Rüdiger Görner (Hg.)

Unerhörte Klagen

Deutsche Elegien des 20. Jahrhunderts
Cover: Unerhörte Klagen
Insel Verlag, Frankfurt am Main 2000
ISBN 9783458170341
Gebunden, 282 Seiten, 20,35 EUR

Klappentext

Der Band Unerhörte Klagen bietet eine repräsentative Auswahl von Elegien deutschsprachiger Dichter im 20. Jahrhundert. "Unerhört" sind die Klagen im doppelten Sinn des Wortes: In der Moderne fand sich kein Gott mehr, um sie zu erhören. Zwei Weltkriege und der Holocaust brachten das lyrische Ich fast zum Verstummen, und die Elegie drohte unter der Last des zu Beklagenden zu zerbrechen. Doch die deutschsprachige Elegie des 20. Jahrhunderts fand neue, unerhörte Formen; sie imitiert klassische Vorlagen, zitiert das Erhabene, und sie parodiert es; sie klagt über den Verfall der Klage als lyrische Form, sie ist privat und politisch. Die Anthologie ist chronologisch angelegt. Sie reicht von Alfred Momberts Klagelied (1894) bis zur elegischen Dichtung der Gegenwart, zu Texten von Durs Grünbein, Barbara Köhler, Wulf Kirsten. Sie zeigt die Höhepunkte elegischen Dichtens bei Rainer Maria Rilke, Bertolt Brecht, Ingeborg Bachmann und Paul Celan, sie umfasst aber auch weniger bekannte Elegien wie etwa jene Klabunds, Karl Wolfskehls, H. G. Adlers und Franz Baermann-Steiners.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 14.12.2000

Um Klagegedichte geht es in dieser Rezension und da holt Rolf Vollmann weit aus, geht zurück in die Geschichte der Elegien, um seine Kritik an der Auswahl der "Deutschen Elegien des 20. Jahrhunderts" anzubringen. Er fängt bei den Klageliedern im alten Rom und Griechenland an - auch damals ging es schon hauptsächlich um die Liebe - und landet bei Rilke, dessen Einfluss weit bis in 20. Jahrhundert, bis zu den hier kompilierten Gedichten, reicht. Vollmann kann Elegien durchaus etwas abgewinnen, das ist hier deutlich zu spüren. Trotzdem wird er mit dem von Rüdiger Görner zusammengestellten Band, in dem Dichter wie Erich Fried, Botho Strauss, Stefan Zweig und Erich Mühsam versammelt sind, nicht wirklich glücklich. Neben einer harschen Kritik an den Auswahlkriterien Görners - "ein Genie im Aussuchen schlechter Verse" - findet er auch das Projekt selbst nicht stimmig, vor allem, weil die Deutschen im letzten Jahrhundert wohl wenig Anlass für Klagen finden dürften: "Wie wenig vernünftig, und außerdem, wie absolut unnötig es ist, wie sinnlos im Grunde, eine Anthologie in diesem Falle auf deutsche Gedichte zu beschränken". Vollmann lässt sich jedoch ein bisschen mit dem Band versöhnen, als er einige unerwartete Perlen findet: von Albin Zollinger, Carossa oder Konrad Weiss.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 28.10.2000

In einer Doppelrezension bespricht Jan Wagner einen Band zu und einen mit deutscher Lyrik.
1) Schröder "Deutschland als Gedicht"
Einen Ritt durch fünf Jahrhunderte deutscher Dichtung unternimmt Jürgen Schröder am Leitfaden des Themas der deutschen Nation. Kaum auszuhalten sind, befindet der Rezensent, viele der zitierten Werke. Die deutschen Nationalhymnen und eine Möchtegern-Variante (von Rudolf Alexander Schröder) sind da noch die harmloseren Fälle bloß mangelnder literarischer Qualität, schlimm aber die Erzeugnisse des Ersten Weltkriegs. Täglich bis zu 50 000 Gedichte aufrechtester patriotischer Gesinnung sollen im ersten Kriegsmonat täglich (!) verfasst worden sein. Der Autor deutet Deutschtümelei als "Kompensationsphänomen", der einzige Trost aber ist da nur die ironisch-gewitzte Gegentradition, für die zuallererst Heinrich Heine steht. Nach 1945 war dann "sprachlich eine Stunde null" erreicht.
2) Görner "Unerhörte Klagen"
Rüdiger Görner versammelt in diesem Band deutsche Klagegedichte des 20. Jahrhunderts. Er folgt dabei der Chronologie, unternimmt aber eine Einteilung in fünf Kapitel. Es geht von Rilke über Loerke und Hesse bis zu Paul Celans "Todesfuge", Brechts "Buckower Elegien" und Erich Frieds "Klage um eine Klage". Für den Rezensenten Jan Wagner zeigt die Sammlung eine Entwicklung "von der Entwöhnung pathetischen Sprechens hin zu einer neuen Nüchternheit und Sprachskepsis".