Yasmina Reza

Babylon

Roman
Cover: Babylon
Carl Hanser Verlag, München 2017
ISBN 9783446256514
Gebunden, 224 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Übersetzt aus dem Französischen von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel. Elisabeth gibt eine Frühlingsparty. Sie ist keine erfahrene Gastgeberin und sehr nervös. Viel zu viele Gläser und Stühle. Dennoch scheint alles gut zu gehen, bis sich Jean-Lino und Lydie, die Nachbarn von oben, wegen eines Bio-Hühnchens in die Haare kriegen. Als Elisabeth und ihr Mann schon im Bett liegen, klingelt es.  Es ist Jean-Lino, der erzählt, dass er Lydie gerade erwürgt hat. Elisabeth wird er bitten, die Leiche mit ihm zusammen aus dem Haus zu schaffen...

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 15.08.2017

Roman Bucheli würde gerne lachen, aber die Geschichte, um die es hier geht, ist doch zu traurig. Yasmina Rezas Rekonstruktion einer Nacht, eines Totschlags und zweier Lebenswege scheint ihm andererseits viel zu vorhersehbar, als dass sie ihm irgendwelche ernsthaften Gefühle oder auch nur Erwartung entlocken könnte. Nichts, klagt er, lässt die Autorin im Ungefähren, und der Effekt ist alles in diesem Text. Und sich dumm zu stellen, fällt dem Rezensenten nicht ein. Schade, denn die Qualität der erzählerischen und dramaturgischen Mittel der Autorin steht für ihn außer Zweifel.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 02.08.2017

Wieder einmal, so Rezensent Joseph Hanimann, greift die Schriftstellerin eines ihrer Dauerthemen auf und schafft Figuren, die gezeichnet sind von schleichender Lebensmüdigkeit, Mittelklasseneurosen und Lebenskrisen. Elisabeth, Rezas Erzählerin, ist Anfang sechzig und lebt in harmonischer Beziehung mit ihrem Ehemann Pierre, schreibt Hanimann in seiner stark nacherzählenden, aber liebevollen Rezension. Der Anfang des Romans, die Planung eines Fests, zieht sich laut Hanimann zwar ein bisschen zu sehr in die Länge. Aber dan kommen für ihn Rezas bekannte Stärken , die Situationsdramaturgie und straffe Schnürung der Handlung, die erst mit einem Mord in der Mitte des Romans einsetzt, und Elisabeth vor den Konflikt stellt, ob sie dem Mörder helfen soll die Leiche zu beseitigen oder nicht. Dann kämen auch der Sarkasmus, die Skurilität und Komik von Rezas Figuren richtig zum Tragen.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 29.07.2017

Rezensentin Shirin Sojitrawalla schätzt Yasmina Rezas Witz und ihre Kunst, aus "Bagatellen" große Dramen zu machen. Und doch haut sie der neue Roman "Babylon" nicht um. Zwar freut sich die Kritikerin über neue Bekanntschaften mit "neurotischen Reza-Frauen", die im kleinen Schwarzen die Contenance verlieren und staunt einmal mehr, wie leichthändig die Autorin Paarbeziehungen zerlegt und ihre Figuren mit wenigen Strichen skizziert. Bald driftet der Roman allerdings zu einer eher müden Krimikomödie ab, klagt die Rezensentin, die über die "filmreifen" Dialoge höchstens schmunzeln kann. Und wenn Reza über Robert Franks Zyklus "The Americans" im Besonderen und über die Endlichkeit des Menschen im Allgemeinen sinniert, entdeckt die Rezensentin zwar starke Passagen voller Melancholie - ein "Meisterwerk" ist es aber nicht geworden, meint Sojitrawalla.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.07.2017

Rezensent Simon Strauß findet, dass sich Stärken und Schwächen im neuen Roman von Yasmina Reza die Waage halten. Stark findet er, wie die Autorin ihr eigenes Erfolgsrezept unterläuft, indem sie die bürgerliche Idylle einer Frühlingsparty diesmal direkt durch einen Mord stört, nicht erst durch Konversation. Und wie sie das Drehen an der "Eskalationsschraube" zur Pointe hin hier zugunsten von Bilderfindungen einschränkt. Schwach, dass sich die Gesellschaftskritik nicht immer erschließt, meint er. Die Leiche im Keller und die Krimiversatzstücke müssen wohl auch sein, stöhnt Strauss. Der präzise Ton des Ganzen und die guten Beobachtungen in den Exkursen entschädigen den Rezensenten aber.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 22.07.2017

Rezensent Tilman Krause geht hart mit Yasmina Reza ins Gericht. Ihr Roman "Babylon" sei eigentlich nur eine aufgeplusterte Novelle, die noch immer die immergleichen Yasmina-Reza-Themen durchkaut: das Leiden am unerfüllten Mittelstandsleben und an gewohnt unzulänglichen Partnerschaften, kritisiert Krause. Ja, diesmal geht der Streit ernster aus, "eine Leiche hatten wir noch nicht", so der Rezensent, aber im Grunde sage Reza seit ihrem "Gott des Gemetzels" nichts Neues mehr. Es wäre endlich an der Zeit, fordert Krause, dass die Autorin mit Schreibgewohnheiten bricht, die er eingefahren findet.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.07.2017

Einmal mehr geht Yasmina Rezas Rezept auf, versichert Rezensent Ijoma Mangold, der sich aber doch ein bisschen mehr Wagemut von der Autorin wünschen würde. Dennoch folgt der Kritiker amüsiert den beiden Ehepaaren Elisabeth und Pierre und Jean-Lino und Lydie, deren zivilisierte "Saturiertheit" feine Risse bekommt, als Jean-Lino seine Gattin im Streit um ein Biohuhn kurzerhand erwürgt. Mangold entdeckt hier durchaus einige witzige und kluge Szenen, etwa wenn Reza ganz nebenbei den politischen Mentalitätswandel ihrer Helden skizziert. Zugleich muss der Kritiker feststellen, dass die Autorin zwar das Rüstzeug für tiefsinnige Charaktere mitbringt, um dann allerdings doch lieber eine - wenn auch allegorische - "Klamotte" zu schreiben.