Friedrich Heer

Das Wagnis der schöpferischen Vernunft

Ausgewählte Werke in Einzelbänden, Band 1
Cover: Das Wagnis der schöpferischen Vernunft
Böhlau Verlag, Wien 2003
ISBN 9783205771241
Gebunden, 456 Seiten, 35,00 EUR

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.12.2003

Kein gutes Haar lässt Friedrich Wilhelm Graf am ersten Band der von Konrad Paul Liessmann herausgegebenen "Ausgewählten Werken" des 1916 geborenen Philosophen Friedrich Heers. Schlechter als mit dem "Wagnis der Schöpferischen Vernunft" hätte die Heer-Edition nicht starten können, befindet Graf. Schließlich sieht er in dem "hastig verfassten" Werk des "einst brillant schreibenden Autors" und "österreichischen Vorzeigeintellektuellen" die "katastrophalen Schwächen" seiner "mäandernden Vielschreiberei" "grell zutage" treten. Daran kann auch Liessmanns Versuch, Heer in die Nähe von Adorno, Horkheimer, Feyerabend und Derrida zu rücken, nichts ändern. Grafs bescheinigt Heers Schriften böse das "Niveau schnell zusammengestoppelter Proseminararbeiten", eine "chaotische Themenvielfalt", "wabernde Allassoziation und diffuses Geraune", ein "einziges Erzählmuster", das ermüdend repetiert werde, "intellektuellen Kontrollverlust", "zahllose Zitatfetzen" und vieles Negative mehr.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.10.2003

Dass Friedrich Heer, "einer der großen Polemiker unter den europäischen Historikern", es nie zu einem Ordinariat brachte, wundert Rezensent Wolf Lepenies nicht, und das sowohl im schlechten als auch im guten Sinne, denn Heer war seinem Wesen nach "kein ordentlicher Professor", sondern ein "außerordentlicher". In diesem Buch schlage sich diese Außerordentlichkeit aufs Deutlichste nieder: Auf 400 Seiten, die dem Leser laut Lepenies wie 4000 scheinen, geht es um Gott und die Welt, ohne allerdings den lesensnotwendigen "roten Faden", sieht man einmal vom durchgängigen "Zorn des Verfassers" ab. Der gelte einem einzigen "roten Tuch", nämlich der "Selbstüberschätzung der abendländischen Vernunft". Als ersten Selbstüberschätzer brandmarke der Autor Rene Descartes, der sich, aus Angst dem Dämonischen zu erliegen, zum "Diktator der Vernunft" erhoben habe. Und genau diese "Atmosphäre der Angst" sei es, so laute Heers These, die alle "großen Geisteskonstruktionen des Abendlandes" hervorgebracht habe: Angst vor dem Teufel, vor den Tieren oder vor dem Wahnsinn. Nur aufgrund dieser permanenten und vielfältigen Angst übe das Vernunftdenken eine so große Anziehungskraft auf die Europäer aus, und habe ihre Geistesgeschichte so grundlegend gestaltet. Doch in seinem Feldzug gegen die sich selbst überschätzende Vernunft ist Heer in Lepenies' Augen "brillant gescheitert". Er habe ein durch und durch "unvernünftiges" Buch geschrieben, "frei von Methode und ohne jede Disziplin", "ausschweifend" und den Leser fast immer "überfordernd". Will man der Vernunft kritisch begegnen, so Lepenies, braucht man einfach Disziplin.
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