Frank Schirrmacher

Minimum

Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft
Cover: Minimum
Karl Blessing Verlag, München 2006
ISBN 9783896672919
Gebunden, 250 Seiten, 16,00 EUR

Klappentext

Zu den knappen Rohstoffen der Zukunft wird etwas gehören, das man nicht sparen kann: soziale Bindungen. Eine wachsende Zahl von Kindern wird in ihrer eigenen Generation wenige oder gar keine Blutsverwandte mehr haben. Damit werden unsere sozialen Beziehungen als Folge der Schrumpfung unserer Gesellschaft und vielfältiger Globalisierungseffekte großen Belastungen ausgesetzt sein. Denn das private Versorgungsnetz innerhalb der Familie wird es so nicht mehr geben. Wir werden gezwungen sein, unser alltägliches Zusammenleben von Grund auf neu zu organisieren. Nach Ansicht des Autors werden Frauen dabei eine alles entscheidende Rolle spielen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 29.03.2006

Dem Rezensenten Dieter Rulff nötigt es zwar Respekt ab, wie sich Frank Schirrmacher mit aller feuilletonistischen Kraft dem demografischen Trend entgegenzustemmen versucht, doch ist er nicht ganz vom Sinn des Unternehmens überzeugt. Einverstanden ist Rulff noch mit der Feststellung, dass Familien der Schlüssel der gesellschaftlichen Zukunftsfähigkeit sind, doch fragt er sich, ob Schirrmachers Ideal der "großen und lebenslangen, solidarischen und selbstversorgenden" Familien den Wirklichkeitstest besteht. Rulff selbst kommen da eher "Einmalgeschiedenzweikinderlebensabschnittspartnerschaften" in den Sinn. Auch dass weniger staatliche Fürsorge mehr Kinder gebiert, wie Schirrmacher Rulffs Angaben zufolge mit Blick auf die USA erklärt, findet Rulff - mit Blick auf Frankreich und Schweden - fraglich. Insgesamt meint Rulff, förderten zwar die "mit dickem Pinsel" gearbeiteten Thesen das Lesevergnügen, gehen aber erheblich auf Kosten der Überzeugungskraft.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 23.03.2006

Elisabeth von Thadden hat an Frank Schirrmachers Lösungsversuchen zum Bevölkerungsrückgang einiges auszusetzen. Zum einen hätte sie gerne gewusst, warum der Autor und die Öffentlichkeit das demografische Problem so lange ignoriert haben, findet bei Schirrmacher aber darauf keine selbstkritischen Antworten. Zum anderen bezweifelt sie die These Schirrmachers, dass Arbeit Geburten verhindere, und weist auf das Paradebeispiel Frankreich hin, in dem beides möglich zu sein scheint. Zudem lenkt Thadden den Blick auf die Verantwortung der Männer, die der Autor außen vor lässt. Der Gegenvorschlag der Rezensentin, den Blick auf die "Liebesmüh" zu lenken, also das hiesige "Missverständnis von Liebe" auszuräumen, bleibt in den wenigen Zeilen ihrer Kritik leider auch recht undeutlich.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2006

Ein "weltliches 'Wachet-Auf'-Traktat" erblickt Wolfgang Kemp in diesem Buch über die Folgen des demografischen Wandels in der Bundesrepublik, das Frank Schirrmacher vorgelegt hat. Der FAZ-Herausgeber prophezeie darin als Folge des Geburtenrückgangs für die Zukunft das Umkippen stabiler Zustände und eine ungleiche Verteilung von Lasten. Kemp kritisiert die Fixierung des Autors auf die Themen Fruchtbarkeit, Familie, Frauen. Die Frage nach den Ursachen des Geburtenrückgangs kommt seines Erachtens viel zu kurz. So hält er dem Autor vor, eine Reihe von Bedingungsfaktoren für diesen Rückgang gar nicht oder nur unzureichend in den Blick zu nehmen, etwa die Religion, den zivilisatorische Prozess der Moderne oder auch den Staat. Für Kemp nicht weiter verwunderlich, will sich Schirrmacher nach eigenem Bekunden doch gar nicht weiter mit "ökonomischen, gesellschaftlichen, politischen Erklärungen" aufhalten. Doch weil Schirrmacher Fragen nach dem Warum ausklammere, moniert Kemp, müsse er Geschichte in jener grauen Zone ansiedeln, in der sie von Natur ununterscheidbar werde. Gegenüber Schirrmacher, der demografische Fragen vor allem im Kontext biologischer Prozesse verstehen will, hebt Kemp stark die Bedeutung kultureller Konstellationen hervor.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.03.2006

"Eine einzige - durchaus interessante und wichtige - Hypothese" vertritt Frank Schirrmacher in seinem neuen Buch, erlärt der Rezensent Gerd G. Wagner, nämlich dass Blut dicker ist als Wasser, und dass es durch Kinderlosigkeit und Patchworkfamilien "zu wenige enge verwandtschaftliche Blutbindungen" und damit zu wenig familiären und im weiteren Sinne gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt. Diese These allerdings, wie der Rezensent mit einigem Unmut bekundet, walze Schirrmacher über ganze fünfzehn Kapitel aus. Und natürlich muss er auch die amerikanische Geschichte vom "Donnerpass" erzählen: Ein plötzlich eingeschneiter Siedler-Treck musste monatelang ums Überleben kämpfen, und während fast alle - weitgehend alleinstehenden - Männer starben, überlebten die meisten Frauen, weil sie in ihre Familien eingebunden waren. Das mag für den Rezensenten zwar plausibel klingen, aber als Vergleichsgröße für die angeblich katastrophale Situation in Deutschland will sie ihm partout nicht schmecken. Wie der Rezensent einräumt, liefern Schirrmachers Nebensätze willkommene optimistische Nebentöne zu diesen Katastrophen-Tönen: Dort erfährt der Leser, dass der Mensch sich gerader in sozialer Hinsicht durch eine ungemeine Anpassungsfähigkeit auszeichnet.