
Manchmal findet man in
Peter Nadas' Essays (
"Leni weint", hier
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schreibt Arno Widmann in der
FR, "den Ozean Nadas'scher Erzählkunst im Reagenzglas eines einzigen Satzes". Nadas ist nur scheinbar ein Autor großer Formate - mit Romanen, die 1.600 Seiten zählen. Er beherrscht auch die
Kunst der Vignette. Widmann, der sich zur "
Nadas-Gemeinde" zählt, nennt sie liebevoll-respektlos Quickies. Wiebke Porombka erschrickt dagegen in der
FAZ angesichts der Aktualität der Essays: vieles habe Nadas richtig vorausgesehen, vor allem das
Abdriften Osteuropas in die "illiberale Demokratie", die nur halb vollzogene Wende. Widmann beschreibt es so: "Nadas denkt gründlich wie wenige über die
Schrecken des 20. Jahrhunderts nach, kaum jemand beschreibt sie so intensiv wie er. Er tut das nicht, weil er sich die Vergangenheit vergegenwärtigen möchte. Er tut es, weil er wohl von Anfang begriff, dass Massenmord und die Lust daran
nicht vergangen sind."
Bücher über Bäume sind in Deutschland natürlich ziemlich angesagt. Mit
"Wilde Wälder" (
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"Naturkunden"-Reihe ein älteres Buch des bereits 2006 verstorbenen Autors
Roger Deakin übersetzt, das lange vor den urdeutschen Baumumarmungen aus aktuellen Bestsellerlisten geschrieben wurde. In seinem einzigen zu Lebzeiten erschienen Buch "Waterlog" plädierte Deakin für "
offenen Zugang" zu Landschaften, vermerkt die englische Wikipedia. Very british in einem Land, wo diese Landschaften zum Teil noch dem Adel gehören. Das aktuelle Buch ist aus nachgelassenen Texten kompiliert, es berichtet von
Reisen zu Wäldern in der ganzen Welt. Für Ulrike Fokken in der
taz ist es ein Meisterwerk des Nature Writing.


Außerdem mehrfach besprochen:
Amos Oz' kleiner Essay-Band
"Liebe Fanatiker" über den
Nahostkonflikt und die Zweistaatenlösung (
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Witz, zum Beispiel, oder
Empathie und die Anerkennung von Vielfalt, schreibt Tobias Krause in der
NZZ. "Dieses Buch ist eine Schönheit." Mit dem Satz beendet Rezensentin Antonia Baum den Versuch, ihre Lektüreerfahrung beim Lesen von
Maggie Nelsons "Bluets" (
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NZZ ist beeindruckt von dem Bändchen, in dem in der Reflexion über
die Farbe Blau - auch in ihren bescheidensten Erscheinungsformen, etwa in Gestalt von Mülltüten, die Erfahrung
einer Trennung verarbeitet wird.