Marlene Streeruwitz

Morire in Levitate

Novelle
Cover: Morire in Levitate
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2004
ISBN 9783100744296
Gebunden, 96 Seiten, 18,00 EUR

Klappentext

Geraldine geht zum See. Der Weg ist vereist, der kalte Wind treibt sie an. Sie braucht die Weite um sich und über sich, Geraldine muss überlegen, wie sie sterben wird. Soll sie so alt werden wollen, wie die Frau Doktor im Altersheim, der sie vorgelesen hat. Was bedeutet es, so alt zu werden und diesen kleinen Unwürdigkeiten ausgesetzt zu sein. Soll sie weitere 40 Jahre darüber nachdenken, warum sie nun nicht als Sängerin aufgetreten ist. Warum sie in nichts anderem erfolgreich war. Warum sie die Männer, die sie liebten, nur verächtlich behandeln konnte. Und was der Großvater damit zu tun hatte. Wie starben die Täterenkel. Starb mit denen die Geschichte endlich endgültig. Und würde sie überhaupt sterben können, wenn sie doch gar nicht gelebt hatte.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 06.01.2005

Gern gelesen hat Rezensent Günther Stocker offenbar Marlene Streeruwitz' neue Novelle "Morire in levitate", die zwar mit einem gebrochenen Herzen beginnt, mit Liebe aber rein gar nichts zu tun hat, wie Stocker versichert. Vielmehr gehe es um die schmerzvolle Aufarbeitung von Familienvergangenheit als Teil der kollektiven österreichischen Vergangenheit während des Nationalsozialismus. Marlene Streeruwitz inszeniere in der Protagonistin einen Fall von stellvertretender Schuldübernahme, ein bekanntes Phänomen der Gedächtnisforschung. Allerdings richte sich die Anklage der "magersüchtigen" und "therapie-resistenten" Geraldine, die aufgrund ihrer Stimmblockade den Beruf als Sängerin aufgeben musste, nicht gegen die Eltern, sondern gegen den Großvater, eine "Figur, die in den Erzählungen der Enkelgeneration üblicherweise idealisiert wird". Der Großvater hatte die Fahrpläne für die Deportationen nach Auschwitz erstellt und "nicht einmal Spinat essen können, ohne ein Nazi zu sein". Geraldine, mittlerweile fast sechzig, versucht dieses Trauma abzuarbeiten, was Streeruwitz mit "literarischer Vehemenz" beschreibe. Zwar ist die Erzählung "düster", sie gleitet aber nie in einen "allgemeinen Weltekel" ab, lobt Stocker. Der Text entwickele zudem durch seinen "notorischen Stakkato-Stil" und die "zerhackten, verschobenen Satzkonstruktionen" einen "sogartigen Rhythmus", der den Rezensenten "gerade durch seine Brüche zu überzeugen vermag".

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.10.2004

Keine Leichtigkeit, nichts dergleichen, stellt Verena Auffermann mit leichtem Bedauern fest. Marlene Streeruwitz hat mit "Morire in Levitate" (das Auffermann mit "Sterben. In Leichtigkeit" übersetzt) eine Novelle vorgelegt, eine Etüde über das Altern, in deren Mittelpunkt eine ehemalige Opernsängerin steht, die um einen See läuft und während des Spaziergangs ins Grübeln gerät. Ein Selbstgespräch über das Alter, den Tod, die Oper setzt ein; Angst - eine bei Streeruwitz immer "lustvolle Angst vor der Angst", schreibt Auffermann - wirke bei ihr wie ein "Kreativmotor", der Satz um Satz ausschütte, ein Horrorszenario nach dem anderen ausmale, Staccatosätze produziere, bis nach Meinung von Auffermann der "Erzählton kollabiert" und ungewohnte Töne sich einschleichen - Anklänge an Thomas Bernhard, was Auffermann insofern verwundert, als sich Streeruwitz in einem Essay klar gegen ihren Landsmann ausgesprochen hat. Kein Vorbild also und trotzdem Sätze von Bernhardscher Zwanghaftigkeit, die das Sterben nicht leichter machen, so die Rezensentin.