Roger Willemsen

Das Hohe Haus

Ein Jahr im Parlament
Cover: Das Hohe Haus
S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2014
ISBN 9783100921093
Gebunden, 400 Seiten, 19,99 EUR

Klappentext

Ein Jahr lang sitzt Roger Willemsen im Deutschen Bundestag - nicht als Abgeordneter, sondern als ganz normaler Zuhörer auf der Besuchertribüne im Berliner Reichstag. Das gesamte Jahr 2013 verfolgt er in jeder einzelnen Sitzungswoche, kein Thema ist ihm zu abgelegen, keine Stunde zu spät. Er spricht nicht mit Politikern oder Journalisten, sondern macht sich sein Bild aus eigener Anschauung und 50000 Seiten Parlamentsprotokoll. Als leidenschaftlicher Zeitgenosse und "mündiger Bürger" mit offenem Blick erlebt er nicht nur die großen Debatten, sondern auch Situationen, die nicht von Kameras erfasst wurden und jedem Klischee widersprechen: effektive Arbeit, geheime Tränen und echte Dramen. Der Bundestag, das Herz unserer Demokratie, funktioniert - aber anders als gedacht.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.03.2014

Roger Willemsen Aufzeichnungen aus dem Parlament scheinen Rezensent Majid Sattar durchwachsen. Das Projekt des Autors und Fernsehmoderators, im Deutschen Bundestag ein Jahr lang Sitzungswoche für Sitzungswoche zu beobachten und mitzuschreiben, hält er für durchaus spannend. Das Ergebnis, eine Parlamentsreportage in Tagebuchform, hat ihn indes nicht immer überzeugt. Während er etwa die Sprachanalysen der Reden Merkels sehr prägnant und treffsicher findet, vermisst er diese Qualitäten oft dann, wenn Willemsen von der Parlamentsreportage zur Meinungsglosse übergeht. Hier sind die Auslassungen des Autors für seinen Geschmack oft von "feuilletonistischer Herablassung" geprägt.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 15.03.2014

Für jeden Parlamentskorrespondenten muss die Idee dieses Buch, freundlich gesagt, sonderbar erscheinen, meint Anja Maier: Ein Jahr lang - glücklicherweise ein ereignisreiches mit einer Wahl, an dessen Ende eine neue Regierung steht und eine Partei den Bundestag verlassen muss - hat Roger Willemsen das Geschehen im Parlament vor Ort beobachtet und darüber nun ein Buch geschrieben. Und doch dankt die Rezensentin dem Autor seine beharrliche Geduld, vor allem aber seine "akademisch-ironische Sprache", wird hier doch nochmals eindrücklich kenntlich, wie sehr sich das Parlament von seiner Funktion als Ort der politischen Debatte losgelöst hat: Protokolliert sind hier nun nicht nur die Zwischenrufe, die man nach Ansicht der Rezensentin nicht einmal Kindern durchgehen lassen würde, sondern auch die ermattete Wirkkraft politischer Auseinandersetzungen im Plenum. Dieses Buch stellt eine sprachlich präzise verfasste Ernüchterung dar, meint Maier. Und mit seinen klugen Überlegungen verschafft der Autor dem Lesepublikum einen erkenntnisbringenden Blick in unser politisches System, stellt sie abschließend fest. Für die Zukunft wünscht sie sich, insbesondere mit Blick auf andere, von Diktaturen geknechtete Länder, neuen Respekt im Umgang mit der parlamentarischen Kultur.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 13.03.2014

Thomas E. Schmidt würdigt zwar die Anstrengungen, die Roger Willemsen auf sich genommen hat, indem er ein geschlagenes Jahr die Besucherbank des deutschen Bundestags gedrückt hat. Ein interessantes Buch ist aus diesem großen persönlichen Opfer seiner Meinung nach dennoch nicht herausgekommen. Das liegt einerseits daran, dass die jüngste Geschichte in ihren parlamentarischen Auseinandersetzungen bereits dem "legitimen Vergessen" anheim gefallen ist und kein Hahn mehr danach kräht, was ein mittlerweile abgetretener Rösler oder Brüderle zu sagen hatte, meint Schmidt. Daneben stört er sich aber auch an Willemsens Selbststilisierung zum großen "Volksversteher", der wirklich weiß, was das Volk begehrt und der dieses Wissen immer wieder mit den parlamentarischen Reden abgleicht. Immerhin, der Autor nennt hier die "Schwätzer und Flegel" mit Namen, und das findet der Rezensent richtig. Aber wenn Willemsen im Bundestag einen Niedergang zu beobachten meint, dann ist das als Topos für Schmidt nicht nur ziemlich redundant, sondern auch von einer falsche Vorstellung geprägt, was in parlamentarischen Debatten eigentlich geleistet werden kann und soll.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 07.03.2014

Wie arg still das Land steht, dafür ist Roger Willemsens Buch auch gang unfreiwillig ein gutes Beispiel, meint Jens Bisky. Weil nämlich der intellektuelle Reporter sich darauf beschränkt, mit moralischem Ohr zuzuhören und Sprach- und Stilfragen zu diskutieren, anstatt politisch zu argumentieren und Interessen zu formulieren. So sieht es aus, findet der Rezensent. Darüber hinaus ist er der Meinung, das Buch sei auf Seite 190 eigentlich zu Ende, dann komme nur noch Wiederholung. Statt ein volles Jahr auf der Zuschauerbank im Bundestag zu verbringen, denkt sich Bisky, hätte der Autor besser mehr hinter den Kulissen recherchiert, ein Monat hätte auch genügt. Erkenntnisse wie die über den politischen Zwang durch Partei- und Fraktionsgeist oder jene zur rhetorischen Güte der Debatten hält Bisky für Binsenweisheiten, wenn ihm auch einzelne Floskel- und Charakterstudien im Buch gut gefallen haben.
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