Kathrin Schmidt

Koenigs Kinder

Roman
Cover: Koenigs Kinder
Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2002
ISBN 9783462031294
Gebunden, 344 Seiten, 22,90 EUR

Klappentext

Die Macht der Liebe im Wechsel der Zeiten: Kathrin Schmidt erzählt eine Familiengeschichte aus dem deutschen Alltag, in der sich außergewöhnliche Lebensläufedurch die Wendezeit schlängeln. Sie führt den Leser hinein in ein Ostberliner Viertel, das durch das Verschwinden eines Mädchens in Unruhe versetzt wird. Zwar taucht die kleine Janina nach wenigen Tagen wieder auf, doch können es die Hauptfiguren nun nicht mehr lassen, sich mit ihrer Kindheit und dem Kindsein zu beschäftigen. Bald wird klar, dass Frau Koenig, die leicht debile Putzfrau, und ihr Vater Schlüsselfiguren bei der Entwirrung des feinmaschigen Beziehungsgeflechts sein müssen.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.03.2003

Kathrin Schmidts Roman "Koenigs Kinder", ein "großes Tableau komplexer, überkreuz konstruierter Psychostudien", hat Rezensent Stephan Maus außerordentlich beeindruckt. Einfühlsam, aber nie sentimental findet Maus ihr Porträt dreier mehr oder weniger zerbrechender Familien im Speckgürtel Berlins. Mit ungeheuerer Detailfülle breite Schmidt ein gutes Dutzend Biografien vor dem Leser aus, die sie in schnell wechselnder Perspektive zu einem großen Puzzle füge, bis sie schließlich eine große Familie bildeten. Schmidts "hochorganisierte Prosa", erklärt er, "ist eine Art psychologische Fuge". Neben dem formalen Reichtum dieser Prosa hat Maus die Fülle "an fein schattierten Empfindungen und Gefühlsregungen, an Komplexen in originellsten Ausformungen und Neurosen" überzeugt. Dabei gelingt es Schmidt seines Erachtens, ihre Erkundung der unterschiedlichsten Psychen spannend wie einen Thriller zu gestalten. Er hebt hervor, dass die Autorin, bei aller "mikroskopischen Konzentration auf komplexe Innenwelten", zugleich ein auch ein "äußerst intensives Bild" der deutschen Suburbia zeichnet. Die Schilderung der Tristesse der schäbigen Vorstadtwelt der Industriebrachen, Eurasia-Imbissbuden, Tankstellen-Shops und Stadtring-Center findet Maus äußerst eindringlich. Schließlich weist er darauf hin, dass dieser Roman im Grunde ein eminent politischer Text ist: Schließlich liege der Kern aller Neurosen in den Wirren der deutschen Geschichte.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.11.2002

Ein großes Lob von Helmut Böttiger für diesen Roman und seine enorme "Sinnlichkeit", die, so der Rezensent, "vor allem in der Körperlichkeit" der außenseiterischen Protagonisten liegt. "Dieses Erzählen ist libidinös", schreibt er und schwelgt in Beschreibungen des "schwer zu erhaschenden" Zwischentons, "in dem das Scheitern an der kruden Realität und die traumwandlerische Überwindung derselben einander in der Schwebe halten". Auch wenn Böttiger den Roman an mehreren Stellen als "Märchen" bezeichnet, hat er doch auch viel "Geschichte, Gesellschaft, Genauigkeit" in ihm gefunden. Immer wieder aber kommt er zurück auf die Sprache: sie ist "materialistisch-sinnlich" schreibt er und das sei "in der literarischen Landschaft zurzeit sehr ungewöhnlich".

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 09.10.2002

Es würde sich glatt lohnen, zu diesem Buch eine Website einzurichten, auf der sich die Leser über die "virtuos" gestalteten Beziehungsgeflechte und Handlungsstränge dieses zweiten Romans von Kathrin Schmidt austauschen können, wünscht Hauke Hückstädt. Er hätte sich nämlich liebend gerne ein Personenverzeichnis gewünscht, obwohl, sieht der Rezensent ein, ihm auch das nicht viel weiter geholfen hätte. Denn die komplizierte und dichte Erzählweise der Autorin sei Programm, mit atemberaubender "Raffinesse" und großer "Artistik" umgesetzt, staunt Hückstädt. Den Inhalt mag der Rezensent dann gar nicht näher erläutern, verrät aber, dass sich alles um ein familiäres Ensemble in Berlin-Lichtenhagen dreht, einem trostlosen Bezirk im Osten der Stadt. Wahrhaft großartig findet Hückstädt vor allem die "narrative Intelligenz" und den "schier unerschöpflichen Dudenzauber", den Schmidt mit ihren Beschreibungen und ihrer Syntax veranstalte. Dieser Roman ist einfach famos, von hoher Kunst und im Fazit, so der zutiefst beeindruckte Rezensent, ein "verstörendes Stammbuch der Liebe".

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 08.10.2002

Unter einer sachlichen Überschrift verbirgt sich eine außerordentliche Lobeshymne der Rezensentin Frauke Meyer-Gosau, die diesen Roman für ein "Erzählwunder" hält. Am Fall der "kleinen Janina", die mit durchgeschnittener und wieder zugenähter Kehle am Rande der Autobahn gefunden wird, bringe die Autorin Kathrin Schmidt das "Gefühlserbe der DDR" zur Sprache. Und das mit einer "Gefühlsintensität, Zugewandtheit und intimen Kenntnis der inneren Landschaften, nach der sie alle sich furchtsam sehnen," schreibt Meyer-Gosau. Die Rezensentin erklärt uns den Roman, aber sie verrät nicht, wer der Mörder ist. Das "große Kunststück" der Autorin besteht nämlich gerade darin, schreibt sie, "dass das Verstehen der Zusammenhänge hier weder Erschrecken noch Ablehnung löscht". So wird jeder verdächtig und der Leser gemeinsam mit den Protagonisten "mit den Nachtseiten der jüngsten deutschen Geschichte" konfrontiert. Der "große Mut", mit dem die Autorin sich dieses "Erzählgepäck auflädt", wird schließlich gerechtfertigt durch das, was Frauke Meyer-Gosau ihre Fähigkeit nennt, "bei allem Suchen, Wüten und Grübeln" das Leibliche, "Kochen, Essen und Lieben" nicht zu kurz kommen zu lassen, also nicht zum "Traktat" zu machen, was einen Roman fordert, nämlich "erzählend heraufgerufenes Leben". Nach Meyer-Gosau ist Kathrin Schmidt dies ganz hervorragend gelungen.