Ulli Lust

Flughunde

Nach dem Roman von Marcel Beyer
Cover: Flughunde
Suhrkamp Verlag, Berlin 2013
ISBN 9783518464267
Gebunden, 364 Seiten, 24,99 EUR

Klappentext

Marcel Beyers Roman "Flughunde" aus dem Jahr 1995 erzählt vom Ende des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive eines fanatischen Akustikers im Dienste der Nazis und aus der Sicht einer der Töchter Goebbels. Er erzählt von der Instrumentalisierung der Sprache durch die Propaganda und von Experimenten mit menschlichen Stimmen.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 11.05.2013

Sehr gespannt beobachtet Rezensentin Katja Lüthge, wie es der Zeichnerin Ulli Lust wohl gelingen mag, Marcel Beyers Monolog-Montage-Roman "Flughunde", der vor allem Dingen die materielle Beschaffenheit von Stimm- und Geräuschaufzeichnungen zum Thema hat, in die ästhetischen Rahmenbedingungen eines Comics zu übersetzen. Und siehe - wenn schon nicht höre - das Experiment gelingt: Lust bedient sich des "ganzen Instrumentariums comictypischer Lautdarstellungen" und so quasi-tönt es einem, gesäumt von zahlreichen zackigen Sprechblasen und Speedlines, unter anderem "iiieek, flap,flap, flap, AHHHH, OHHH, mmhmm, hihihi, HUAAA, Ratratatatata" aus den Seiten entgegen. Die im "Dritten Reich" angesiedelte Geschichte um einen Tontechniker und die Goebbels-Tochter Helga wirkt nun in Lusts prägnanter Bildsprache um einiges direkter auf den Leser, beobachtet die Rezensentin weiterhin. Dies liege auch an der Art und Weise, wie Lust die Bilder in rostig-erdig bis schimmelartige Farbtöne taucht. Der Verzicht auf übliche Nazi-Ästhetik schafft überdies die Grundlage für die beklemmende Wirkung dieser Geschichte darüber, wie banal, aber auch wie lächerlich das Böse sein kann, schließt Lüthge.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 03.05.2013

Thomas von Steinaecker war ziemlich gespannt, was Ulli Lust, eine der derzeit besten Zeichnerinnen, wohl aus Marcel Beyers "Flughunde" gemacht hat, seinerseits einer der besten deutschen Romane der vergangenen Jahre, meint der Rezensent. Soviel wie möglich, findet von Steinaecker, der trotz wiederholten Lobes nicht ganz von diesem Projekt überzeugt ist. Da sind zum Beispiel die Töne und Klänge, die gerade für den Protagonisten Hermann Karnau eine wesentliche Rolle spielen, schließlich ist er Tontechniker. Anfangs ist der Rezensent zwar beeindruckt, wie abwechslungsreich und experimentell Lust lautmalt und dabei gelegentlich auch den Rahmen ihrer Bilder sprengt, aber er vermisst die Faszination, die die Beschreibungen des Buches auf ihn ausgeübt hatten. Auch verlieren einige Szenen durch die Visualisierung zwangsläufig, meint von Steinaecker, die Menschenkäfige in Karnaus KZ-Labor etwa, die textlich entschieden subtiler wirken, oder die "Topoi des Untergangs", die bildlich einfach erschöpfend erforscht sind. Irgendwie verlieren beide, Lust und Beyer, mehr als sie gewinnen, bedauert der Rezensent.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 16.04.2013

Achtzig Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wimmelt es in der deutschen Kulturlandschaft nur so vor geglückten und verunglückten Erinnerungsbemühungen, weiß Anne Lena Mösken. Mit ihrer Comic-Adaption von Marcel Beyers Roman "Flughunde" hat Ulli Lust einmal mehr die Stärke der "Graphic Novel als Medium der Erinnerung" unter Beweis gestellt. Ihre Zeichnungen hat Lust mit gedeckten Wasserfarben koloriert, viele muten schematisch an, beschreibt Mösken, sie unterstützen Beyers nüchterne Sprache, die Lust größtenteils übernommen hat. Das Ergebnis ist nicht unbedingt schön, erklärt die Rezensentin, darum geht es der "Bildererzählerin" auch gar nicht. Vielmehr soll die Brutalität und die Düsternis auch ohne schlichten Realismus vermittelt werden und das gelingt Lust hervorragend, lobt die Rezensentin. Auch die Geräusche lassen sich in der Graphic Novel besser vergegenwärtigen: das "ROAAAAAROOOAARRRR" eines Fliegerangriffs, von gezackten Linien eingefasst, erscheint tatsächlich ohrenbetäubend, findet Mösken.
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