Stewart O'Nan

Stadt der Geheimnisse

Roman
Cover: Stadt der Geheimnisse
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2018
ISBN 9783498050443
Gebunden, 224 Seiten, 20,00 EUR

Klappentext

Aus dem Amerikanischen von Thomas Gunkel. Jerusalem, 1947: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, die Staatsgründung Israels steht unmittelbar bevor. Jossi Brand hat nichts mehr zu verlieren: Seine gesamte Familie, lettische Juden, wurde in Riga von den Deutschen ermordet. Er beschließt, Mitglied der zionistischen Untergrundorganisation Hagana zu werden, aus der nach der Staatsgründung die israelische Armee hervorgehen wird, reist nach Palästina und heuert in Jerusalem als Taxifahrer an. Seine Auftraggeber kennt er nicht, aber ihm ist klar, dass er nicht nur Touristen durch die Goldene Stadt kutschiert, sondern auch Männer, die Bomben im Handgepäck haben. Seine Kontaktperson ist die Prostituierte Eva, in die er sich wider besseres Wissen verliebt. Eva beschützt ihn, sie warnt ihn vor Attentaten. Doch als eine Bombe im berühmten Jerusalemer King David Hotel platziert wird, hört Brand nicht auf sie und setzt alles aufs Spiel.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 04.04.2019

Als Ort der Handlung ist Jerusalem zu identifizieren, die Zeit ist die vor der Gründung Israels. Ein überlebender lettischer Jude fährt Untergrundkämpfer gegen das britische Militär mit seinem Taxi von einem Anschlag zum anderen. Zwischenzeitlich gesellt sich zu ihm seine Freundin, eine Prostituierte, die als Spionin arbeitet und ebenfalls Überlebende des Holocaust ist. "Wie lebt man nach einer Katastrophe weiter?", so Rezensentin Andrea Köhler, ist immer wieder das Thema des amerikanischen Autors. Der Handlung des Buches, das Elemente des Thriller und "Action-Movie"  enthält, ist schwer zu folgen, die Dinge verhalten sich laut Rezensentin "zu vage und andererseits zu komplex". Und obwohl alles sehr gekonnt beschrieben ist - einschließlich der Stadt, in der O'Nan nie war - kann das Buch Andrea Köhler nicht davon überzeugen, dass dies ein Thema ist, das den Autor selbst wirklich bewegt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 27.03.2019

Rezensent Jürgen Brocan liest Stewart O'Nans Roman schon seiner Kürze wegen mit Genuss. Dass der Autor nicht mehrere hundert Seiten benötigt, um die 1947 spielende Geschichte eines Holocaust-Übelebenden in Jerusalem zu erzählen, der sein Trauma zu bewältigen sucht, findet der Rezensent erfrischend. Allerdings kann er bei diesem Autor auch sicher sein, auf eine atmosphärisch dichte, stimmig erzählte Story zu treffen. O'Nan gelingt laut Brocan trotz aller Zutaten für einen Spionagethriller vor allem die glaubwürdige Charakterstudie eines haltlosen Träumers zwischen allen Fronten, anschlussfähig an aktuelle Migratonsdiskurse, konzentriert und mit den nötigen Leerstellen, an denen sich die Leser-Fantasie entzünden kann, so Brocan.

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 23.01.2019

Rezensent Paul Stoop ist hingerissen von diesem Roman, der sich nur als Thriller verkleidet - mit allen Vorteilen der atemlosen Spannung, verspricht er -, um in Wahrheit die inneren Konflikte der Protagonisten zu thematisieren. Der Roman zeige, wie vom Holocaust traumatisierte Kämpfer in der Untergrundbewegung für die Gründung Israels streiten und nun selbst Gewalt begehen. Hinzukommt eine Kämpferin, Eva, die als Prostituierte für ihre Gefährten Informationen über Briten und Verräter besorgt, eine leicht melodramatische und von außen klischeehaft wirkende Konstellation, die den Rezensenten aber nicht weiter zu stören scheint. Ihm kommen erst Zweifel, als O'Nan den Protagonisten, der nicht weitere Gewalt verüben will, aus Israel weggehen lässt: aber nicht weil O'Nan damit möglicherweise die Legitimität Israels in Frage stellt - dieses Problem stellt sich Stoop nicht -, sondern weil Stoop glaubt, dass man den Traumata des Holocaust auch durch eine zweite Flucht nicht entrinnen kann. Stoops Begeisterung für das Buch kann das keinen Abbruch tun.