Patrick Bahners, Gerd Roellecke (Hg.)

Preußische Stile

Ein Staat als Kunststück
Cover: Preußische Stile
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2001
ISBN 9783608942903
Gebunden, 560 Seiten, 30,17 EUR

Klappentext

Herausgegeben von Patrick Bahners und Gerd Roellecke. Mit Beiträgen von Dieter Bartetzko, Friedrich Dieckmann, Florian Illies, Walter Jaeschke, Andreas Platthaus, Johannes Saltzwedel, Wolfgang Schuller, Wolfgang Stribrny, Gerrit Walther u.a. Die Autoren dieses Bandes stellen Preußen in Politik, Religion, Recht, Kunst und Wissenschaft umfassend dar. Der preußische Staat war nicht immer schon dagewesen. Was zu sehen war, illustrierte dann allerdings die Devise: Mehr sein als scheinen. Der Widerspruch der ehrgeizigen Bescheidenheit, der Selbstauslöschung als Selbstdarstellung, prägte die Worte von bedeutenden Monarchen und den großen Staatsmännern ebenso wie die bleibenden Werke von Dichtern und Gelehrten. Immer den Blick auf unsere Gegenwart gerichtet, führen die Autoren Politikgeschichte und Kulturgeschichte zusammen. Dabei erweist sich: Wir fügen uns auch heute ? vielleicht ohne es zu merken ? immer noch einem preußischen Stil.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 10.11.2001

Die meisten Publikationen anlässlich des Preußenjahres haben bei Hans-Albrecht Koch den schalen Eindruck der Beliebigkeit hinterlassen. Sie seien brav, diffus und werfen nur selten einen neuen Blicke auf die Kultur, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Preußen, klagt der Rezensent. Aber immerhin hat er in der Flut der Publikationen dann doch noch vier Bände entdeckt, die seine Enttäuschung manchmal in helle Lesefreude verwandelt haben.
1) Julius Schoeps: "Preußen. Geschichte eines Mythos"
Reich bebildert und zugleich belehrend findet Koch den Sammelband des Potsdamer Historikers Julius Schoeps. Der Rezensent hält seine Kritik daran sehr knapp, wenngleich er sich trotzdem gewünscht hätte, Schoeps hätte es verstanden, den Band ganz alleine zu verfassen. Schade, meint Koch, eine historische Gesamtdarstellung aus nur einer Feder ist auch dieser Sammelband nicht geworden.
2) Eberhard Straub: "Eine kleine Geschichte Preußens"
Der Band ist instruktiv und dabei in einer lockeren Sprache geschrieben, lobt Koch. Aber der Umfang gibt zum Bedauern des Rezensenten nicht mehr her, als eine wie im Titel angekündigte wirklich nur kleine Geschichte Preußens zu sein. Immerhin aber versteht es Straub, erkennt der Rezensent an, schwierige Inhalte knapp auf den Punkt zu bringen. Der Autor hat lange, weiß der Rezensent, Pressearbeit für den Stifterverband der Deutschen Wissenschaft verrichtet und wohl gerade da gelernt, mutmaßt Koch, große Stoffmengen geschickt in kleine Portionen einzuteilen. Das Buch empfiehlt Koch auch den wirklich Gestressten: jeden Abend ein Kapitel, und in vierzehn Tagen ist die Geschichte Preußens verinnerlicht. Das sei dem Autor vorzüglich gelungen, und Richtiges und Wichtiges habe er vortrefflich mit "Überpointierungen" hervorgehoben. Auf einen wissenschaftlichen Apparat muss der Leser allerdings verzichten. Kürze hat auch ihren Preis, so Koch.
3) Bernhard Ruetz: "Der preußische Konservatismus im Kampf gegen Einheit und Freiheit"
Wenn man es zulassen kann, Preußen nicht unter dem Aspekt der Kontinuität und des Scheiterns von Liberalismus und Konservatismus zu betrachten, kann man dem Buch von Bernhard Ruetz viele interessante neue Sichtweisen abgewinnen, behauptet Koch. Denn dann nimmt der Leser das politisch-soziale und ökonomische Spannungsverhältnis im Kaiserreich wahr, referiert der Rezensent. Die Abhandlung über Konservatismus und Liberalismus als Verfassungsbewegungen, klar und begriffsscharf geschrieben, hat Koch die Augen geöffnet für einen differenzierteren Blick auf die Stände- und die Staatsbürgergesellschaft, die am Ende die konservativen Kräfte besiegt habe.
4) Patrick Bahners / Gerd Roellecke (Hrsg.): "Preußische Stile. Ein Staat als Kunststück"
Von einem preußischen Stil kann man nur im Plural reden, das verdeutlicht allein nur ein Spaziergang durch Berlin, weiß der Rezensent. Und so haben die Autoren, für Koch zu Recht, ihren Sammelband nach verschiedenen Themen sortiert, die sie allesamt im Plural halten, seien es Traditionen, Visionen, Konstitutionen oder Reformationen, berichtet der Rezensent. Das Buch wendet sich nicht an die Leser, die allein an Geschichte interessiert sind, warnt Koch. Es ist anspruchsvoll, unkonventionell und weitläufig. Dem Rezensenten ist aber gerade diese Herangehensweise besonders gut bekommen, wird er nicht müde zu betonen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 21.07.2001

Dass sich die Herausgeber des Bandes ("ein Youngster und ein Emeritus") der allgemein vorherrschenden Meinung, Preußen sei nicht mehr zu denken, zum Trotz auf die Suche nach einem preußischen Stil begeben haben, lässt den Rezensenten seinerseits ziemlich kalt. In den 28 versammelten Texten, die, wie Norbert Seitz in seiner Besprechung anmerkt, den Bogen schlagen von "dignitätspolitischen" Inszenierungszwängen über Reform- und Verfassungsgeschichten bis hin zu preußischen Visionen, findet er "viel Kurfürstliches und erhaben Fritzisches ... dafür wenig Wilhelm." In Teilen überdies beweist ihm der Band einmal mehr, "dass Historie zur Folklore wird, wo Geschichtsbewusstsein keiner soliden Erinnerung mehr entspringt." Alles andere als eine Gratulation also.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 22.01.2001

Bevor er sich drei neuen Büchern über Preußen zuwendet, warnt Rezensent Thomas Krüger die "Berliner Republik" erst mal davor, auf der Suche nach "Legitimation" allzusehr auf Preußen zu schielen. Der Mythos von Preußen als "Hort der Aufklärung" ist nämlich nach Krügers Ansicht wenig begründet. Die drei vorgestellten Bücher kann er daher durch die Bank empfehlen, weil keines am Mythos weiterstrickt.
1) Julius Schoeps (Hrsg.): "Preußen. Geschichte eines Mythos"
Der Band ist "vorzüglich bebildert, sehr sachlich geschrieben und klar gegliedert", lobt Krüger. So hebe ein Beitrag das demokratische Preußen hervor - für Krüger ist das vor allem die Zeit zwischen 1920 und 1932, in der fast ununterbrochen eine sozialdemokratisch-liberale Koalition den Staat regieren. Andere Beiträge beschreiben dagegen das "reaktionäre" Preußen. Krüger verweist hier besonders auf einen Aufsatz von Jürgen Luh, der die Reformjahre von 1806-12 behandelt und schon in dieser Zeit eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit feststellt. Alles in allem bemühen sich von Julius H. Schoeps versammelten Aufsätze, "Preußens Geschichte aus ihrer Legendenverstrickung herauszulösen", resümeriert Krüger.
2) Bahners/Roellecke (Hrsg.): "Preußische Stile"
Dieses Buch ist mit seinen 28 Aufsätzen, Essays und Reflexionen ist doppelt so dick, und die Autoren, dem postmodernistischen "schaun mer mal" zugeneigt, sorgen dafür, dass jedes denkbare Interessengebiet berührt wird, schreibt Krüger durchaus nicht unfreundlich. Es sei aber auch ein Buch über ein Deutschland, "das sich als wiederauferstanden begreift" und nach seinen "Substanzen" sucht - Beamtenstaat, multikulturelle Tradition (`Jedem das Seine`) oder auch Pressefreiheit. Die Auffassungen gehen dabei weit auseinander, schreibt Krüger. Während der eine Autor die deutsche Beteiligung an der Bombardierung Jugoslawiens in der Tradition einer Politik sieht, die ohne Not den deutsch-französischen Krieg vom Zaun gebrochen hat, sehe ein anderer Autor Preußen als Bollwerk gegen "kommunistische Barbarei". Da wundert es nicht, wenn Krüger als einzigen Nachteil des Buchs die "disparat nebeneinanderstehenden" Standpunkte ausmacht.
3) Günter de Bruyn: "Preußens Luise"
Dieses Buch gefällt Krüger vielleicht am besten. Ein "unprätenziöser Essay" sei das, der zugleich mit der Biografie Luises ein Porträt jener Kräfte zeichne, "die Preußen konstituieren". Dass de Bruyn das Bild von der progressiven, mitfühlenden Preußenkönigin als Mythos entlarvt, findet Krügers uneingeschränkte Zustimmung. Leser, die de Bruyn jetzt für einen Spielverderber halten, tröstet Krüger mit dem versöhnlichen Satz des Autors: `Wir können uns für aufgeklärt und immunisiert halten - dabei aber genauso wenig wie jene, die wir belächeln, wissen, dass die Entlarvung von Mythen nicht deren Ende, sondern nur ihren Wechsel bringt.`