Gabriele Tergit

Effingers

Roman
Cover: Effingers
Schöffling und Co. Verlag, Frankfurt am Main 2019
ISBN 9783895614934
Gebunden, 900 Seiten, 28,00 EUR

Klappentext

Mit einem Nachwort von Nicole Henneberg. "Effingers" ist ein Familienroman - eine Chronik der Familie Effinger über vier Generationen hinweg. Außer dass sie Juden sind, unterscheidet sich ihr Schicksal in nichts von dem anderer gutsituierter gebildeter Bürger im Berlin der Jahrhundertwende. Alle fahren sie im sich immer wiederholenden Lebenskarussell, das sich durch Glück, Schmerz, Leichtsinn, Erfolg und Scheitern dreht.  "Effingers" ist ein typisch deutsches Bürgerschicksal in Berlin, wie es das der "Buddenbrooks" in Lübeck war. Als der Nationalsozialismus sich breitmacht, wird das deutsche Schicksal zu einem jüdischen. Wer wachsam ist, wandert aus. Die Geschichte der Familie Effinger beginnt mit einem Brief des 17-jährigen Lehrlings Paul Effinger, und sie endet mit einem Brief: dem Abschiedsbrief des nunmehr 80-Jährigen kurz vor seiner Deportation in die Vernichtungslager.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.06.2019

Juliane Liebert ist begeistert und nicht wenig angerührt von diesem "Jahrhundertroman" von Gabriele Tergit, der sie  "klarsichtiges Erzählen" und eine "tiefe Liebe zu ihren Figuren" bescheinigt. Die hindernisreiche Geschichte der Publikation dieses Romans im Nachkriegsdeutschland muss noch heute Verlage und Buchhandlungen beschämt die Köpfe senken lassen, so die Rezensentin, denn erst jetzt ist es zu einer ungekürzten Veröffentlichung gekommen. Im Vordergrund des Romans steht die Geschichte einer jüdischen Familie des Berliner Bürgertums über mehrere Generationen hinweg. Wirtschaftliche Schicksale, Bruderkonkurrenz, Liebeshändel und ein zunehmend säkularer Alltag werden mit schönen Details beschrieben, lobt Liebert und würdigt zudem die liebevolle Kleinteiligkeit als Erinnerungsleistung der besonderen Art - für eine von den Nazis brutal ausgelöschte Gesellschaftsschicht und Lebensweise. Besonders interessiert hat sich die Rezensentin für die Veränderungen im Leben der Frauen dieser Familie, die sich immer mehr Freiräume erobern konnten - allerdings auf Kosten der Sicherheit. Zudem lehrreichen Nachwort hätte sie sich allerdings ein Glossar und ein Figurenverzeichnis gewünscht. Entscheidend für sie ist aber die Wiederbegegnung mit der Selbstverständlichkeit einer jüdischen Familie und ihren unerhört lebendigen Gestalten, deren Würde Tergit laut Liebert "unantastbar" mache.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.05.2019

Dorothee Wahl empfiehlt Gabriele Tergits wieder aufgelegte große Saga über den Auf- und Abstieg dreier deutsch-jüdischer Familien zwischen 1878 und 1942. Laut Wahl kommt darin nicht nur das rasende Berlin zu Ehren, auch den Fortschrittsglauben und den Traditionalismus kann die Autorin anhand von Gestalten und Ereignissen illustrieren. Dafür dass der lange Roman nicht langweilig wird, sorgen kurze Kapitel, ein durchgehaltener Spannungsbogen, atmosphärische Beschreibungen und lebendige Figuren, versichert die Rezensentin. Genau recherchierte Fakten und Daten, Mode, Architektur, Politik und Gesellschaft der Zeit kommen der Leserin nah, erklärt Wahl. Autobiografisches im Text schlüsselt Nicole Hennebergs "hilfreiches" Nachwort auf, schreibt sie.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 13.05.2019

Gisa Funck ist der Herausgeberin Nicole Henneberg dankbar für die Neuauflage von Gabriele Tergits Opus Magnum, ein paar Flüchtigkeitsfehler hin oder her. Der große an Manns "Buddenbrooks" erinnernde deutsch-jüdische Gesellschafts- und Familienroman mit autobiografischem Hintergrund gelingt laut Funck vor allem aufgrund von gekonnten, Zeitkolorit vermittelnden Dialogszenen, einer Unzahl von plastisch gezeichneten Figuren, Gewohnheiten, Verhältnissen, Möbeln, Essen, Mode. Sprachlich scheint Funck die als Aufstiegsgeschichte verfasste Chronik der Jahre 1878-1948 im Stil der Neuen Sachlichkeit angelegt. Ein spannender, komplexer und verblüffend zeitloser Text, findet die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.03.2019

Jens Bisky schaut anders auf Berlins Straßen, Häuser und Menschen nach der Lektüre von Gabriele Tergits im Exil entstandenem großen Gesellschaftsroman. Tergit erzählt darin die Geschichte dreier Familien zwischen der Reichsgründung und der Zerstörung Berlins, ihre Lebenswelten, Geisteshaltungen, Schicksale historisch genau, witzig und pointiert. Allein dass Bankiers und Unternehmer bei Tergit einmal nicht karikiert, sondern als "normale" Geschäftsleute dargestellt werden, findet Bisky bemerkenswert. Rasant erscheint ihm der zwischen Orten und Perspektiven wechselnde Stil Tergits, klug der Aufbau des Buches, mannigfach die Themen und Plaudereien über Essen, Geselligkeiten, Theater. Die Verfilmung dieses leider noch immer eher unbekannten großen Berlin-Romans scheint ihm schon wegen der kontrastreichen, szenischen Erzählweise dringend geboten.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 23.02.2019

Erhard Schütz ist vollauf begeistert von Gabriele Tergits erstmals 1951 erschienenem Familien- und politischem Zeitroman. Direkt, prägnant, pointiert in Dialogen und Bemerkungen, nie lamentierend oder anklagend, dafür mit beißendem Witz, so Schütz, erzählt die Autorin vom Schicksal dreier deutsch-jüdischer Familien vom Kaiserreich bis zur Emigration und Deportation. Weder entdeckt er Heinrich Manns Untertanengeist bei den Figuren, noch die kulturelle Degeneration der "Buddenbrooks". Die Autorin erinnert mit ihren lebhaften Figuren und intensiven Dialogen an fortschrittliches jüdisches Managertum und weltoffenen, sozial engagierten jüdischen Patriotismus, erklärt Schütz. Eine gelungene Hommage an die verlorene deutsch-jüdische Heimat und ein Aufbegehren gegen den Fatalismus, so der Rezensent.
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