James Baldwin

Ein anderes Land

Roman
Cover: Ein anderes Land
dtv, München 2021
ISBN 9783423282680
Gebunden, 576 Seiten, 25,00 EUR

Klappentext

Aus dem Englischen von Miriam Mandelkow. Warum hat Rufus Scott - ein begnadeter schwarzer Jazzer aus Harlem - sich das Leben genommen? Wegen seiner Amour fou mit der weißen Leona, einer Liebe, die nicht sein durfte? Verzweifelt sucht Rufus' Schwester Ida nach einer Erklärung. Aber sie findet nur Wahrheiten, die neue Wunden schlagen, - auch über sich selbst. Wie ihr Bruder war Ida lange bereit, sich selbst zu verleugnen, um ihren Traum zu verwirklichen, den Traum, Sängerin zu werden. Wie ihr Bruder hat sie ihre Wut auf die Weißen, die sie diskriminieren. Bis jetzt. Baldwin verwickelt uns in ein gefährliches Spiel von Liebe und Hass - vor der Kulisse eines Amerikas, das sich selbst in Trümmer legt.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 18.08.2021

Rezensent Manuel Müller stellt Vermutungen darüber an, was James Baldwin weiteratmen ließ. Anhand von Baldwins Roman in der "hervorragenden" Neuübersetzung von Miriam Mandelkow kommt er drauf: Ein Afroamerikaner bewahrt sich die Menschlichkeit noch unter dem Eindruck von Rassismus und Gewalt, dem weißen Täter kommt sie abhanden. Wie facettenreich Baldwin das Greenwich Village der 50er schildert, den sich überall einschleichenden Rassismus, findet Müller stark. Baldwins Wagemut lässt sich anhand dieses Buches erkennen, das für Müller repräsentativ für das Werk des Autors ist.

Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 29.07.2021

Rezensentin Sigrid Löffler begrüßt die Wiederentdeckung von James Baldwin. Allerdings kann sie Baldwins Roman von 1962 in der Neuübersetzung von Miriam Mandelkow nur bedingt empfehlen. Baldwins literarische Halbwertszeit schrumpft angesichts dieses Romans über ein schwarzes Geschwisterpaar im New York der 1950er Jahre ganz schön zusammen, findet sie. So kenntnisreich seine Milieuschilderungen aus dem Village der Bohemiens Löffler erscheinen, so flach und leblos bleiben die Figuren, an denen der Autor "Konzepte von Männlichkeit" ausprobiert, wie die Rezensentin unschwer erkennt. Und auch die Belebung seines Textes, die Baldwin mittels Dialogen anstrebt, bleibt für Löffler unbefriedigend. Oft klingt der Text wie eine "psychotherapeutische Gruppensitzung", trivial und kitschig überdies, schimpft die Rezensentin.
Lesen Sie die Rezension bei buecher.de

Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk Kultur, 08.06.2021

Rezensent Tobias Wenzel trifft dieses Hörbuch mit voller Wucht. Großartig findet er, wie dezent Christian Brückner James Baldwins Roman lese, der für sich schon genug Stärke entfalte. "Another Country" erzählt die Geschichte des Jazz-Musikers Rufus, der am Rassismus der amerikanischen Gesellschaft zugrunde geht: Er vergewaltigt seine weiße Freundin, nimmt sich selbst das Leben nimmt und hinterlässt einen konsternierten Kreis von Freundinnen und Freunden. Von einigen Szenen ist der Rezensent geradezu erschüttert, aber er vernimmt wie in vielen Romanen Baldwins deutlich den Ruf nach Selbstbefragung und Selbsterkenntnis als Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft.

Rezensionsnotiz zu Die Tageszeitung, 05.06.2021

In der Neuübersetzung von Miriam Mandelkow liest Rezensent Deniz Utlu James Baldwins Klassiker als Reflexion über das verschenkte Rettungspotenzial der Liebe und zieht dabei immer wieder Baldwins ebenfalls von Mandelkow übersetzten Essay "Nach der Flut das Feuer" heran. Auch wenn der Roman weniger deutlich und fern von "Thesen und Argumenten" arbeite: Die Liebesunfähigkeit der von Rassismus und Antisemitismus geprägten Menschheit, die auch Adorno in seiner "Erziehung nach Auschwitz" diagnostiziert habe, sei es, die die Figuren in Baldwins in den zutiefst rassistischen 1950er Jahren spielendem Roman trennt und die Rufus, angelehnt an einen Freund Baldwins, in den Selbstmord treibt, so Deniz Utlus Analyse. Trotzdem predigen weder Adorno noch Baldwin Liebe, betont der Rezensent. Es geht erst einmal um Ehrlichkeit in den Beziehungen zueinander. Und dann finden wir vielleicht so etwas wie eine "sinnliche Wahrheit", resümiert der Rezensent.

Rezensionsnotiz zu Die Welt, 05.06.2021

Rezensent Tilman Krause ist dankbar für das "Reinigungsritual", das ihm die Neuauflage von James Baldwins Roman über eine Gruppe schwarz-weißer und homosexueller Paare verschafft: In keinem Roman habe Baldwin rassistische Strukturen und die destruktive Wirkung, die sie auf Schwarze und Weiße hatten, besser aufgefächert als in diesem, der nichts von seinem "Sturmwind"-Charakter, so Krause unter Referenz auf eine Formulierung Frederic Raphaels, eingebüßt habe - wobei er die Qualität des Romans weniger in seinen überschwänglichen Phallus-Metaphern ("wie die Kathedrale von Chartres") als in seiner psychologischen Komplexität begründet sieht. Die Neuübersetzung von Miriam Mandelkow schließlich werde dem Original an vielen Stellen gerechter als die ursprüngliche von Hans Wollschläger - so macht sie aus dem "Lümmel" einen "Wichser", lobt Krause. Wenn aus Wollschlägers "rassebewusst" (im Original: "race-conscious" allerdings "politisch" wird, fragt sich der Rezensent, ob unsere sprachliche "Prüderie" etwas überhand nimmt.