Elfriede Jelinek

Rein Gold

Ein Bühnenessay
Cover: Rein Gold
Rowohlt Verlag, Reinbek 2013
ISBN 9783498033392
Gebunden, 224 Seiten, 19,95 EUR

Klappentext

Ausgehend vom großen Dialog zwischen Göttervater Wotan und seiner Lieblingstochter Brünnhilde im 3. Akt der "Walküre", rollt Elfriede Jelinek die Geschehnisse in Richard Wagners monumentalem "Ring" - Zyklus noch einmal neu auf und verlängert sie in unsere Gegenwart. Dreh- und Angelpunkt ist die Bedeutung von Gold und Geld, nach denen alles drängt und die so gut wie alle Handlungen vorantreiben. Ihre umfassende Wirkungsmacht reicht vom Kampf um den Nibelungenschatz in mythologischer Vorzeit über Karl Marx Thesen in "Das Kapital", das fast parallel zu Wagners "Ring" entstand, bis hin zur heutigen Bankenkrise. In einem weitverzweigten Gedankenstrom und zugleich stets nah an Wagners Originaltext streift Jelinek in "Rein Gold" auch tagespolitische Phänomene wie das fragwürdige Finanzgebaren von Bundespräsidenten oder die brutalen Morde der Zwickauer Nazi-Terrorzelle, knüpft überraschende Zusammenhänge und kehrt doch immer wieder zu ihrem Leitmotiv zurück: der Geburt des Kapitalismus aus dem Geist eines Erlösungswahns.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 26.09.2013

Dirk Pilz versteht erst einmal wenig, nur so viel: Die Jelinek kann nicht anders, sie muss uns Leser und Zuschauer quälen, weil die Lage so ist. Gleich aus dem Fenster springen, wie der Jelinek-Regisseur Nicolas Stemann anregt, möchte Pilz dennoch nicht. Stattdessen liest er diese kategorienfreie Prosa zu, über und um Wagners "Walküre" und den ganzen "Ring" mit Wotan und Brünhilde als einzigem Personal tapfer als apokalyptisches Szenario. Finanzkrise, NSU, die Autorin lässt nichts aus, stellt Pilz fest beim Ringen mit dem Textgestrüpp. Dass er es zum Besten zählt, was Jelinek geschrieben hat, hat mit der Überfülle zu tun, mit den vielen Anspielungen, der strengen Komposition, der Unnachgiebigkeit jedem Anflug von Wohlfühlliteratur gegenüber.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.07.2013

Was in Elfriede Jelineks letztem Streich, "FaustIn and out", noch Geniescharmützel auf annähernder Augenhöhe waren, ist in ihrem neuen Buch "rein gold" etwas aus dem Gleichgewicht geraten, findet Judith von Sternburg. Die neue "Textmasse" greift Wagners Ringzyklus auf, karikiert ihn, stellt ihn insgeheim neben aktuelle Debatten (wie die NSU-Morde), erweitert ihn um Details, für die im Epos kein Platz mehr war und wetteifert überhaupt mit Wagners "Welterklärungswucht", fasst die Rezensentin zusammen. Jelineks Brünnhilde liest ihrem Vater "marxistisch die Leviten" und verumglimpft den Geiz und die Selbstgefälligkeit der Deutschen: "denn jeder Deutsche ist ein Held, so denkt er selbst", zitiert von Sternburg. Was Jelinek sich vorknöpft, ist aber mitnichten "die stärkste Seite des Unterfangens", Wagner ohne Musik wirkt irgendwie entwaffnet, findet die Rezensentin. Auf einer angekündigt Lesung soll Musik von Wagner und anderen Jelinek begleiten, weiß von Sternburg, wer neben diesen beiden aber noch Platz finden soll, weiß sie nicht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.06.2013

Man muss einfach seinen Geist dieser "quirligen Gedankenmusik mit giftigen Tönen" öffnen und sehen was passiert, ermuntert Ina Hartwig in ihrer sehr lesenswerten Kritik zur Lektüre von Elfriede Jelineks "Bühnenessay". Nur zwei Personen treten auf, Wotan und Brünnhilde, die sich gegenseitig beschuldigen und ankeifen. Wie der Titel schon andeutet, geht es in "Rein Gold" nicht einfach nur um den Schatz der Nibelungen, sondern um die Herrschaft des Geldes (und des Mannes) überhaupt. Das findet Hartwig allerdings weniger originell als die Art, wie Jelinek die Morde der Zwickauer Terrorzelle verarbeitet, die neuen Hassgesänge mit den alten verflicht. Da schnürt sich ihr der Hals zu. Sinn oder gar Lösungsvorschläge darf man von Jelinek nicht erwarten, warnt sie die Leser. Aber die Assoziationsflut Jelineks hat zumindest sie zu produktivem Denken angeregt.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.05.2013

Elfriede Jelineks Bühnenessay "Rein Gold" hat Rezensent Tim Caspar Boehme durchaus beeindruckt. Der Beitrag der Schriftstellerin zum Wagner Jahr erscheint ihm als eine dezidiert kapitalismuskritische Auseinandersetzung mit dem Werk des Komponisten. Bei Jelinek hat Wotan Streit mit seiner marxistischen Tochter, weil er seine Burg von Riesen bauen lässt, ohne seine Schulden bezahlen zu wollen. Boehme schätzt den "wortspielerischen Sprachexzess" der Autorin, die in einem "endlosen Strom" beständig Theorie, Alltag und Motive aus dem Kosmos Wagners verflicht. Jelinek gelingt es seines Erachtens überzeugend, Wagners Mythen-Aneignungen mit der Realität der Gegenwart zu verbinden und den Sog seiner Musik ins Medium des Textes zu überführen.