Anna Politkowskaja

Tschetschenien

Die Wahrheit über den Krieg
Cover: Tschetschenien
DuMont Verlag, Köln 2003
ISBN 9783832178321
Kartoniert, 336 Seiten, 16,90 EUR

Klappentext

Aus dem Russischen von Hannelore Umbreit und Ulrike Zemme. Mit einem Vorwort von Dirk Sager. Mit Fotos, Porträts, einem Glossar und Dossiers. Dieses Buch berichtet vom Schicksal der Menschen in Tschetschenien, von den Opfern des Krieges. Es ist ein "J'accuse". In drei Teilen beschreibt dieses Buch den Krieg: Es berichtet von dem Leben der Tschetschenen im Krieg, den Übergriffen auf die Zivilbevölkerung, von einem Alltag, in dem Folter, Hinrichtungen, Plünderungen und Entführungen an der Tagesordnung sind. Die Autorin analysiert welche Auswirkungen dieser Krieg auf das Leben in Russland selbst hat, wie ein Rassismus gegen alles Nicht-Russische zunimmt. Und schließlich beschreibt sie die Interessen der neuen "Generalsoligarchen", die an der Fortführung dieses Krieges, dem illegalen Handel mit Erdöl und Waffen verdienen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 21.07.2003

Stark beeindruckt zeigt sich der Rezensent Werner Adam von dieser detaillierten Zusammenfassung der Ereignisse über den Tschetschenien-Konflikt. Bemerkenswert findet er vor allem die Courage der russischen Autorin Anna Politkovskaja, die immer wieder zu Recherchezwecken in das Krisengebiet fuhr, wie Adam berichtet. Dort nahm sie zum einen Kontakt mit tschetschenischen Gruppierungen auf, die sie in nach Europa orientierte "Westler", "Araber" und die "dritte Macht", die "Rache an den russischen Truppen zu üben suche" einteilt. Zum anderen sprach sie aber auch mit den dort stationierten russischen Truppen. An diesen Schilderungen wird nach Meinung des Rezensenten deutlich, dass die Autorin zwar den russischen Truppen die Hauptschuld für das Leid in diesem Krieg zuteile. Sie stelle diese aber gleichzeitig auch als Opfer dar, die innerhalb der militärischen Strukturen klaren Hierarchien unterliegen würden. Auf jeden Fall niederschmetternd sieht der Rezensent die Perspektiven für Tschetschenien, basiere dieser ganze Konflikt nach Meinung der Autorin doch auf einem Streit um die "illegale Förderung und Verarbeitung von Erdöl".
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2003

Es gibt wohl kaum jemanden, der besser über Tschetschenien Bescheid weiß als Anna Politkovskaja, vermutet Hannes Adomeit, denn die Journalistin berichtet seit vielen Jahren für eine der wenigen unabhängigen russischen Zeitungen von dort und hat sich bereits den Hass der russischen Militärs zugezogen, weil sie offizielle Verlautbaurungen der Lüge überführt hat, weiß Adomeit. Politkovskajas Fazit sei mehr als düster: alle (bis auf die zwischen die Fronten geratene Bevölkerung) verdienten am jetzigen Zustand, weshalb die Chancen auf eine politische Kursänderung sehr gering seien. Beteiligt an diesem System sei vor allem das Militär auf allen Ebenen: die Soldaten erhalten Sonderzulagen, mittlere Offiziere streichen Gelder aus Geiselnahmen ein (es floriert sogar ein Leichenhandel, berichtet Adomeit), höhere Offiziere zweigen Gelder aus dem Militärbudget ab, die Zivilverwaltung veruntreut die Gelder für den Wiederaufbau und alle - auch die Rebellen - verdienen am illegalen Ölhandel. Insofern, lautet Politkovskajas Resümee, könne eigentlich kaum eine Partei Interesse an einer Beendigung des Krieges haben. Ein Punkt kommt Adomeit bei der Autorin, die sich auf die russischen Verwicklungen konzentriert hat, zu kurz: die Bandenbildung tschetschenischer Krimineller und der islamistischen Kampfeinheiten. Auch sie machen der Bevölkerung den Alltag mehr als schwer, meint unser Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.02.2003

Bewundernswert findet der Rezensent Marius Zippe die Anklageschrift Anna Politkovskajas gegen den Tschetschenienkrieg: nicht nur weil das Buch ein "investigatives Meisterstück" sei, sondern auch, weil sich die Autorin durch ihre Recherchen teilweise in Lebensgefahr begeben habe. Politkovskaja hat ein "Schwarzbuch in drei Teilen" vorgelegt, erklärt Zippe. Das erste Kapitel beschreibe den Kriegsalltag, das zweite die Auswirkungen des Krieges auf Russen und Tschetschenen, und im dritten Teil frage Politkovskaja nach der Zukunft Tschetscheniens. Wer dieses Buch gelesen habe, glaube nicht mehr an die offizielle russische Darstellung, der Tschetschenienkrieg sei eine "antiterroristische Aktion" gegen islamische Fundamentalisten. Zippe lobt aber nicht nur die inhaltlich präzise Darstellung dieses vergessenen Krieges. Politkovskajas Reportagen widerstehen seiner Ansicht nach auch der Versuchung einer oberflächlichen Zuweisung von Täter- und Opfer-Rollen. Gerade dass sie nicht von "der" Armee, "den" Rebellen oder "der" Zivilbevölkerung spreche, macht dieses Werk für den Rezensenten so überzeugend.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.02.2003

Anna Politkovskajas Buch "Tschetschenien. Die Wahrheit über den Krieg" dürfte Russlands Präsident Putin, der sich derzeit mit Gerhard Schröder offiziell um den Frieden sorgt, gar nicht gefallen, vermutet Barbara Oertel. Um so mehr zeigt sich die Rezensentin von Politkovskajas Buch beeindruckt. Die kritische Journalistin, die mehrfach bedroht und vor Gericht angeklagt wurde, enthüllt in ihren seit 1999 regelmäßig in Tschetschenien recherchierten Berichten den wirklichen Charakter des russischen "Antiterrorkampfs", hält Oertel fest. Dieser Kampf sei gnadenlos und mache keine Unterschiede. "In Tschetschenien, einer Enklave der Recht- und Gesetzlosigkeit", fasst Oertel Politkovskajas Berichte zusammen, "sind alle Terroristen und folglich 'zum Abschuss freigegeben'." Politkovskaja dokumentiert nach Angaben Oertels eine ganze Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen seitens russischer Soldaten: Mord, Folter, Plünderung sind grausamer Alltag in Tschetschenien. Oertel hebt hervor, dass sich Politkovskaja nicht auf eine Chronik der Leiden beschränkt, sondern auch der Frage nachgeht, wie der Krieg die Menschen verändere. Die Journalistin sei bei ihren Undercover-Missionen in Tschetschenien selbst mehrmals in Lebensgefahr geraten und so von einer Beobachterin zur direkt Beteiligten geworden, berichtet Oertel. "Wahrscheinlich ist es gerade diese erzwungene Schicksalsgemeinschaft, der Perspektivenwechsel wider Willen", so Oertel, "der die Journalistin in die Lage versetzt, das Grauen in Worte zu fassen."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 07.02.2003

Eine packende und bewegende, aber trotzdem differenzierte Abhandlung über den von den Medien weitgehend totgeschwiegenen zweiten Tschetschenienkrieg ist dieses Buch von Anna Politkowskaja, findet der Rezensent Karl Grobe. Besonders die "eigenen Beobachtungen, die Reportage, sind die stärksten Elemente ihres Buches". Die Autorin nimmt größtenteils die Perspektive der Opfer des Krieges ein. Auch die Vorgeschichte des Krieges, vor allem den ersten Tschetschenienkrieg und die politischen Interessen hinter dem aktuellen Krieg beleuchtet die Autorin ausführlich. Grobe schätzt an diesem Bericht vor allem, dass es sich nicht um eine abstrakte, akademisch bleibende Arbeit handelt, sondern um "das gründlichste und zugleich persönlichste Buch über diesen Krieg und das Volk, das an ihm zugrunde geht".