Navid Kermani

Über den Zufall

Jean Paul, Hölderlin und der Roman, den ich schreibe. Frankfurter Poetikvorlesungen
Cover: Über den Zufall
Carl Hanser Verlag, München 2012
ISBN 9783446239937
Kartoniert, 224 Seiten, 17,90 EUR

Klappentext

Am Donnerstag, dem 8. Juni 2006, 11:23 Uhr, beginnt Navid Kermani seinen Roman "Dein Name". Im Sommer 2010, als er sich langsam dem Abschluss nähert, übernimmt Kermani die berühmte Frankfurter Poetikdozentur. Sein Vorlesungszyklus "Jean Paul, Hölderlin und der Roman, den ich schreibe" ist eine Reise durch die Geschichte der Literatur in Deutschland und durch die Arbeit eines heutigen Autors. Der deutsch-iranische Schriftsteller beschreibt die Grundlagen und Prinzipien seines Schreibens und entwickelt eine ganz persönliche Interpretation zweier deutscher Klassiker, die dabei zu etwas ganz anderem werden: zu aufregenden Zeitgenossen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 30.11.2012

Hannelore Schlaffer findet es eigentlich unangemessen, Autoren auch noch jene Aufgaben zuzuschanzen, die früher Literaturkritiker und -wissenschaftler ausfüllen sollten: das theoretische Reflektieren auf die spezifische Poetik eines Autors oder Werks. Kermani schafft in seiner Frankfurter Poetikvorlesungaber den Balanceakt, sich nicht an das theoretische Ergründen seines eigenen Schaffens zu verlieren, er bleibt Autor, er bleibt Künstler, verspricht Schlaffer. In seinen Vorlesungen, die unter dem Titel "Über den Zufall" erschienen sind, stellt er sich in die Tradition von Hölderlin und Jean Paul. Den zentralen Kern eines Romans sieht Kermani in seiner Welthaltigkeit, berichtet die Rezensentin. Die Gemeinsamkeiten von Hölderlin und Jean Paul sieht er in der Art, wie sie sich an die Wirklichkeit annähern, der Wirklichkeit "in ihrer Unordnung, der Gleichzeitigkeit und Gleichgültigkeit der Wahrnehmung", zitiert ihn Schlaffer. Auch Jean Paul dachte als Autor über Autor-sein nach - und mit Phrasen wie "ich reflektiere auf das Reflektieren auf die Reflexion einer Reflexion über eine Bürste" - selbstironisch wiederum über sein Nachdenken über sein Autor-sein, weiß Hannelore Schlaffer.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.10.2012

Navid Kermanis Frankfurter Poetik-Vorlesungen sind nun als eigenständiges Buch erschienen, berichtet Rezensent Manfred Koch. Auch wenn die Texte, die sich mit Hölderlin, Jean Paul und insbesondere Kermanis eigenem Roman "Dein Name" auseinandersetzen, dem Kritiker als Rechtfertigung des Autors im Hinblick auf die zahlreichen kritischen Stimmen zu seinem "uferlosen" Roman erscheint, findet er dieses Buch durchaus lesenswert. Denn hier begründe Kermani seine Erzähltheorie, in deren Folge er in seinem 2011 erschienen Roman "Dein Name" alles auflistete, was ihm zwischen Juni 2006 und Juni 2011 begegnete, mit dem Verweis auf die Poetik Jean Pauls und Hölderlins. Den Bezug zu Jean Paul kann der Rezensent durchaus nachvollziehen, immerhin gelte der Schriftsteller als Begründer des "Romans aus Abschweifungen". Noch interessanter findet Koch allerdings den Verweis auf Hölderlin: Mit viel Humor schildere Kermani, wie die Lektüre der großen Frankfurter Hölderlin-Edition, in der "erhabenste Lyrik" neben einer Sockenrechnung stehen könne - ihn zu seinem literarischen Projekt einer "littérature vérité"veranlasste.