Raul Zelik

Berliner Verhältnisse

Unterschichtenroman
Cover: Berliner Verhältnisse
Blumenbar Verlag, München 2005
ISBN 9783936738186
Gebunden, 320 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Die Verhältnisse in Berlin sind nicht nur extremer, sondern auch unübersichtlicher als im Rest der Republik. Eine muslimische Ladenbesitzerin plädiert für schnellen Sex im Treppenhaus. Ein Immobilienspekulant schimpft über den Kapitalismus. Eine Aussteigerin macht sich Sorgen um die Zukunft ihres jüngsten Sohns. Der heißt Mario, ist Anfang dreißig und lebt in einer WG in der Adalbertstraße. Eines Tages tauchen die Rumänen auf: mittellose und seit kurzem auch wohnungslose Bauarbeiter vom Potsdamer Platz, die vergeblich auf ihre Löhne warten. Als einstige Nachbarn genießen sie bis auf weiteres Asylrecht in der WG-Küche. Doch weil Mario die fettigen Pfannengerichte und das "Kusturica-Geklimper" aus dem Radio nicht mehr erträgt, fasst er mit seinen Mitbewohnern einen Beschluss. Sie werden den Freunden zur Seite springen - und das Geld für sie eintreiben. So wird aus der Wohngemeinschaft ein gefürchtetes Inkasso-Unternehmen für Einsätze aller Art.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 13.10.2005

Kai Wiegandt ist ein bisschen unentschieden. Eigentlich könnte er Raul Zeliks Roman "Berliner Verhältnisse" auch verreißen. Denn das Buch ist gerammelt voll von Klischees und Skurrilitäten. Nun sind es allerdings Berliner Klischees und Skurrilitäten ... also schmunzelt Wiegandt dann doch über die Witze, die sich nach der Devise: "Am besten jedes Wort ein Witz" über die 318 Seiten drängeln. Gedrängelt wird auch viel in der WG, die das Personal des Romans stellt. Der Plot: Mario, ein sympathischer Loser, gründet mit seinen Freunden eine Inkasso-Gesellschaft. Sie treiben für rumänische Bauarbeiter rückständige Lohnzahlungen bei Bauleitern ein. Das Geschäft boomt, die Freunde werden reich, die Freundschaft bleibt dabei leider ebenso auf der Strecke wie die Ideale der Jugend. In Gestalt von Marios Bruder Wolfgang hält auch das Böse in den Roman Einzug. Trotzdem und trotz der Gattungsbezeichnung "Unterschichtenroman" kann man nicht von einem politischen Werk sprechen, befindet der Rezensent. Neben der Maxime der Witz-Maximierung betreibt Zelik nach Auskunft Wiegandts sein Metier auch nach Maßgabe des Prinzips: Wo Chaos ist, kann noch mehr Chaos sein. So geht es wild und klischeelastig drunter und drüber in der WG. Aber wie gesagt. Am Ende hat Wiegandt sich, vor die Wahl gestellt zwischen Meckern und Schmunzeln, doch immer für das Schmunzeln entschieden. Es sind ja Berliner Klischees.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.09.2005

Oliver Jungen fragt sich zunächst, warum Raul Zelik hier ein weiteres Mal, eine "Ewigkeit" nach Wladimir Kaminers "Russendisko" und Sven Regeners "Herr Lehmann", einen "Berlin-Roman von unten" vorlegt. In seinem Buch um den "schluffigen Helden" Mario jedenfalls, der mit seinen Kreuzberger WG-Mitbewohnern ins Inkassogeschäft einsteigt, ist sprachlich oder literarisch kaum Neues zu finden, so der Rezensent wenig beeindruckt. Ihm sind die "Späßchen-Verkettung" und die pointenreichen Dialoge auf Dauer eher lästig und auch der "lapidare" Sprachstil Zeliks kann ihn, nicht zuletzt, weil dergleichen "längst üblich" ist, nicht begeistern. Allein die politische Dimension des Romans, die, wie der Rezensent meint, erst durch die anderen Veröffentlichungen Zeliks richtig Kontur gewinnt, nämlich die Analyse der "Berliner Verhältnisse", findet Jungen in diesem Buch von Belang. Hier ist der Roman durchaus "sympathisch, beinahe revoluzzerisch", wird aber durch die allzu humoreske und damit zu kurz greifende "Einlinigkeit" des Textes untergraben, wie der Rezensent bedauert. Er vermutet, dass dieses als "Seitenstück" zu einem Drehbuch entstandener Roman auf seine "brachial lustige Verfilmung" wohl nicht lange warten muss.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 27.08.2005

Die Rezensentin Nora Sdun fühlt sich gut unterhalten von diesem neuen Romans von Raul Zelik. Dessen Titel "Berliner Verhältnisses" ist ihrer Meinung ganz schön nach irreführend, denn die unterhaltsame Groteske "hat nichts zu tun mit der gängigen Fremdenverkehrsrhetorik rund um die feiste Mitte Berlins" zu tun. Zelik hat diesmal einen anderen Ansatz gewählt: nämlich den der witzigen, dem Stilmittel der Übertreibung nicht abgeneigten Groteske, die die Rezensentin dazu bringt "kreischend nach Luft zu schnappen". Besagte Groteske ziehe der Autor als Verwechslungskomödie auf und setze damit nach Sduns Meinung "dem sauertöpfischen Widerstandsaktivismus eine unsinnige, ungemein kleidsame Kappe auf."