Raphaela Edelbauer

Die Inkommensurablen

Roman
Cover: Die Inkommensurablen
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2023
ISBN 9783608986471
Gebunden, 352 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Wien, Zentrum der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, steht Kopf. Noch sechsunddreißig Stunden, dann läuft das deutsche Ultimatum ab. Die Stadt ist ein reißender Strom, in allen Straßen bricht sich die Kriegsbegeisterung der jungen Generation bahn. Mitten in diesen Taumel gerät Hans, ein Pferdeknecht aus Tirol, der sich auf den Weg in die Metropole gemacht hat, um die Psychoanalytikerin Helene Cheresch aufzusuchen. Dort angekommen trifft er auf Adam, einen musisch begabten Adligen, und Klara, die sich als eine der ersten Frauen an der Universität Wien im Fach Mathematik promovieren wird. Gemeinsam verbringen die drei jungen Menschen den letzten Abend vor der Mobilmachung - in einer Stadt, die sich ihrem Zugriff mehr und mehr zu entziehen droht.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.02.2023

Dieses Buch treibt die "professionelle Kritik in den Wahnsinn", lobt Rezensent Paul Jandl den Roman von Raphaela Edelbauer, der von den Stunden zwischen Frieden und Kriegsbeginn 1914 handelt. Die Protagonisten seien ein "Trio infernale der Sonderbegabung", schreibt der Rezensent, und freut sich über dieses literarische "Monument des Zungezeigens und der hinterlistigen Nonchalance", das sich bereits im Titel des Buchs andeute. Die österreichische Autorin schaffe es, die Atmosphäre des nachtbesoffenen Wien mit einer Wissenschaftlerin, einem Adligen und einem belesenen Landei fulminant zu beschreiben. Ihre "Kunstsprache", merkt Jandl dabei warnend und zugleich begeistert an, sei einmal mehr nichts für Warmduscher. Mit großer Kompetenz lehne sich Edelbauer an die großen Österreicher der bröselnden Monarchie, in gleichem Maße witzig wie ernsthaft. Sehr schön sei es, so Jandl, sich mit diesem verpixelten Gesellschaftsroman zu fühlen, als schaue man einen Sissi-Film auf Drogen.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 09.02.2023

Wortwörtlich am Vorabend des Ersten Weltkriegs kommt der junge Tiroler Hans nach Wien, das die Autorin Raphaela Edelbauer fast manisch literarisch erschreibt, und wird dort Teil eines Freundeskreises, der sich die eine Nacht, die diese Geschichte nur umfasst, in Diskussionen versenkt, skizziert Rezensent Florian Eichel den Ausgangspunkt des Romans "Die Inkommensurablen." Vom neuen Zeitalter und dem kollektiven Bewusstsein einer wilden Epoche schreibt die Autorin manchmal etwas zu gestelzt, zu konstruiert, befindet der Rezensent, das kann seine Freude an einem großen 1914er-Wien-Panorama aber nur geringfügig trüben.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.02.2023

Anhand der Geschichte eines einzigen Tages demonstriert Raphaela Edelbauer nicht nur, wie schlafwandlerisch Europa in den ersten Weltkrieg getaumelt ist, sondern auch, wie die Probleme und Gedanken einer jungen Dreiergruppe des Sommers 1914 auch heute noch gegenwärtig sind, staunt Rezensent Andreas Platthaus. Er deckt literarische Vorbilder der Autorin von Robert Musil bis Arthur Schnitzler auf, versichert aber, Edelbauer finde einen ganz eigenen, zeitlosen Stil, um die titelgebenden "Inkommensurablen" anhand eines Vergleiches mit irrationalen Zahlen zu erklären: Die Figuren Hans, Klara und Adam sind inkommensurabel in ihrem Verhältnis zur Gesellschaft, aber auch als Dreiergruppe fehlt ihnen der "gemeinsame Teiler". Zwischen historischen und persönlichen Abgründen bewegt sich der Roman und ist dabei höchst suggestiv, schließt der begeisterte Platthaus.
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 02.02.2023

Für den Rezensenten Günter Kaindlstorfer ist Raphaela Edelbauers Roman über Wien am Vorabend des Ersten Weltkrieges ein "famoses", ja sogar "ein großes" Buch. Nach einem klassischen Beginn so der Kritiker, wird die Erzählung zum "traumnovellenartigen Trip", den die drei Protagonisten, offenbar gut versorgt mit Morphium, ins Milieu der Schwulen, Lesben und Spiritistinnen antreten. Dagegen geschnitten ist die Kriegstreiberstimmung in der Stadt, so Kaindlstorfer, der sich aber vor allem freut, Einblick ins "queere, späthabsburgische Wien" zu erhalten. Den Stil der Autorin lobt der Kritiker als "klar und farbig" und er bewundert, wie kunstfertig sie zwischen verschiedenen Genres balanciert. Bei all diesen positiven Punkten lässt der Kritiker der Autorin kleine Anachronismen in der Erzählung wohlwollend durchgehen.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 17.01.2023

Rezensentin Judith von Sternburg ist angenehm überrascht von Raphaela Edelbauers historischem Roman über den Ersten Weltkrieg. Edelbauers Ansatz, 24 Stunden aus dem Leben dreier Teenager im Wien des Jahres 1914 zu erzählen und anhand einer Psychoanalytikerin eine Traumwirklichkeit in die Handlung einzuziehen, hält Sternburg für kühn, raffiniert und durchaus tragfähig. "Große Gespräche", historische Exkurse und eine soghafte Geschichte ergeben für Sternburg zusammen mit der Traumebene eine tatsächlich erstaunliche Lektüreerfahrung.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 17.01.2023

Der Vergleich mit Musils "Mann ohne Eigenschaften" ist von Raphaela Edelbauer bereits im Roman angelegt, aber sie hält ihm stand, versichert Rezensent Helmut Böttiger. Die österreichische Autorin erzählt ihm hier fesselnd und detailversessen vom Bauernknecht Hans, der am Tag der deutschen Kriegserklärung im Jahr 1914 nach Wien aufbricht, dort eine Psychoanalytikerin aufsuchen möchte, aber die nächsten 24 Stunden zunächst mit der mysteriösen Klara und dem Aristokratensohn Adam verbringt. Die drei Helden treiben gemeinsam durch jenen Tag der Kriegsbegeisterung, Edelbauer balanciert entlang der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, flicht historische und mathematische Exkurse ebenso wie scharfe Dialoge, satirische Elemente, Thriller-Momente und Schönberg-Quartette ein, staunt Böttiger: Edelbauer ist eine meisterhafte "Diskurs-Jongleurin", meint er. Vor allem aber bewundert der Kritiker, wie es der Autorin gelingt, geradezu beiläufig - und mit heutigem "Erkenntnisinteresse" die Manipulation der Massen zu thematisieren.
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