Margriet de Moor

Sturmflut

Roman
Cover: Sturmflut
Carl Hanser Verlag, München 2006
ISBN 9783446207134
Gebunden, 349 Seiten, 21,50 EUR

Klappentext

Aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen. Margriet de Moor erzählt von der ungeheuren Naturkatastrophe, die die Niederlande im Februar 1953 heimsuchte, und von den gegensätzlichen Schicksalen und Lebensläufen zweier Schwestern, die einander bis zum letzten Atemzug verbunden sind.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 19.06.2006

Barbara von Becker hat diesen Roman über zwei Schwestern, die zur Zeit der großen niederländischen Sturmflut 1953 eigentlich nur kurz in die jeweilige Rolle der anderen schlüpfen wollten, mit großer Spannung gelesen. Die Autorin lässt die minutiöse Chronologie der Flutnacht, in der Lidy schließlich für immer verschwinden wird, parallel laufen mit dem Leben Amandas, die nach dem Tod der Schwester deren Mann heiratet. Dieser erzählerische Trick trägt enorm zur Verstörung der Leser bei, so die Rezensentin fasziniert. Sie findet zwar, dass de Moor mitunter zu viel ihrer Recherchearbeit an die Leser bringen will, indem sie sich allzu akribisch über Deiche, Windbeschaffenheiten oder den Küstenschutz in den Niederlanden ausbreitet und sie stellt auch durchaus einen gewissen Hang zur theatralischen Übertreibung fest, wenn beispielsweise noch in der Sturmnacht eine Schwangere niederkommen muss. Dafür ist Becker insbesondere von den sich stetig steigernden Beschreibungen der Naturgewalten ebenso beeindruckt wie von der atemberaubenden Spannung, die die ganze Zeit herrscht, obwohl man das Ende schon früh vorausahnt.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 19.06.2006

Ganz aus dem Häuschen ist Meike Fessmann angesichts dieses Romans, in dem zwei Schwestern ihre Rollen tauschen. Das Buch spielt 1953, als eine große Sturmflut in den Niederlanden wütete, die Zeeland zerstörte. Vor diesem Hintergrund entfaltet Margriet de Moor eine spannende Intrige, in der Amanda ihrer Schwester vorschlägt, statt ihrer zum Patenkind nach Zeeland zu fahren, während sie selbst bei Mann und Kind ihrer Schwester bleibt. Nach dem Verschwinden der Schwester tritt Amanda nach und nach an ihre Stelle. Schon den Anfang des Romans preist Fessmann als "grandios", weil bereits hier unter der niederländischen Normalität das Abgründige eines verbotenen erotischen Begehrens vorscheint, das sich weiter durch das ganze Buch zieht. Hinter seiner mitreißenden Spannung offenbare sich "Sturmflut" als gekonnte "Anverwandlung" von Shakespeares "Sturm" und demonstriere zudem, wie wenig der Mensch sein eigenes Schicksal in der Hand hat, stellt die Rezensentin beeindruckt fest.
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Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 08.04.2006

Etwas zwiegespalten fühlt sich die Rezensentin Maja Rettig angesichts des neuen Romans der Niederländerin Margriet de Moor. Hingerissen ist sie von der Gesamtanlage des Plots. Erzählt wird von zwei Schwestern, deren eine die andere aus einer Laune heraus zu einer Geburtstagsfeier schickt, bei der eigentlich sie erwartet wird. Nur deshalb überlebt sie, denn bei einer hereinbrechenden Sturmflut wird die Schwester, am falschen Ort zur falschen Zeit, ums Leben kommen. Dafür heiratet die andere den Mann der Verstorbenen. Diese Schicksalslinien aber schiebt de Moor zeitlich auseinander. Der kurze Kampf der einen gegen die Sturmflut wechselt mit den großen Perioden des ganzen Lebens der anderen. Hier vergehen Jahrzehnte, da Stunden. Es geht um den Zufall und das Schicksal, die von der Autorin vertrauten Themen, meint Rettig. Leider aber vermeide de Moor das Pathos nicht und nicht den Kitsch, werde gelegentlich zu sentenziös -und eine große Meisterin der Sprache sei sie oftmals auch nicht. Dennoch aber stecke in diesem Roman "viel erzählerische Kraft".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 29.03.2006

Martin Krumbholz schwelgt in diesem Roman, der unter der "konventionell gestrickten" Oberfläche einen durchaus "subversiven" Untergrund aufweist. Das Buch handelt vordergründig von der 1953 die Niederlande heimsuchenden Sturmflut, von der Margriet de Moor "mit großem handwerklichem Geschick" erzählt, wie der Rezensent lobt. Hinter dieser Naturkatastrophe lässt die niederländische Autorin allerdings das Drama der Rivalität zweier Schwestern, die den selben Mann lieben, aufscheinen. Dass Amandas Feindseligkeit gegenüber ihrer Schwester an keiner Stelle ausformuliert wird, imponiert dem Rezensenten besonders. Ein "großes Buch" ist dieser Roman, so der Rezensent feierlich, weil "alles Entscheidende" untergründig verhandelt wird und dem Leser überlassen bleibt, das Verborgene selbst zu entdecken.

Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 16.03.2006

Margriet de Moors Spezialität ist das Ansiedeln ihrer Geschichten in einem Schattenreich, "in dem klare Unterscheidungen verschwimmen wie Wasser und Land am Horizont der niederländischen Polder", schreibt Susanne Mayer. Das Rezept wendet de Moor erneut in "Sturmflut" an, mit Erfolg, meint Mayer. Zwei Schwesternleben werden durch die historische Sturmflut im Jahr 1953 auseinander gerissen - ein dummer Rollentausch lässt die eine in das Leben der anderen schlüpfen. Wer von beiden nun wirklich sein Leben lässt, ist bei de Moor nicht wirklich heraus, stellt Mayer fest, auch wenn klar der Tod der einen Schwester auf dem Meer beschrieben würde, während die andere sich in deren Leben ausbreite, aber darin auch verliere. Auch wenn die Naturkatastrophe minutiös beschrieben werde, ginge es doch in Wirklichkeit um die Schutzdeiche in unserem Inneren, um unsere Sicherungssysteme des bürgerlichen Lebens, kommentiert die Rezensentin. De Moor erzähle das alles mit "aufreizender Distanziertheit", mit beinahe leidenschaftsloser Stimme, die gegen das Chaos, den Sturm, die Flut, den Tod anspreche, um dann am Ende in die "Naturhaftigkeit des Seins" einzutauchen. De Moor - eine Mystikerin, so sieht es Mayer.

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