Tristan Garcia

Das intensive Leben

Eine moderne Obsession
Cover: Das intensive Leben
Suhrkamp Verlag, Berlin 2017
ISBN 9783518587003
Gebunden, 215 Seiten, 24,00 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Im 18. Jahrhundert fasziniert ein neues Fluidum die Welt: die Elektrizität. Mit ihr wird die Intensität zu einem Ideal für den Menschen und zu einem Begriff der Philosophie. Von der Macht Nietzsches bis zum Vitalismus Deleuze', von der nervösen Erregung der Libertins bis zum Adrenalinkick der Begierde, der Leistung und der Extremsportarten: Die Intensität organisiert seither unsere Welt. Sie ist der höchste Wert des modernen Lebens, wie der junge französische Philosoph Tristan Garcia in seinem Essay zeigt. Die ständige Suche nach Intensität ist allerdings auch anstrengend: Süchtig jagen wir neuen Höhepunkten und Extremen nach, immer unter Strom. Kein Wunder also, dass in unseren "Hochspannungsgesellschaften" das Unbehagen wächst. Die intensive Landwirtschaft zerstört die Natur, das Selbst ist erschöpft, Apathie, Mittelmäßigkeit und Depression signalisieren das Ende des großen Wachstums- und Intensitätsrauschs. Wie können wir dennoch das Gefühl bewahren, am Leben zu sein?

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.10.2017

Rezensent Ijoma Mangold mag den eigensinnigen Sound des französischen Schriftstellers und Philosophen Tristan Garcia spätestens seit der Lektüre dieses bereits im Frühjahr auch auf Deutsch erschienenen Essays. Denn der junge Autor macht es sich hier nicht so leicht, die Intensität gegen die "konsumkapitalistisch sedierte Lauheit" der Gegenwart auszuspielen, sondern zeichnet mit Sinn für Widersprüchlichkeiten die historische Entwicklungsgeschichte nach, beginnend bei Newtons und Descartes' physikalischen Erklärungen der Welt, lobt der Kritiker. Wenn Garcia ihm erzählt, wie die Intensität als Gegensehnsucht jener rationalen Berechenbarkeit der Welt auftrat, ihm zugleich die zerstörerische Seite eines ausschließlich auf Intensität ausgerichteten Lebens aufzeigt, schwärmt der Rezensent: Dieser Philosoph wird die "künftigen Weichen des Denkens entscheidend umstellen".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.08.2017

Dirk Pilz kann den Respekt vor so viel Mut nicht verbergen. Dass Tristan Garcia ganz ohne Kant, Hegel, Foucault, Adorno und Badiou über die Moderne losphilosophiert, scheint ihm enorm. Den leergefegten Tisch deckt der Autor laut Pilz mit der Vorstellung vom intensiven Menschen. Einleuchtend, findet Pilz mit Blick auf Wachstumsdenken, Selbstoptimierungswahn und Heilssuche in gutem Kaffee. Garcias Plädoyer für eine Ethik des Gleichgewichts zwischen Intensitätsüberschuss und Langeweile haut Pilz nicht um, doch richtig irritierend findet er, dass der Autor in seinem Denken sämtliche Bezüge zu sozialen Fragen und gesellschaftlichen Zusammenhängen vermissen lässt. So bleibt das Unterfangen leider eine philosophische Fiktion, meint der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2017

Oliver Pfohlmann traut dem Philosophen Tristan Garcia nicht über den Weg. Was der Autor in seinem Buch über die entzauberte Moderne, den Intensitätsbegriff von Aristoteles bis Deleuze und die ständige Suche nach dem Kick im Leben zu sagen hat, scheint ihm zwar teilweise lehrreich und in seiner Diagnose, warum die dauernde Lebensintensität nicht realistisch ist, sogar besonders lesenswert. Doch wenn Garcia dem Leser den Ratschlag gibt, nur fein auf die Work-Life-Balance zu achten, fühlt sich der Rezensent veräppelt. Dergleichen steht schließlich in jedem x-beliebigen Ratgeber, meint er. Und dass der Autor in seiner Betrachtung soziale Werte sowie Humor und Ironie als Gegengewichte zum Adrenalindauerregen weitgehend ausblendet, scheint Pfohlmann doch sehr verdächtig.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 06.06.2017

"Was genau soll dieses Buch eigentlich?", fragt sich Rezensentin Meredith Haaf etwas ratlos nach der Lektüre von Tristan Garcias "Das instensive Leben". Garcias These einer "Hysterisierung der Intensität" des modernen, stets nach Steigerung strebenden Menschen findet die Kritikerin zwar durchaus nachvollziehbar; gespannt und gut unterhalten liest sie zudem, wie der französische Philosoph den Zusammenhang zwischen den Gefühlswelten und der "Elektrisierung unseres Alltags" historisch herleitet. Bald aber erinnert die Rezensentin der Text doch ein wenig zu sehr an die "Pseudo-Soziologie" eines Byung-Chul Han. Und auch wenn hier die ein oder andere "intellektuelle Wunderkerze" brennen mag, erscheint der Rezensentin Garcias Studie, die im übrigen laut Haaf bedauerlicherweise ganz ohne eine Erläuterung der sozialen Dimension von Intensität auskommt, bisweilen wie "Absolventenredenprosa".
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.05.2017

Helmut Mayer ätzt nicht schlecht über das Buch von Tristan Garcia. Dass dessen elementare Einsichten schon als Philosophie durchgehen, scheint ihm fragwürdig. Zu Erkenntnissen führt das laut Rezensent noch lange nicht. Eher zu Verdruss. Auch wenn Mayer dem Autor wilden Mut attestiert, derart vereinfachend durch die Jahrhunderte zu schreiten und ein derart schlichtes Bild der Moderne zu zeichnen - Garcias Vorschlag, statt im Leben auf Gefühlsintensitäten zu bauen, lieber sachte zwischen Lebensbejahung und Lebensverneinung zu balancieren, scheint ihm doch sehr nach dem bürgerlichen Mittelweg zu klingen.
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