Inger Christensen

det / das

Gedicht. dänisch-deutsch
Cover: det / das
Kleinheinrich Verlag, Münster 2002
ISBN 9783930754298
Gebunden, 464 Seiten, 45,00 EUR

Klappentext

Aus dem Dänischen von Hanns Grössel.

Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 17.09.2003

Inger Christensen ist die "grand old lady der dänischen Literatur", doch ist mit dieser gängigen Formel, wie sie Beatrice von Matt hier einsetzt, keine Bestseller-Literatur gemeint, sondern Dichtung beziehungsweise "absolute Literatur", wie von Matt in Entlehnung eines Ausdrucks von Roberto Calasso schreibt. Vor allem bei den Frühromantikern sei der Literaturwissenschaftler Calasso auf seiner Suche nach den "absoluten Literaten" fündig geworden, und so überrascht es von Matt auch nicht weiter, dass ausgerechnet Novalis für Christensen zum Dichtergott aufstieg. Für Christensen spiegelt die poetische Organisation sprachlicher Zeichen immer auch eine mathematische Organisation, führt uns von Matt in die Poetik Christensens ein, weil nämlich erst ein bestimmtes mathematisches oder serielles Prinzip die Sprache zu sich selber brächte. Das nun erst auf Deutsch veröffentlichte (und hervorragend übersetzte!) Lang- beziehungsweise Großgedicht stammt aus dem Jahr 1969, berichtet von Matt; es sei ein Weltpoem, eine Art "poetischer Schöpfungsbericht", schreibt die Rezensentin begeistert, das noch immer "dunkel und geheimnisvoll, dichterisch wie am ersten Tag" wirke. Kaum ein anderer Dichter - da lässt von Matt nur Durs Grünbein gelten - erziele ein solches Gleichgewicht zwischen Sinnlichkeit und Abstraktion.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.07.2003

"Endlich", so Harald Hartung hocherfreut, liegt Inger Christensens großes Gedicht "det", das als Hauptwerk der dänischen "Systemdichtung" gilt, auch auf Deutsch vor - mehr als 30 Jahre nach seiner Entstehung. Für den Rezensenten stellt Christensen die größte zeitgenössische dänische Lyrikerin dar und er macht ihre Berührung mit "Chomskys Sprachtheorie" als Anstoß für dieses lange Gedicht aus. Der Rezensent räumt ein, dass der Text mit seinem Engagement gegen den Vietnam-Krieg, seinen Themen aus der Musik der 60er Jahre und der "Flower Power" durchaus zeitgebunden ist. Dennoch geht das Gedicht für ihn über das Zeittypische hinaus und er macht darin etwas "Solides, ja Monumentales" aus. Dabei sei Christensen beileibe keine "ängstlich-enge Klassizistin" betont Hartung, sondern gehe durchaus poetische Risiken ein. Der Rezensent preist die "enorme Fülle" sowohl der Sprache als auch der evozierten lyrischen Welt und zeigt sich insbesondere von der Emphase der Autorin gefangen, die damit so manche seiner Ansicht nach "allzu komplett wirkende Passage" ausgleicht.
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Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 18.06.2003

Ein Blick auf den Buchtitel verrät es: die zweisprachige Ausgabe von Inger Christensens Langgedicht aus dem Jahr 1969 enthält auch drei Essays, die Sybille Cramer beim Abfassen dieser hochphilosophischen Rezension geholfen haben dürften. Einige Stichpunkte ihrer Besprechung: Inger Christensen ist Universalistin. Sie bezieht sich auf Dante und nimmt seine Zahlensymbolik (die Acht) auf. Sie beruft sich auf Chomskys sprachwissenschaftliche Untersuchungen und auf die Naturwissenschaften, die beide für den Evolutionsprozess eine Existenz der Sprache voraussetzen. Sie errichtet eine Zeitordnung, die nicht chronologisch ist, sondern einem digitalen Programmcode ähnelt, "Schöpfer und Schöpfung, Prozess und Gestalt, Chaos und Ordnung" zugleich ist. Sie beschreibt die (geometrische) Selbstorganisation der Materie, zeichnet die Entwicklung des Wörtchens "das" zum Logos nach. Leider gibt Cramer nicht einmal eine Kostprobe aus dem von Johannes Grössel ihrer Meinung nach hervorragend übersetzten Gedicht. Vielleicht verhinderte ja die geometrische Gestaltung des Langgedichts schlicht die graphische Wiedergabe und unsere Teilnahme an diesem Sprachexperiment? Det/Das wüssten wir gern.
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Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 20.03.2003

Wahre Begeisterungsstürme entfachen bei Thomas Kling Inger Christensens Gedichte aus dem Band "det/das", die, 35 Jahre nach ihrem Erscheinen nun erstmals auf Deutsch vorliegen. Nicht dass man ihn von Christensen noch hätte überzeugen müssen - schon lange liebt und schätzt er Christensen als eine der besten Dichterinnen unserer Zeit, die auf "poetisches Blendwerk" verzichtet, schnörkellos von der Welt erzählt und Dichtung als "flirrendes Vielmehr und gesteuerten Molekülsturm fasst". Den neuen Band nun sieht Kling als unaufdringlich-unverquälten Schöpfungsbericht, der ebenso "flirrend-flanierende Sprachphilosophie" biete wie außergewöhnlich Liebeslyrik. Und das ganze, schwärmt Kling weiter, sei in durchaus erdverbundener Alltagssprache durchgeführt, so dass man von Christensen immer wieder Neues über diesen "zarten und gewalttätigen Widerborst" namens Sprache lerne.

Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 18.01.2003

Der Rezensent Guido Graf ist von Inger Christensens "Buch" begeistert - in dem sich das "Es" und das "Das", die im dänischen Original-Titel "Det" verbunden sind, "wie Wort und Fleisch zueinander verhalten". Doch nicht nur in der einen, biblischen Richtung der Schöpfungsgeschichte. Für Graf hat Christensen in der "sprachlichen Verbundenheit mit der Wirklichkeit" einen "Geheimniszustand" geschaffen, "in dem Innen und Außen", in dem Wort und Wirklichkeit "ineinander fließen". Nicht nur das Wort solle Fleisch werden, auch das Fleisch solle Wort werden. Dies sei, so Graf, eine Verquickung, die sich auch in der Dreiteilung des Bandes in Prologos, Logos und Epilogus spiegele, und die das Logos, das Wort, in Faustscher Anspielung zur Tat mache. "Einzigartig" und "spannend" sei diese Dichtung in "ihrer komplexen, spielerischen", aber auch "wissenschaftlichen Systematik". Doch wenn der Rezensent begeistert von "ungezügeltem Welt-Ich", von "theatralischer Kontrolle" und "schwindelerregender Gleichzeitigkeit für Leben und Tod" spricht, gewinnt man den Eindruck, dass die Christensen-Zitate mehr über ihre faszinierende Poetik preisgeben: "Im Anfang war das Fleisch, und das Fleisch wurde Wort (?) In einem Versuch, fest auf der Gleichzeitigkeit dieser beiden Sätze zu stehen, unter diesen paradoxen Bedingungen, fing ich also etwas zu produzieren an, wovon ich selber ein Produkt war." Nicht nur Christensens schon 1969 erschienener Text sei hervorragend, schließt der Rezensent, auch der Übersetzer Hans Grössel habe "bewundernswerte" Arbeit geleistet.