Uwe Tellkamp

Der Eisvogel

Roman
Cover: Der Eisvogel
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2005
ISBN 9783871345227
Gebunden, 320 Seiten, 19,90 EUR

Klappentext

Wiggo Ritter, ein junger Mann mit denkbar besten Voraussetzungen für eine Traumkarriere, ist ins Abseits geraten. Dem Vater, einem erfolgreichen Bankier, wollte er nicht nacheifern, und seine akademische Laufbahn als Philosoph ist gescheitert, weil er keine Kompromisse eingehen kann. Einsam, arbeitslos, doch mit ungebrochenem Stolz fristet er zwischen skurrilen Jobs und so seltenen wie flüchtigen Liebschaften ein Schattendasein. Unverhofft fällt Licht in dieses Dunkel, als Wiggo den charismatischen Geschwistern Mauritz und Manuela begegnet: zwei perfekt getarnten Terroristen, Mitgliedern einer konservativen Organisation, die eine neue Elite inthronisieren will. Ihnen scheint Wiggo, der nichts mehr zu verlieren hat, der ideale Verbündete zu sein. Doch dann verliebt sich dieser Außenseiter ausgerechnet in Manuela - und gefährdet damit nicht allein die gesamte Organisation, sondern vor allem sich selbst.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 31.05.2005

Nicht erst in Klagenfurt, wo Tellkamp 2004 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt, sondern schon beim Lyrikpreis in Meran hat Uwe Tellkamp im Jahr davor bei Rezensent Hans Christian Kosler einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Allerdings sei Tellkamp "nicht der Mann", gibt er zu, auf den der deutsche Kulturbetrieb gewartet hätte, zu expressiv, zu überbordend seien seine Sprache, sein Ausdruckswillen. Umso erstaunter ist Kosler, dass Tellkamp für seinen ersten Roman eine stimmige und spannnende Handlung gefunden hat. Doch auch bei der lege es der Autor aufs Ganze an, behauptet Kosler mit Begeisterung. Endlich mal einer, der um das Thema Rechtsradikalismus keinen Bogen mache, schwärmt er, sondern das beklemmende Porträt eines intelligenten Rechtsintellektuellen zeichne, der zum Außenseiter und Versager abgestempelt wurde. Das Brisante an Tellkamps Buch sei, dass er die politische Verblendung seines Protagonisten nachvollziehbar mache, legt sich der Rezensent für den Autor ins Rennen. Dass dieser gelegentlich "zu viel Meinung und zu wenig Literatur" produziere (was angesichts der gepriesenen "Satzkaskaden" erstaunt), sei ein minimales Manko, sozusagen ein Berufsrisiko, das der Dresdener Autor seines Erachtens eingehen musste.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.03.2005

Uwe Tellkamps Roman "Der Eisvogel" ist ein "politischer Zeitroman", der in der "Berliner Republik" spielt und das Thema Terrorismus aufgreift, das zur Zeit in der Kunst Konjunktur hat, konstatiert Ijoma Mangold. Der Terrorismus, den der Autor in seiner Geschichte darstellt, ist jedoch kein linker, sondern von "eigentümlich reaktionär-elitärer" Art, was ein "völlig neues Bild" entstehen lässt und zudem die sonst lauernde Gefahr von "Verklärungsfallen und Moralklischees" geschickt vermeidet, so der Rezensent beeindruckt. Der Banker-Sohn Wiggo gerät in eine terroristische Gruppe mit Namen "Organisation Wiedergeburt", die in Deutschland einen "Kasten- und Ständestaat" errichten will, fasst Mangold zusammen. Die Darstellung der "verschiedenen Milieus" aus denen die Mitglieder dieser Gruppe kommen, lassen für den Rezensenten einen "enorm plastischen Gesellschaftsroman" entstehen, wobei die "Grellheit" der Figurenzeichnungen Mangold an Balzac denken lassen. Er ist von dem "großartig halluzinierten" und dabei außerordentlich "glaubwürdig" dargestellten Gesellschaftsbild dieses Romans begeistert, wobei er insbesondere vom "raffinierten Stimmenchor", aus dem Tellkamp seinen Roman aufgebaut hat, beeindruckt ist.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 17.03.2005

Das Buch ist für Gerrit Bartels die Enttäuschung der Saison. Im vergangenen Jahr hatte der Autor in Klagenfurt den Bachmann-Preis gewonnen, um so enttäuschter zeigt sich nun der Kritiker, der große Hoffnungen auf dieses Buch setzte. Was für ein Absturz, ein "richtiger Reinfall", schimpft er. Jeder könne sich ja mal verhauen, aber diese "pseudoflirrende, pseudosinnliche" Sprache, die "literarische Üppigkeit" vorgeben soll, tut ihm richtig weh. Tellkamp verwende Bilder, wie sie ihm als Lyriker entsprächen, aber für Bartels in einem Roman nichts zu suchen haben. Doch auch sonst sei der Roman hoffnungslos "überladen". Auf der Suche nach der ganz großen Konstruktion, dem ganz großen Wurf türme er nur sinnlos Erzählebenen aufeinander. Dass Tellkamps Sprache nicht greife, merke man spätestens an der Stelle, wo der junge Protagonist, ein mit allen und allem im Hader liegender Philosoph, bei einer Terroristenorganisation landet. Für deren Sache, für deren Mitglieder habe Tellkamp schlicht keine Sprache gefunden, stellt Bartels fest, sondern bloß "Leerformeln" produziert, wodurch die Geschichte vollends "banal" geworden sei.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 17.03.2005

Zwiegespalten reagiert Helmut Böttiger auf Uwe Tellkamps Roman über den Terror von rechts. "So grob zubehauen die Inhalte sind, so raffiniert ist die Form." Die Handlung, in der eine elitäre Gruppe die Demokratie beseitigen will, um eine Art "Kastengesellschaft von Geistesaristokraten" einzuführen, kann den Rezensenten nicht gerade vom Hocker hauen. Auf ihn wirkt das einerseits zu "trivial", andererseits zu "gewollt". Tellkamp erinnert ihn in der "Mischung aus Politik-Wut und Melodram" an Fassbinder, allerdings ohne dessen anarchische Komponente. Der Stil allerdings gefällt Böttiger ganz außerordentlich. Der andauernde Perspektivwechsel, manchmal "mitten im Satz", lässt ihn an Reinhard Jirgl denken. Und Tellkamp könne "suggestiv" schreiben, also Bilder finden, "die ein zeitgenössiches Grundgefühl in Szene setzen". Leider übertrage sich diese "unbändige Sprache" nicht auf den Inhalt, beklagt er und wartet auf einen neuen Roman Tellkamps, dann hoffentlich "aus einem Guss".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.03.2005

Für Martin Krumbholz löst "Der Eisvogel" die "hohen Erwartungen", die er an den Bachmann-Preisträger Uwe Tellkamp geknüpft hat, nicht ein, auch wenn er dem Roman durchaus zugesteht, "handwerklich" gut gemacht zu sein. Der Autor beginnt seine Geschichte mit dem Schluss, als der Ich-Erzähler Wiggo Ritter, ein erfolgloser promovierter Philosoph, einen gewissen Mauritz Kaltmeister erschießt, was er im Folgenden seinem Verteidiger, dem fiktiven Adressaten des Buches auseinandersetzt. Nicht nur durch diesen "furiosen Einstieg" fühlt Krumbholz sich bei diesem Buch an einen "Tatort"-Krimi erinnert. Kaltmeister hat eine rechte terroristische Vereinigung gegründet, in der er "elitäres, hierarchisches Gedankengut" verficht und das Ziel verfolgt, die "schlaffe Demokratie" zu stürzen und durch sein Ordnungssystem zu ersetzten; mit Hilfe seiner attraktiven Schwester Manuela gewinnt er zunächst Wiggo Ritter als Mitglied. Im Roman wechseln ständig die Erzählperspektiven und immer neue Zeugen kommen zu Wort, stellt Krumbholz fest und er muss zugeben, dass der Autor durchaus geschickt mit den multiplen Blickwinkeln spielt. Auch sprachlich zeigt das Buch "Finessen", meint der Rezensent angetan. Das "politische Skandalon" der Haltung Kaltmeisters allerdings wird durch seine Erschießung "allzu elegant weggekickt", beschwert sich Krumbholz, wie er überhaupt findet, dass sich der Autor zu "indifferent" gegenüber dieser Figur zeigt. Der Rezensent kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass Tellkamp "mit der Attraktivität der Kaltmeister-Figur" spekuliert, "ohne sich die Finger verbrennen zu wollen".
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