Peter-Andre Alt

Sigmund Freud

Der Arzt der Moderne
Cover: Sigmund Freud
C.H. Beck Verlag, München 2016
ISBN 9783406696886
Gebunden, 1036 Seiten, 34,95 EUR

Klappentext

Wien im sinkenden 19. Jahrhundert: Eine bessere Kulisse für die Seelenleiden des modernen Menschen, für seine Existenzlügen und zerbrechenden Selbstbilder, als die prachtvoll morbide Hauptstadt des k.u.k.-Reiches ist kaum vorstellbar. Hier arbeitet der Nervenarzt Sigmund Freud an seinen bahnbrechenden Theorien zu Sexualität und Neurose, Traum und Unbewusstem, Familie und Gesellschaft, Märchen und Mythos. Peter-André Alt erzählt von der Bewegung der Psychoanalyse, ihrem Siegeszug und ihren Niederlagen, und er portraitiert Freud als selbstkritischen Dogmatiker und wissenschaftlichen Eroberer, als jüdischen Atheisten und leidenschaftlichen Familienvater, als eminent gebildeten Leser und großen Schriftsteller, nicht zuletzt als einen Zerrissenen, der die Nöte der Seele, von denen die Psychoanalyse befreien sollte, selbst aus dunkler Erfahrung kannte.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.12.2016

Rezensent Volker Breidecker holt weit aus, greift tief in die unerforschte Kindheit des Psychologen Sigmund Freud hinein, um deutlich zu machen, worin der essentielle Fehler der neuen Freud-Biografie Peter-André Alts besteht: Er marginalisiert die Bedeutung von Freuds Kindheits- und Jugendjahren und nicht nur das, auch die Praxis des Arztes findet zu wenig Beachtung, meint Breidecker: Kernproblem des Biografen sei ganz offensichtlich die Quellenkritik. Ohne zu hinterfragen stützt sich Alt auf Freuds Selbstaussagen und geht damit dem "hochgradig kontrollierten Selbstbild des Gelehrten" auf den Leim, kritisiert der Rezensent, der auch Alts Blick auf Freuds vermeintlich selbst aufoktroyierte Enthaltsamkeit nicht nachvollziehen kann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 07.12.2016

Unterhaltsame Details, viel Klatsch und Tratsch und einige schwächelnde Deutungen - mehr neues kann Rezensentin Andrea Rödig der Freud-Biografie von Peter-André Alt nicht entnehmen. Warum er sich nach seinen zahlreichen Vorgängern all die Mühe gemacht hat, sein durchaus beeindruckend umfangreiches Material zusammenzutragen und auszuwerten, bleibt ihr nach der Lektüre schleierhaft. "Küchenpsychologie" nennt sie Alts Kernthese, laut der Freud seine Trieblehre nur deshalb entwickeln konnte, weil er sich selbst die Erfüllung aller sexuellen Triebe untersagte. Genau wie seine Thesen sei auch Alts "süffiger Stil" nicht wirklich präzise, vieles bleibe im Unklaren, in verschwommene Phrasen gehüllt. Loben muss sie bei aller Kritik allerdings den Unterhaltungsfaktor des 1,3 kg schweren Wälzers, der sich fast wie ein Roman lese.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 18.10.2016

Freuds Sexualtheorie, ja sein gesamtes Werk - nur die Sublimierung der eigenen unbefriedigten Libido? Das ist Rezensentin Tania Martini dann doch etwas zu abenteuerlich. Seine Mutmaßungen kann Autor Peter-André Alt leider weder belegen noch erscheinen sie besonders plausibel, ärgert sich Martini über Alts Versuch, den großen Psychanalytiker zu analysieren. "Elegant geschrieben" und gespickt mit unterhaltsamen Verweisen und Schwenken ist diese Biografie schon, räumt sie ein, doch damit hat es sich für sie: Kein neues Material, keine erhellenden Einsichten und jede Menge Widersprüche, lautet das vernichtende Urteil Martinis.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.10.2016

Große Freud-Biografien gibt es zur Genüge, eine Hand voll neuer Details allerdings auch und eben jene möchte der Literaturwissenschaftler Peter-André Alt in seiner neuen Studie auswerten, informiert Ulrike May. Das Buch liest sich dank kluger Konstruktion auch gut, gesteht die Kritikerin auch zu. Aber das war's es für sie dann auch, denn was Alt über Freuds Sexualität behauptet - er habe sexuell enthaltsam gelebt, seine Sexualtheorie sei in Folge Ergebnis einer einzigen Sublimierung - findet die Rezensentin mangels Belege schlicht haltlos. Dass sich der Autor darüber hinaus primär auf Freuds Privatleben konzentriert, Forschungsliteratur eher peripher behandelt, einige neben anderen Fehlern auch noch terminologische Mängel aufweist, findet die Kritikerin so ärgerlich, dass sie von diesem Buch lieber abrät.
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Rezensionsnotiz zu Die Welt, 15.10.2016

Alan Posener kann mit Peter-André Alts gut 1000-seitiger Freud-Biografie nichts anfangen. Umständlich findet er sie, hagiografisch gar. Kritik an Freud, dessen gröbste Sünden - vor allem gegen Frauen - Posener kurz skizziert, käme Alt gar nicht in den Sinn, aber das, scheint Posener zu denken, kann man von einem Germanisten, der womöglich noch unter dem Einfluss Lacans stehe, nicht erwarten. Informativer fand Posener da schon den nur 160 Seiten langen Band Roberto Zapperis zu Freud und Mussolini. Freud hatte dem Duce über Dritte ein Buch mit einer Widmung überreichen lassen, die in dem Diktator einen "Kultur-Heros" erkennt. Für Posener ist das ein Ausweis für Freuds Erkenntnis, dass Mussolini kein Hitler war, sondern vielleicht der einzige, der Hitler aufhalten könne. Ob er diese Erkenntnis aus dem Buch Zapperis hat, teilt er uns nicht mit.