Marcel Beyer

Graphit

Gedichte
Cover: Graphit
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783518424407
Gebunden, 203 Seiten, 21,95 EUR

Klappentext

Marcel Beyer legt einen neuen Gedichtband vor. Mit dem Titel ist der Hinweis auf die motivische Klammer gegeben: Materialität. Dinge, ob Blume, ob Feder, ob Scheiße oder Abendland, die sich bei den Kollegen aus allen Zeiten finden und neu integrieren lassen; die Körnung der unterschiedlichsten alltäglichen wie politischen Stimmen. Solche Mehrstimmigkeit ist für Marcel Beyer das einzig wirksame Gegengift gegen den ganzen monolithischen, den fanatischen, den faschistischen und chauvinistischen Schwachsinn in der Poesie und das Reden darüber.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.01.2015

In vielen Farben schillernd die neuen Gedichte von Marcel Beyer für Roman Bucheli. Einen neuen Ton meint der Rezensent zudem zu vernehmen, wenn Beyer lockere Rhythmen, kühnes Motivspiel und erzählerisches Tempo verbindet zu meist als Quartett daherkommenden Versen. Frei im Umgang mit dem Stoff scheinen ihm die Texte, den abrupten Schnitt so wenig scheuend wie die ausgedehnte Sprachreflexion. Doch auch wenn Bucheli mit dem Wörterbuch in der Hand lesen muss, dem Glauben des Autors an die Sprache und seinem Vermögen im Umgang damit vertraut er blind. Da können auch Pflanzen und Tiere unversehens kippen in Unerwartetes, meint er. Solcherart den Leser überraschende Widersprüchlichkeit deutet Bucheli als Vorstellung des Autors vom Dasein.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 27.11.2014

Was der Niederrhein an Landschaftlichem missen lässt, macht die Region durch einen "Reichtum namens Wortschatz" wett, weiß Tobias Lehmkuhl - das mag auch der Grund dafür sein, dass es zwei so große Dichter wie Thomas Kling und Marcel Beyer in diese Gegend verschlagen hatte, zwei "lyrische Mikroskopierer", Freunde, die sich vor "äußeren Jubiläen" schon mit dem Ersten Weltkrieg auseinandersetzten und auch die Gegenwart genau beobachteten, so der Rezensent. In seinem neuen Gedichtband "Graphit" erinnert Beyer auch an seinen verstorbenen Dichterfreund Kling, verrät Lehmkuhl: "Halt die Außensprache / kalt, innen sei Insektendunst, mach / es mir, mach mich gesund, / Wespe, komm in einen Mund", heißt es zum Beispiel in einem Gedicht, und wer weiß, dass Kling für seinen schwarz-gelb gestreiften "Wespenpullover" bekannt war, wird hier die verborgene Verneigung Beyers erkennen, erklärt der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.10.2014

Groove attestiert Helmut Böttiger den Gedichten von Marcel Beyer. Das liegt für Böttiger an Beyers Fähigkeit, Geschichte, Schrift und Zeiten mit leichter Hand, alltagsnah zu verzahnen. "Kulturarchäologische Suchbewegung" nennt Böttiger das. In dieser Bewegung tauchen dann laut Rezensent Gottfried Benn und sein Freund Oelze auf, Ezra Pound und Karl May, das Rheinland, Dresden und Eisenstein. Niedriges wird in die Höhe gehoben, Verbindungen in der Historie und in der Literatur sichtbar, erklärt Böttiger, der empfiehlt, die Texte laut zu lesen, um ihre Wortverbindungen, ihren Rhythmus, Beyers raffiniertes musikalisches Verfahren zu entdecken und seine feine Selbstironie, die sich in Titeln wie "Bin ich der Mann vom History Channel?" oder "Endreimstimmung" niederschlägt.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 11.10.2014

Langen Atem und Gelassenheit erkennt Gisela Trahms in Marcel Beyers drittem Gedichtband mit Texten aus den Jahren 2001-2013. Aber auch einen schwierigen Hang zum Zyklus und ein bisschen Hochmut, wenn Beyer subjektiv Wörterbücher pflügt, ohne Rücksicht auf Leser. Trahm weiß sich mit Wikis zu helfen oder begnügt sich mit Schwingung und Klang. Geht auch, meint sie, geht sogar gut. Denn auch wenn der Ton hier milder, die Message simpler ist als in den früheren Gedichtbänden, der Autor die Rezensentin selten noch mit dem alten "ruppigen" Sound packen kann, so vermag Beyer Trahms bei aller Leserfreundlichkeit im Ganzen doch zu überzeugen durch metrische Meisterschaft und Assoziationsreichtum.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.10.2014

Als wirklichkeitssteigernd erfährt Rezensent Hans-Ulrich Gumbrecht die Gedichte von Marcel Beyer. Damit die Text das bringen, muss ihre Sprache verbindlich sein, müssen die Dinge präsent werden, wie Gumbrecht anmerkt. Für den Rezensenten ein Zeichen der Reife dieses Autors. Wenn also die Gedichte auf die Art eine eigene Gegenwart erhalten, fühlt sich der Rezensent aus der alltäglichen Zeit genommen und doch oder gerade beschenkt mit Konkretheit, sei es, wenn Beyer extreme Momente deutscher Geschichte heraufbeschwört (die Tötung Heidrichs) , sei es, wenn der Autor persönliche Kindheitserinnerungen wach werden lässt (mit dem DDR-Sandmann). Die wenigen Texte im Band, bei denen der Rezensent diese Intensität vermisst, möchte er dem Autor nicht vorwerfen.
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