Marie NDiaye

Ladivine

Roman
Cover: Ladivine
Suhrkamp Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783518424261
Gebunden, 444 Seiten, 22,95 EUR

Klappentext

Aus dem Französischen von Claudia Kalscheuer. Malinka besucht ihre Mutter Ladivine Sylla einmal im Monat in Bordeaux. Die Tochter möchte eine ganz andere Frau werden: Und so legt sie sich, auf dem ersten Schritt nach oben, den (von ihr für typisch gehaltenen französischen) Vornamen Clarisse zu, als sie eine Stelle als Kellnerin antritt. Dort lernt sie ihren Mann, Richard Rivière, kennen. Damit setzen ungewöhnlich ereignisreiche Handlungsabläufe ein, die von Frankreich nach Afrika und nach Berlin reichen. Marie N'Diaye beschreibt Zusammenhänge zwischen den Menschen aus deren Innenperspektive, zergliedernd, jede Regung hin- und herwendend - und zugleich deutlich machend, dass alle Personen etwas nicht rational Reduzierbares bergen und verbergen, das sie durch Ereignisse in der Realität bestätigt glauben.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 12.06.2014

Gebannt hat Iris Radisch Marie N'Diayes neuen Roman "Ladivine" gelesen, in dem die Autorin Themen wieder aufgreift, die Radisch von ihr schon kennt: eine junge Französin schämt sich für ihre afrikanischen Wurzeln, verlässt ihre Mutter und flüchtet sich in die Kleinbürgerlichkeit der französischen Provinz, in die sie sich aber nicht so recht einzufügen vermag, fasst die Rezensentin zusammen. Oberflächlich geht es also um so etwas wie den alltäglichen Rassismus in Frankreich und Familienneurosen, so Radisch. Was diesen Roman für sie aber so besonders macht - denn besonders ist er, verspricht die Rezensentin - ist der "Extremismus der Gefühle", den N'Diaye in ihren Protagonistinnen immer wieder hochkochen lässt, und der unermüdlich Vernunft und Maßhalten, die kalte Mittelmäßigkeit des geordneten Alltags bedroht, erklärt Radisch. Dieser innere Wettstreit ist es, der nachklingt, warnt die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 07.06.2014

Begeistert und von Unheimlichkeit kühl angeweht schreibt Catarina von Wedemeyer über diesen neuen Roman der in Berlin lebenden französischen Autorin senegalesischer Herkunft. Alle haben darin ein böses Gesicht, sagt sie, "sogar die Kinder". Es geht um Anderssein in einer mehrheitlich weißen Gesellschaft, um interne Rassismen, die die hellhäutigere Tochter dazu bringt, ihre dunkelhäutigere Mutter zu verachten. Und das alles vermschit die Autorin - nach Auskunft der Rezensentin - mit mythischen Motiven, etwa einem Hund, der in verschiedenen Ausprägungen wiederkehrt und mal zu drohen, mal zu beschützen scheint. Eine eindeutige Leseempfehlung durch die Rezensentin.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 04.06.2014

Katrin Hillgruber ist nicht restlos überzeugt von diesem Roman von Marie N'Diaye. Wie schon in früheren Büchern, erklärt sie, geht es der Autorin darum, das Böse an sich darzustellen, seelische Grausamkeit, Mobbing, Ausschließungsrituale. Wie häufig schwingt dabei afrikanischer Animismus mit, meint Hillgruber. Die vorliegende Geschichte um eine rätselhafte Mutter-Tochter-Beziehung und eine junge Frau, die ihre afrikanische Herkunft negiert, scheint Hillgruber stilistisch zwar ausgereift, doch mit ihren Bandwurmsätzen und Wiederholungen und den aneinandergereihten Grausamkeiten den Leser mitunter auch über Gebühr zu fordern.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.05.2014

Rezensentin Lena Bopp freut sich, dass mit "Ladivine" ein neuer Roman der französischen Autorin Marie NDiaye erschienen ist. Einmal mehr lässt sich die Kritikerin von NDiayes Kunst, "atmosphärische Nuancen" zu gestalten, in den Bann ziehen, denn sie begegnet Menschen, die sich in ihrem eigenen Leben fremd fühlen: Malinka etwa, die ihre Mutter, eine dunkelhäutige Putzfrau, verleugnet, einen Franzosen heiratet, ihren Namen ändert und unter ihrer Lebenslüge zerbrechen wird. Auch das Schicksal von Malinkas Tochter Ladivine berührt die Rezensentin tief - was insbesondere an NDiayes Vermögen liegt, das Innenleben ihrer Figuren in feinsinnigen und poetischen Beobachtungen zu schildern. Bopp lobt nicht nur den scharfen und "ergebnisoffenen" Blick der Autorin, sondern lernt hier auch einiges über latenten Rassismus. Dass NDiaye ihren realistischen Roman bisweilen mit fantastischen und märchenhaften Momenten anreichert, stört den Lesefluss der Kritikerin zwar - nichtsdestotrotz kann sie dieses wunderbare Buch aber nur unbedingt empfehlen.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 31.05.2014

Ein "kristallines Meisterwerk" erblickt Ina Hartwig in Marie Ndiayes neuen Roman "Ladivine". Die in Frankreich, Deutschland und Afrika spielende Familiengeschichte, die von der Weitergabe von Schuld, Opfer, Verleugnung, Reue und Gewalt über die Generationen hinweg handelt, hat sie beeindruckt und berührt: tragisch, abgründig, phantastisch und überaus traurig empfindet sie die Geschichte von Malinka, die sich Clarisse nennt, ihrer Mutter Ladivine und ihrer Tochter, die den Namen der Großmutter trägt, die sie nicht kennt. Sie würdigt die Klugheit und die sprachliche Schönheit und Anmut des Werks, das für sie eine geradezu "biblische Wucht" und einen Sog entwickelt, dem man sich nicht entziehen kann.
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Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.05.2014

Maike Albath findet kaum genug Worte, um Marie N'Diayes Roman "Ladivine" zu loben. Die Rezensentin verliert sich in den ebenso beklemmenden wie fesselnden Bildern und Szenen, in denen N'Diaye von einer hellhäutigen Tochter erzählt, die sich aus Scham und latenter Verachtung weitgehend von ihrer Herkunft und ihrer schwarzen Mutter Ladivine entfernt. Mythisches begegnet Albath hier ebenso wie Anklänge an Chateaubriand oder Claude Simon; insbesondere aber lobt sie die Kunst der Autorin, in drängenden Wiederholungen und zugleich klarem Satzbau leise Abgründe zu schildern, die sich schließlich in äußerer Gewalt entladen. Der Roman, der drei Frauen aus verschiedenen Generationen begleitet, zeichnet sich darüber hinaus auch durch tiefe Einblicke in zeitgenössische soziale Probleme und Milieus, aber auch in moderne Psychologie aus, lobt die Rezensentin, die neben der hervorragenden Übersetzung vor allem von der "vibrierenden Intensität" und der außergewöhnlichen Tiefe dieses Romans angetan ist.