Melinda Nadj Abonji

Tauben fliegen auf

Roman
Cover: Tauben fliegen auf
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2010
ISBN 9783902497789
Gebunden, 304 Seiten, 22,00 EUR

Klappentext

Zuhause ist die Familie Kocsis also in der Schweiz, aber es ist ein schwieriges Zuhause, von Heimat gar nicht zu reden, obwohl sie doch die Cafeteria betreiben und obwohl die Kinder dort aufgewachsen sind. Die Eltern haben es immerhin geschafft, aber die Schweiz schafft manchmal die Töchter, Ildiko vor allem, sie sind zwar dort angekommen, aber nicht immer angenommen. Es genügt schon, den Streitigkeiten ihrer Angestellten aus den verschiedenen ehemals jugoslawischen Republiken zuzuhören, um sich nicht mehr zu wundern über ein seltsames Europa, das einander nicht wahrnehmen will. Bleiben da wirklich nur die Liebe und der Rückzug ins angeblich private Leben?

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 06.10.2010

Rezensentin Susanne Messmer gefällt der Roman, der gerade mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Autorin Melinda Nadj Abonji, besonders angetan hat es ihr die Sprache. Diese sieht Messmer beeinflusst von Abonjis Erfahrungen als Spoken Word- und Slam Poetry-Performerin und wirkt dabei trotz verschachtelter Sätze nie "kompliziert oder verstiegen". Ein "rasantes Ganzes" ist die Sprache, und Messmer findet sie geradezu "perfekt" für die erzählte Geschichte. Doch auch die Themen, von denen die Autorin erzählt, das "mühsame Dazwischen" ihrer aus einer serbischen Provinz stammenden Familie nach der Immigration in die Schweiz, die "bleischwere Geschichte", die auf ihnen allen lastet, findet Messmer "toll".

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 05.10.2010

Karl-Markus Gauß hat der Roman der 1968 geborenen Schweizerin Melinda Nadj Abonji, der von der Sehnsucht nach dem "verwehten Glück" der Heimat und Kindheit handelt, ohne ins Idyllische abzugleiten, bezaubert. Die Autorin beschwört darin das Leben in der Vojvodina herauf, eine im heutigen Serbien gelegene autonome zentraleuropäische Region, von jeher Sammelbecken verschiedener Sprachen, Völker und Gerüche und aus eben diesen Gründen auch immer wieder Schauplatz kriegerischer Konflikte, wie sie unter anderem von Alexander Tisma und Danilo Kis für die Zeit des Nationalsozialismus beschrieben worden sind, so Gauß. Die Ich-Erzählerin Ildiko erlebt den zeitgenössichen Verlust der Heimat zweifach: Als junge Emigrantin und später als Schweizerin, die mit den aus der Vojvodina kommenden Kriegsflüchtlingen konfrontiert wird. Aus diesem Zwiespalt heraus entwickelt Nadj Abonji ein kritisches Bild des "Lebens zwischen zwei Welten", das der "deutschsprachigen Literatur neue Themen, Schauplätze und Klänge" hinzufügt, wie der Rezensent konstatiert.
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Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 02.10.2010

An diesem Buch findet Rezensentin Judith von Sternburg vieles erfreulich. Vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der die Autorin aus ihr nur zu vertrauten Lebensumständen gelungene, lesenswerte Literatur zu machen verstehe. Wie ihre Ich-Erzählerin Ildiko kam Melinda Nadj Abonji als Kind mit ihren Eltern aus Serbien (aus der ungarischsprachigen Vojvodina, genauer gesagt) in die Schweiz und ist nun, wie - nach zwei Anläufen die Eltern auch - Schweizerin. Warum das aber so einfach nicht ist mit dem Schweizerinsein, das schildere Abonji ebenso mit Detailkenntnis, Witz und sprachlicher Geschmeidigkeit wie ihren Abnabelungsprozess von den Eltern. Dies Buch, lobt von Sternburg, gibt Denkanstöße und stehe insgesamt sehr zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 02.10.2010

Gleich doppelt auf den Bestenlisten verzeichnet ist dieser Roman - der deutschen wie der Schweizer nämlich. Und zwar zu Recht, findet Rezensentin Sibylle Birrer, die darin die "zeitgemäße" Form, sich literarisch mit dem Thema der inneren Immigration zu befassen, erkennt. Biografisch nah steht die Ich-Erzählerin Ildiko der Autorin, beide befinden sich als Schweizerin in der Schweiz vor vojvodina-serbischem Migrationshintergrund. Ildiko hält dabei den Blick sowohl auf die stets etwas prekäre Nationalzugehörigkeit ihrer Gegenwart wie in Rückblenden auch auf die Vergangenheit, die mal idyllisch scheint, mal aber auch als brutales Leben in der Tito-Diktatur dargestellt wird.  Nicht nur die brennend aktuellen Themen machen das Buch so spannend, lobt die Rezensentin, sondern auch der "Beat" und die "Melodik" der "Sprachperformerin" Abonji.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 30.09.2010

"Sympathische Unreife" bescheinigt Rezensentin Iris Radisch diesem Roman. Seine jugendliche Protagonistin pflüge sich mit ihren tastenden wie atemlosen Endlossätzen durch eine unbekannte Umwelt, und erzähle eine "mustergültige Einbürgerungs- und Erfolgsgeschichte", die aus Rezensentinnensicht. Eltern und Tochter kommen nach dem Zusammenbruch des Ostblocks aus Serbien in die Schweiz, arbeiten fleißig und bringen es zu einem eigenen Cafe. Gegen diese Integration durch "Überanpassung" setzt Abonji eine kunterbunte Kinderbalkanwelt, wo alles so schön wäre, wenn nicht ständig geschossen werden würde. Diese naiv-herzigen Postkartenansichten der alten Heimat freilich gehen der Kritikerin auch ein wenig auf die Nerven. Die um Originalität bemühte Teenagersprache scheinbar auch. Insgesamt lobt sie aber die "Frische" dieses Debütromans.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.09.2010

Dieser Roman steht zu Recht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises, meint Andrea Diener. Schon die ersten Sätze von Melinda Nadj Abonjis Geschichte aus Serbien, Ungarn und der Schweiz, von Familienfesten, Sommerdatsche und dem Einbruch des Krieges, nehmen sie gefangen. Die Sprache klangvoll, malerisch, die Figurenzeichnung, bei aller Kompliziertheit der dargestellten inneren und äußeren Konflikte, lassen die Rezensentin umstandslos am Schicksal der Personen, ihrer Sehnsucht und ihrer Hilflosigkeit teilnehmen. Und dann kommt der Text mit einer Direktheit daher, die nichts verharmlost, so dass Diener erkennt: Krieg ist Krieg. Und dies ein sehr gelungener Roman.
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