Petra Gerster, Christian Nürnberger

Der Erziehungsnotstand

Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten
Cover: Der Erziehungsnotstand
Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2001
ISBN 9783871344336
Gebunden, 283 Seiten, 19,89 EUR

Klappentext

Wenn in Deutschland über den erschreckenden Zustand von Schule und Allgemeinbildung geklagt wird, führen meist Manager und Personalchefs das Wort. Die Industrie fordert: Lehrer in die Wirtschaft! Schulen ans Netz! Das Lernziel lautet: Wettbewerbsfähigkeit. Die Bedürfnisse von Kindern, Eltern, Lehrern und Erziehern spielen dabei keine Rolle. Denn die eigentlichen Probleme in den Schulen werden durch Internet-Anschlüsse nicht gelöst: Unterrichtsausfall, fehlende Bildung, Verhaltensstörungen, Mobbing und Drogen. Die Ursache ist vor allem Mangel an Erziehung. Viele Eltern können oder wollen ihre Kinder nicht erziehen, und die Schulen sind nicht in der Lage, das Versäumte nachzuholen. Es herrscht Erziehungsnotstand.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 11.10.2001

Anschaulich findet Rezensentin Roswitha Budeus-Budde, was die beiden Autoren da zuwege gebracht haben, allerdings sieht sie in dem Buch zugleich bestätigt, "wie weit im Erziehungsalltag Praxis und Theorie auseinander klaffen." Über das Überangebot der elektronischen Medien und ein marodes Schulsystem zu schimpfen, ist für sie eine Sache, eine andere wäre, umsetzbare Gegenkonzepte zu entwerfen. Daran aber hapert es hier ganz offensichtlich. Wenn die Rezensentin hinter einem Vorschlag zur Reform des Schulsystems die Gefahr einer Art "Schulfeudalismus" wittert oder an der Zeitgemäßheit der von den Autoren propagierten humboldtschen Erziehungsidealen zweifelt, wird ein konsensorientierter Hang des Ganzen zu "griffigen Resümees" und "intellektuellen Schnellschüssen" nur zu deutlich.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 11.10.2001

Die "heute"-Moderatorin Petra Gerster und ihr Ehemann, der Autor Christian Nürnberger, fordern in ihrem Erziehungsratgeber eine starke Rückbesinnung auf die Sekundärtugenden, beklagen das Erbe der antiautoritären Erziehung, reden von Grenzen und der starken Hand und geben laut Rezensentin Barbara Sichtermann recht restaurative Tipps für die Erziehung braver "bitte-danke-Kinder", deren Wurzeln die Rezensentin im 19. Jahrhundert verortet. Sichtermann hat nichts gegen die guten Absichten der Autoren, doch deren Vorschläge zur pädagogischen Bewältigung der Spätmoderne hält sie für deutlich rückwärtsgewandt - was das Problem nicht löst, sondern lediglich mit einer neuen Facette versieht.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 10.10.2001

Nicht wirklich aufschlussreich findet Barbara Dribbusch diese beiden Bücher, die sich mit Erziehung beschäftigen und mit der Frage, wie sich das gesellschaftliche Wertesystem auf Kinder auswirkt: Die pessimistische Diagnose "ist weder neu noch aktuell" - auch wenn die Autoren nach Meinung der Rezensentin mit ihrem Lamento im Trend liegen.
1) Gerster/Nürnberger: "Der Erziehungsnotstand"
Der Argumentation der beiden Autoren läuft nach Dribbuschs Meinung entlang der Linien "relativ aktueller Kulturkritik". Die Kritik richte sich gegen die "Ökonomisierung des Wissenserwerbs" und gegen die Omnipräsenz der elektronischen Medien. Ziel von Bildung muss es nach Meinung der Autoren sein, sich in andere Welten hineinversetzen zu können, und dieses Element fehle in der heutigen Erziehung. Dribbusch merkt etwas mokant an, dass Gerster einerseits Nachrichtensprecherin des ZDF ist und andererseits gerade gegen die elektronischen Medien wie das Internet plädiere: "Und Fernsehleuten glauben viele Menschen so einiges."
2) Susanne Gaschke: "Die Erziehungskatastrophe"
Eine aus Dribbuschs Sicht noch abwegigere Position vertritt Susanne Gaschke: Sie mache das pädagogische Erbe der 68er und deren "vermeintliche Kumpelpädagogik" für den Bildungsverfall verantwortlich. Diesen Vorwurf findet Dribbusch wenig substanziell: "Gaschke wollte mit dieser Schuldzuweisung provozieren - aber das Verhalten ist zu durchsichtig". Was Dribbusch an beiden Büchern vermisst, ist, dass die Erziehungsproblematik nicht im Zusammenhang mit "Schicht und Klasse" diskutiert wird. Diese sozialen und ökonomischen Faktoren sind ihrer Meinung nach ein wesentlicher Faktor des "vermeintlichen Erziehungselends", und mit deren Nichterwähnung lägen die Autoren eben auch im Trend.