Klappentext
März 2020: Ein protestantischer Pfarrer in der Uckermark, der dem Tod ins Auge blickt. Eine Anästhesistin der Charité, die mit einem Rabbi zusammen in Quarantäne gerät. Ein Kunststudent, der heillos in seine Professorin verliebt ist und in eine Welt der Betäubung abdriftet. Und Selma, die Enkelin, Tochter und Schwester der Genannten, die diese Familie irgendwie zusammenhalten soll - keine leichte Aufgabe in Zeiten von Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln, in denen Distanz zur Tugend wird und Nähe zum Problem. Die vier auseinandergerissenen Familienmitglieder sind weniger durch Ähnlichkeit miteinander verbunden als durch eine gemeinsame Leerstelle: Holger, Pfarrerssohn, Ex-Mann und Vater der Protagonisten befindet sich nach einem Suizidversuch in einer Klinik und ist nunmehr so gut wie unerreichbar. Für jede der Figuren bedeutet er eine Lücke, einen Phantomschmerz der anderen Art.
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 15.01.2022
Für den Rezensenten Harald Eggebrecht gelingt John von Drüffels Versuch, die Lockdown-Erfahrung literarisch zu verarbeiten, leider nicht. So bleibe der Lockdown nur eine behauptete Komponente in der "Versuchsanordnung" des Romans, die mit den innerfamiliären Konflikten, um die es geht - ein Pfarrer, der den Kontakt zu seinem entfremdeten Sohn sucht, dessen Tochter, die Opfer einer Vergewaltigung wird, und ihre Mutter, die im Gesundheitswesen arbeitet und tiefenpsychologischen Rat beim Rabbi sucht -, eigentlich nichts zu tun habe. Eine Nähe zu den Figuren und ihren Schicksalen stellt sich beim Kritiker nicht ein; ihre Höhen und Tiefen werden dem Leser als Spannungsbogen zwar erkennbar, nicht aber spürbar, bedauert Eggebrecht. Auch die großen Fragen, die von Düffel in der Krisensituation aufwerfen will, lesen sich bestenfalls als "hübsche Bonmots" - ein leider allzu "routiniert" geschriebener und daher unnahbar wirkender Roman, findet Eggebrecht.
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buecher.deRezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.10.2021
Rezensentin Lerke von Saalfeld ist enttäuscht. Sie schätzt eigentlich die Beobachtungsgabe des Autors und Dramatikers John von Düffel, entsprechend gespannt liest sie dessen Corona-Roman, der aber eigentlich keiner sein will, wie sie schnell feststellt. Denn die Pandemie findet nur im Hintergrund statt, im Zentrum steht der sterbende Ex-DDR-Pfarrer Richard - seine Familie, darunter die Charité-Ärztin Maria, ihr in der Psychiatrie sitzender Mann und der gemeinsame Sohn Jakob, der als gescheiterter Kunststudent über das Ende der Kultur während der Pandemie räsoniert, betreten die Bühne meist ohne größeren Kontext mit eigenen Schicksalen, resümiert die Rezensentin. Leider bleiben alle Figuren ohne Konturen, die Verbindungen zwischen ihnen fehlen auch, seufzt Saalfeld und schließt: Offenbar ein Schnellschuss.
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buecher.deRezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 08.09.2021
Ziemlich lustlos fertigt Rezensentin Petra Kohse diesen Corona-Roman von Vielschreiber John von Düffel ab, der vom Leben und Sterben einer Familie im Lockdown erzählt. Trotz Quarantäne sind die Menschen hier viel unterwegs, bemerkt Kohse, die sich dennoch nicht für sie erwärmen kann. Forciert skurril erscheinen ihr die Begegnungen, langwierig die Redepassagen und die Themen (Depressionen, Sterbehilfe, Kriminalität, Ost-West und jüdische Identität ) beliebig. Einziger Clou: Wut und Schuld sind auf alle Personen gleichermaßen verteilt.
Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk, 16.07.2021
"Die Wütenden und die Schuldigen" entstand während des ersten Corona-Lockdowns und will wohl eigentlich über unseren Umgang mit dem Tod als Teil des Lebens erzählen, vermutet Rezensent Cornelius Wüllenkemper. Herausgekommen ist jedoch eine "zusammenhanglose Aneinanderreihung unausgegorener Einfälle", lautet das harsche Urteil des Rezensenten. So unmotiviert, wie Düffel alle möglichen Themen anschneide - Landleben, die Auswirkungen des Lockdowns auf die Kultur-Szene und eine Familie, Selbstmord, mysteriöse Katzen etc. -, lasse er sie auch wieder fallen. Auch die Figuren lassen leider zu wünschen übrig, findet Wüllenkemper: Zum Beispiel hätte ihnen etwas mehr Profil und weniger Klischee gutgetan. Der Rezensent bleibt "ratlos" zurück.
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