Christian Maurel

Für den Arsch

Cover: Für den Arsch
Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2019
ISBN 9783941360631
Kartoniert, 144 Seiten, 14,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Tobias Haberkorn. Mit einem von Peter Rehberg. Nie sind die Hoffnungen über die politischen Möglichkeiten einer schwulen Subjektivität und Gemeinschaft größer und die Analyse ihres Scheiterns erbarmungsloser gewesen als in diesem kleinen Text, der viele Jahre dem Queertheoretiker avant la lettre Guy Hocquenghem zugeschrieben wurde. Der hier in einer Neuübersetzung vorgelegte Text Christian Maurels, der 1973 zunächst anonym in der Ausgabe Trois milliards de pervers der Zeitschrift Recherches erschienen war, kreist um eine Frage, die vom Standpunkt einer auf rechtliche Anerkennung und Respektabilität verpflichteten Schwulen- und Lesbenbewegung inzwischen skandalös erscheint: Welche subjektive, soziale und politische Bedeutung hat die libidinöse Besetzung des Arsches beim Sex zwischen Männern? Sie verweist auf die Verschränkung von Politik und Begehren in der Moderne. Maurel erinnert mit seinem sprachgewaltigen Text daran, dass eine queere Kritik nicht ohne Bezugnahme auf das "Perverse" der Sexualität auskommen kann.Die wichtigsten Quellen dieses im Anschluss an das Ereignis von 1968 entstandenen theoretischen Denkens sind neben den Arbeiten Guy Hocquenghems, die Psychoanalyse-Kritik von Gilles Deleuze und Félix Guattari sowie die politische Arbeit innerhalb der französischen Schwulenbewegung, insbesondere der Front homosexuel d'action révolutionnaire (FHAR). Sie sind für aktuelle queere Debatten wieder zu entdecken: Denn eine Deleuzianische Queer Theory erweist sich als Alternative zu einem performativen Identitätsverständnis nach Judith Butler, und mit dem Aktivismus im Frankreich der 1970er Jahre werden postkoloniale Fragen, hier das Verhältnis von Europäern und "Arabern", Teil der Auseinandersetzung.Die von Félix Guattari herausgegeben Ausgabe 12 der Zeitschrift Recherches wurde unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung verboten, die Auflage vernichtet. Ein Nachdruck erfolgte 1978, eine deutsche Ausgabe erschien 1980 im Verlag Rosa Winkel. Maurels Beitrag erscheint nun erstmals als eigenständiger Band in einer neuen Übersetzung von Tobias Haberkorn. Begleitet wird er von einem ausführlichen Essay von Peter Rehberg.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 16.11.2019

Rezensent Adrian Schulz hat diesen Aufsatz aus der Hochzeit der Schwulenbewegung mit großem Interesse gelesen. Die Hauptthese, die befreite Homosexualität sei den binären Ordnungen von stark und schwach, maskulin und feminin, aktiv und passiv nicht entkommen, fand er sehr treffend: Dass jeder Versuch, aus der Heteronormativität auszubrechen, zwangsläufig immer noch auf ihr fuße und sie damit unbewusst reproduziere, erschien ihm schlüssig. "Radikaler als Foucault, nüchterner als Hocquenghem" plädiere Maurel darum für die Entfesselung eines ungezügelten, radikalen Verlangens, das nicht vorab codiert sei und so die Säulen heteronormativer Macht - Geschlechter und andere scheinbar sichere Identitätskategorien - auflöse. Dieser Weg führe für Maurel allerdings sicher "durch den Arsch", hält Schulz fest.