Carlo Ginzburg

Die Wahrheit der Geschichte

Rhetorik und Beweis
Cover: Die Wahrheit der Geschichte
Klaus Wagenbach Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783803151650
Gebunden, 159 Seiten, 19,43 EUR

Klappentext

Aus dem Italienischen von Wolfgang Kaiser. Mit 16 Bildtafeln. Spurensuche im Grenzgebiet zwischen Wahrheit und Lüge: Carlo Ginzburg studiert anhand von vier Fallgeschichten aus der westlichen Kulturgeschichte, was Fälschungen, Kunstwerken und literarischen Erfindungen die Beweiskraft von authentischen Dokumenten verleiht.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 19.07.2001

Dem Rezensenten Peter Schöttler ist vor allem darum zu tun, den Historiker Carlo Ginzburg gegen den, wie er findet, vorschnellen Verdacht des "Postmodernismus" in Schutz zu nehmen. Obwohl Ginzburg Historie wie Kunst betreibe, indem er seine Leser am Prozess der Erkenntnis teilhaben lasse, sei er kein Irrationalist. Ginzburgs neuen Essays entnimmt der Rezensent, dass für den Autor vielmehr die Suche nach historischer "Wahrheit" im Zentrum steht. Etwa werde bei Ginzburg die heute übliche Gegenüberstellung von Wissenschaft und Rhetorik als Verkürzung deutlich, denn Rhetorik sei schon bei Aristoteles durchaus der Wahrheit verpflichtet. Die Formulierung von Beweisen sei keine leere Übung, sondern eine moralische Aufgabe. Ginzburg, so der Rezensent, vollführt eine Gratwanderung, indem er sich zugleich von betulichem Positivismus wie modischem Relativismus abgrenzt. Seine eigene Position formuliere Ginzburg allerdings nur vage. Dennoch zeigt sich Schöttler positiv überrascht davon, dass Ginzburgs Gratwanderung immer wieder erkenntnisfördernde Ergebnisse zeitigt.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.07.2001

Bei Franziska Meier haben die fünf Aufsätze von Carlo Ginzburg einen zwiespältigen Eindruck hinterlassen. Der gesunde Menschenverstand der Rezensentin rät, die Ausführungen des Autors über die umstrittenen, aber weit verbreiteten Annahmen von Dekonstruktivismus und Poststrukturalismus, jegliche Geschichtsschreibung sei Rhetorik und auf sich selbst bezogen, als weltfremd und banal abzutun. Wissenschaftlich und theoretisch betrachtet findet Meier Ginzburgs Thesen aufregend, denn schließlich biete er mit einer ganzen Reihe von Beispielen der These von der reinen Konstruktion der Geschichte Paroli. Ginzburgs "enorme Gelehrsamkeit und weitläufige Bildung" stellt die Rezensentin keineswegs in Frage. Und doch sind ihr seine Thesen größtenteils banal und manchmal abstrus erschienen. Mehr hätte Meier erfreut, wenn der Autor anstatt über den Zusammenhang von Rhetorik und Beweis nachzudenken, dem Unterschied zwischen einer auf Wirkung bedachten und einer schmückenden Rhetorik nachgegangen wäre.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.06.2001

In seinem Glauben an die Objektivität der Geschichtsschreibung ist Ginzburg Idealist. Martin Meyer aber will darüber nicht richten. In seiner Besprechung der fünf versammelten Aufsätze, mit denen der Autor antritt, "gegen den 'linguistic turn' ... die Macht der Sprache und die Figuren des Stils produktiv zu hinterfragen", sucht er stattdessen nach dem Konstruktionsplan dieser "weder rasch noch leicht" zu lesenden Essays. Ginzburg, so erklärt Meyer, verbinde hier den philologischen approach mit einer ausgreifenden geschichtsphilosophischen Reflexion und gelange im Hin und Her zwischen Methode und Befund zum Ergebnis - einem "nicht eisenharten" Begriff von Wahrheit, dem laut Meyer der genius malignus des Skeptizismus und der ironisierenden Relativität eingeschrieben bleibt. Wie es Ginzburg auf diese Art und im Rekurs auf die Aristotelische Rhetorik gelingt, noch die Wahrheit der Lüge zu erweisen, macht Meyer staunen.

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