Virginie Despentes

Liebes Arschloch

Roman
Cover: Liebes Arschloch
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2023
ISBN 9783462004991
Gebunden, 336 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Ina Kronenberger und Tatjana Michaelis. Rebecca, Schauspielerin, über fünfzig und immer noch recht gut im Geschäft. Oscar, dreiundvierzig, Schriftsteller, der mit seinem zweiten Roman hadert, und Zoé, noch keine dreißig, Radikalfeministin und Social-Media-Aktivistin.  Diese drei, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen nach einem verunglückten Instagram-Post Oscars aufeinander. Wie? Digital. Und so entsteht ein fulminanter Briefroman des 21. Jahrhunderts, in dem alle wichtigen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit verhandelt werden. Rebecca, Oscar, Zoé, alle drei sind vom Leben gezeichnet, voller Wut und Hass auf andere - und auf sich selbst. Aber sie müssen erkennen, dass diese Wut sie nicht weiterbringt, sondern nur einsamer macht, dass Verständnis, Toleranz und sogar Freundschaft erlernbar und hin und wieder sogar überlebenswichtig sind.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 04.03.2023

Als eine Art moderner Briefroman ist Virginie Despentes neuestes Buch konzipiert, verrät Rezensentin Eva Behrendt: Eine älter werdende Schauspielerin und ein der Belästigung bezichtigter Krimiautor geraten erst aneinander, dann miteinander in Kontakt. Um aktuelle Debatten von #MeToo bis Corona geht es, aber auch die Sucht, unter der beide leiden, spielt eine Rolle, so Behrendt. Die Sprache ist roh und witzig, und eine Menge Themen - bis hin zum "technologisch-bürokratischen Irrsinn des Erwerbs einer digitalen Zugfahrtkarte für den Hund" werden mit Leichtigkeit eingebaut, freut sich die Rezensentin. Besonders aktuelle Debatte um #MeToo, Soziale Medien und "Cancel Culture" verstehe die Autorin hier virtuos widerzuspiegeln. Der Roman mag zuweilen an der Oberfläche haften, aber Behrendt kann ihm eine Menge abgewinnen, zumal ihr die linke Despentes doch sympathischer als der ins Reaktionäre abdriftende Michel Houellebecq, mit dem Despentes oft verglichen wird.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.02.2023

Rezensentin Sigrid Brinkmann untermalt ihre durchaus positive Kritik von Virginie Despentes' "Liebes Arschloch" mit vielen Zitaten, bei denen man nicht immer so genau weiß, wer gerade spricht: So macht sie deutlich, wie die beiden kontrastierten und doch irgendwie zusammenfindenden Figuren in einer modernen Form des Briefromans wirken. Ein gealterter Starautor lässt seine Mid-Life-Crisis an einer ebenfalls nicht mehr ganz jungen Schauspielerin auf Instagram aus und sie reagiert darauf, verrät Brinkmann die Prämisse des Romans. Nicht nur mit der von Despentes bekannten Bissigkeit, sondern auch mit Humor würden die Themen Feminismus, Sucht und Entzug sowie Freundschaft verhandelt. Das gefällt der Kritikerin, zumal beide Charaktere menschlich bleiben, in ihrer Liebesbedürftigkeit wie in ihrer Sucht.  "Moralische Rechthaberei" ist Depentes' Sache nicht, lobt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 22.02.2023

Rezensent Daniel Haas sieht die große Stärke von Virginie Despentes neuem Buch in seiner "Feier der Abstinenz" und ist überrascht über diese hoffnungsvolle Note inmitten des ganzen Nihilismus. Mit zorniger Verzweiflung bietet Despentes einmal mehr viel Gesellschafts- und Kulturpessimismus auf und übt heftige Kritik an der kapitalistischen Medienwelt und den Illusionen bürgerlicher Existenz. Form und Inhalt entsprechen sich in ihrer Rasanz, bemerkt Haas: die spontan hingeworfene E-Mail Korrespondenz zwischen einer Schauspielerin, einem stalkenden Autor und einer feministischen Internetaktivistin ist zunächst konfliktreich und geprägt von Vorwürfen. Diese drei Prototypen der Medienbranche finden im Laufe ihrer Korrespondenz Verständnis und Empathie füreinander, möglich gemacht durch ihre Absage an den Rausch, so Haas, der den Roman als "kaltschnäuzigen Rap" gegen die "Simulation von Diskursen" auf Twitter. Dabei geht der Autorin nichts von ihrem typischen Zynismus verloren, versichert der Kritiker, aber ein Hauch von Versöhnung ist eben auch dabei.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 10.02.2023

Was man sich von Virginie Despentes und von einem Titel wie diesem erhoffen kann, all das bekommt man auch, beteuert Rezensent Dirk Fuhrig. In "Liebes Arschloch" zeichnet die französische Schriftstellerin wieder einmal ein gestochen scharfes Bild der Gegenwart, samt Me-Too-Debatte, Corona-Lockdowns und einem Shitstorm. Die Protagonisten sind ein mittelalter und ebenso "mittelerfolgreicher" Schriftsteller und eine bekannte Schauspielerin, die sich in einem Briefwechsel ihr Leben erzählen und ihr Leid klagen. Es geht um Sucht, um Angst, um Einsamkeit und um den Erfolg. Beeindruckt ist die Rezensentin vor allem von den Ambivalenzen, die Despentes ihren Figuren zugesteht, sowie der Differenziertheit, mit der sie aktuelle Diskurse aufgreift. So bekommen sowohl die gegeneinander kämpfenden Feministinnen ihr Fett weg als auch der alternde Mann und sein "Proleten-Image". Dass die Figurenkonstellation mitunter etwas klischeehaft wirkt, nimmt diesem Buch für Fuhrig nichts an seiner Brisanz.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.02.2023

Iris Radisch trifft sich mit Virginie Despentes in deren Pariser Appartement, um mit der Schriftstellerin ein nicht uninteressantes Gespräch über "sexpositiven Feminismus", Simone de Beauvoir, Alice Schwarzer - die Despentes nicht kennt, wie sie beteuert - und Drogen zu führen. Drogen sind auch das vorherrschende Thema im neuen Roman, verrät Radisch leicht genervt: Mitunter fühlt sie sich wie in einer "Drogenberatungsstelle". Davon abgesehen macht der E-Mail-Roman aber gute Laune, versichert die Kritikerin. Zwar werden alle aktuellen Gesellschaftsdebatten von MeToo bis zur Pandemie abgehandelt, aber "charmant, ruppig" und gespickt mit "geistreichen Sottisen", fährt Radisch fort. Dagegen, dass das alles recht leicht verdaulich ist, hat die Rezensentin nichts einzuwenden.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 08.02.2023

Wie Virginie Despentes es wieder geschafft hat, das "widersprüchliche Panorama" der französischen Gesellschaft zu beschreiben, findet Rezensentin Juliane Liebert "ziemlich große Klasse". Es geht um den Schriftsteller Oscar Jayack, dem vorgeworfen wird, eine Verlagsassistentin gestalkt zu haben. Wieder lasse Despentes den Mann selbstmitleidig große Klagen erheben - diesmal in Briefen. Pointiert bis zur Schmerzgrenze erzähle die Bestsellerautorin von Machtmissbrauch, Feminismus und Freigeisterei, findet die Rezensentin, manchmal aber leider zu emotional und umgangssprachlich "gestelzt". So klinge es manchmal nach einer "Pippi Langstrumpf aus der Banlieue, die in den Topf mit bourgeoisem Zaubertrank gefallen ist", schreibt Liebert, die aber lobt, dass Despentes die Menschen immer ernst nehme, was ihr "großes Herz" verrate.  
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