Luo Ying

Erinnerungen an die Kulturrevolution

Moderne Volksballade
Cover: Erinnerungen an die Kulturrevolution
Georg Olms Verlag, Hildesheim 2017
ISBN 9783487085852
Gebunden, 267 Seiten, 19,80 EUR

Klappentext

Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Mit einem Nachwort von Meng Zhanchun. Die in Versen verfassten Memoiren Luo Yings (Pseudonym des gefeierten Dichters, Forbes Milliardärs und Bergsteigers Huang Nubo) führen den Leser in die Tiefen der Kulturrevolution (1966-1976), indem der Autor ihre Auswirkungen auf sein Leben nachzeichnet. Die "Große Proletarische Kulturrevolution" stellt einen kritischen Punkt auf Chinas Weg ins Zeitalter der Moderne dar. Betroffen von ihren Folgen war eine Gesellschaft ebenso wie ein Junge, der in ihre malmenden Zahnräder geriet und zugleich zum Opfer und Täter der Kulturrevolution wurde.
Mit Hilfe von Lyrik, die das Politische und das Persönliche, das Soziale und das Individuelle nebeneinanderstellt, beschreibt er, wie linksradikale Massenbewegungen und Fraktionskämpfe zutiefst das private Alltagsleben prägten. Düstere, jedoch eindringlich lebhafte Bildnisse seiner Mutter, seines Vaters, der Klassenkameraden und Mitarbeiter enthüllen dabei das Ausmaß des unsagbaren Schadens, den die Gesellschaft davontrug. Den Autor bewegt nicht nur der Wunsch, mit Hilfe der Dichtung seine Erinnerungen dem Vergessen zu entreißen. Mehr noch ist es die alptraumhafte Ahnung, dass sich die darin enthaltenen Erfahrungen wiederholen können. Zu tief haben sie sich in die Denk- und Verhaltensmuster der Bevölkerung, aber auch der Elite, der Gewinner wie der Verlierer, eingegraben und leben dort als "Rotgardisten-Gene" fort.
"Erinnerungen an die Kulturrevolution" verschafft dem Innenleben eines von seinen Erlebnissen verfolgten Mannes Gehör und bezeugt eine traumatische Zeitspanne, die mit ihrer Ideologie die menschliche Individualität zu zerschmettern drohte. Luo Yings Lyrik verkörpert das lebendige und eloquente Zeugnis der Stimme eines Individuums, dem es gelang, den entsetzlichen sozialen und historischen Umständen standzuhalten.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30.11.2017

Rezensent Mark Siemons lernt die Kulturrevolution in China aus einer etwas anderen Perspektive kennen. Wie der erfolgreiche Immobilienunternehmer und Autor Luo Ying das Leid seiner Genossen sieht, findet er so schockierend wie überraschend. Der Atem stockt dem Rezensenten beim Lesen über Messerstechereien zwischen Rotgardisten und Rebellen und andere Gewalttaten. Dass der Autor seinen Erinnerungstext eine "moderne Volksballade" nennt, scheint Siemons nachvollziehbar. Ohne höhere Moral, dafür aus der Vogelperspektive, von Interkontinentalflügen oder aus einer Villa in Los Angeles blickt der Autor auf sein Land und einen unrühmlichen Teil der Geschichte zurück, heißt es.
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