Zülfü Livaneli

Der Fischer und der Sohn

Roman
Cover: Der Fischer und der Sohn
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023
ISBN 9783608986921
Gebunden, 192 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Türkischen von Johannes Neuner. Als Mustafa beim Fischen ein kleines Baby entdeckt, das von einem der vielen Flüchtlingsboote in der Ägäis stammt, ändert sich für ihn und seine Frau Mesude alles. Statt das Kind den Behörden zu übergeben, versteckt Mustafa es. Doch was, wenn die Mutter des Kindes noch lebt? Ein Roman von großer emotionaler Wucht über Elternschaft unter existenziellen Umständen.Mustafa und Mesude leben in einem kleinen Dorf in der Ägäis vom Fischfang. Seit ihr kleiner Sohn Deniz ertrunken ist, zeigt sich das Glück nur noch selten. Doch als Mustafa eines Morgens aufs Meer hinausfährt, sieht er die Leichen von zwei Menschen, die auf dem Seeweg nach Europa umgekommen sind, und er rettet ein lebendes Baby aus einem kleinen Schlauchboot. Mustafa und Mesude wissen, dass sie das Kind offiziell melden müssen, doch vor allem Mustafa versucht alles, um das Baby behalten zu können. Zülfü Livaneli erzählt von einem menschlichen Drama und davon, was elterliche Liebe wirklich bedeutet."

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.06.2023

Den Autor Zülfü Livaneli kennt Rezensent Rainer Hermann als einen mutigen Menschenrechtsaktivisten, der eine bewegte, von Widerstand gegen diktatorische Regimes geprägte Geschichte hinter sich hat. Das merkt Hermann auch dem neusten Roman an, der einen Fischer in den Mittelpunkt der Handlung stellt. Dieser finde nicht nur Fische und auf der Flucht ertrunkene Flüchtlinge im Meer, sondern eines Tages auch ein noch lebendes Baby, das er heimlich mit seiner Frau aufziehen möchte, fast wie einen Ersatz für den eigenen Sohn, der im Meer ertrunken ist. Die Heimlichkeiten gehen nicht lange gut, verrät Hermann, Fischer Mustafa kommt ins Gefängnis und lernt dort einen Schlepper kenn, der ihm sein Geschäft und die Politik, die es ermöglicht, erklärt - der Autor wird dabei nie anklagend, lobt der Kritiker anerkennend, zeigt aber doch ganz genau, wie Humanität aussehen sollte und vielleicht auch aussehen kann.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.05.2023

Rezensentin Christiane Schlötzer kennt den türkischen Schriftsteller Zülfü Livaneli als einen Autor, der mit seinen Büchern den Finger in die Wunde legt, so auch in seinem neuesten Roman, der von einem Fischer handelt, der ein wenige Wochen altes Baby nach einer missglückten Flucht aus dem Meer rettet und versucht, es bei sich zuhause zu verstecken. Das zieht in dem kleinen Dorf, in dem er lebt, etliche Probleme nach sich, verrät Schlötzer, ihr begegnen aber noch viele weitere Problemthemen im Roman; Abschiebungen, Umweltzerstörung, Überfischung, politische Krisen, illegale Bauvorhaben. Das ist viel Stoff für ein kurzes Buch, räumt sie ein, aber es gelingt Livaneli dennoch, eine Geschichte um Menschlichkeit zu erzählen, die genau in diese Zeit passt, wie sie resümiert.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 01.04.2023

Rezensentin Gisa Funk staunt über sprachlichen Stil und politischen Gehalt von Zülfü Livanelis Erzählung. Ausgehend vom alten Mythos des ausgesetzten Kindes (z.B. Moses, Ödipus) und in klarer Referenz auf die türkische Abschiebepolitik erzähle der Autor eine Geschichte von einem türkischen Fischer, der im Meer ein verlorenes Flüchtlingsbaby findet und es großziehen will. Dabei entwickelt die Geschichte tragische Züge - der Fischer und seine Frau sind vom Tod ihres eigenen Kindes traumatisiert -, wie auch kritisch-politische Dimensionen, wenn die später auftauchende afghanische Mutter des Babys zeitnah abgeschoben werden soll; nur Syrer dürfen, so der Anwalt des Ehepaars, bleiben und arbeiten. Wie Livaneli ohne Schnörkel und Pathos, dafür eindringlich eine "tragisch-schuldhafte Verstrickung" entwerfe und wie er dabei auf die "Pufferfunktion" der Türkei in Bezug auf nach Europa strömende Flüchtlinge verweist, beweist für die Kritikerin die "große Meisterschaft" Livanelis.