer groß angelegten Kleist-Biografie sein, mäkelt der Rezensent. Einleitend verliert er zunächst selbst jede Menge Worte zum Thema Kleist, dass man fast den Eindruck hat, er hätte lieber eine Biografie geschrieben als gelesen. Seine Unzufriedenheit mit den Ergebnissen von Gerhard Schulz könnte also auch damit zusammenhängen. Andererseits klingt Rutschkys Hauptargument gegen das Buch recht überzeugend: dass es nämlich keine eigenen Hypothesen zu Kleists Leben und Werk präsentiert und man es daher möglicherweise mit einer "aktuellen Form des Geniekults" zu tun hat.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 15.11.2007

Rundum gelungen findet Rezensent Peter Michalzik diese Kleist-Biografie des Germanisten Gerhard Schulz, neben Jens Biskys gleichzeitig erschienenem Werk für ihn eines der besten Bücher über den Dramatiker überhaupt. Es zeichnet sich seines Erachtens nach aus durch Souveränität und Gelassenheit, profunde Kenntnisse der Forschungsliteratur, ein exzellentes Bewusstsein für primäre Quellen und eine übersichtliche Darstellung, die Zeit und Person Kleists überzeugend aufeinander bezieht. Zwar findet er in diesem Werk keine sensationellen Neuigkeiten über Kleist. Dafür bietet es in seinen Augen eine solide und stets plausible Klärung von Kleists Leben, die auf die Spekulationen und die Überspanntheiten der Kleist-Forschung verzichtet. Er unterstreicht zudem Schulz' Perspektive, Kleists Leben als extrem, aber nachvollziehbar zu schildern und das Pathologische in den Hintergrund zu schieben. Dies macht für Michalzik die Größe des Buchs aus, bietet ihm aber auch die Möglichkeit eines Einwands: Bisweilen entgehe Schulz nicht der "Gefahr der Normalisierung", tendiere er doch dazu, Kleists große Krisen als Inszenierungen zu demystifizieren.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.10.2007

Sehr viel Raum gibt Rezensent Hans-Jürgen Schings in einer Sammelbesprechung, die er einer einer wiederaufgelegten und drei neu erschienenen Kleist-Biografien widmet, der Arbeit von Gerhard Schulz. An dieser Lebensbeschreibung gefällt ihm, dass sie sowohl allzu große Nähe zum Objekt meide, als auch jegliche existenzialistischen Interpretationen hinter sich lasse. Vielmehr führe der Autor auf urbane und überlegene Weise die schwierige und schwer zu interpretierende Quellenlage, also "das Rätsel Kleist", recht unbeeindruckt zurück auf das Moment der "Selbstkonstruktion" eines schwierigen Menschen ('Ein schwieriger Mensch' heißt das erste Kapitel bei Schulz). Am Ende bedauert der Rezensent zwar die Zurückhaltung des Autors bei der Analyse der Werke Kleists, findet aber ansonsten diesen neuen Versuch einer Kleist-Biographie höchst gelungen.
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